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- Hast die Bildern angschaut, bei unsere Gastgebern? Du, die san interessant.

- Auf welche Weise interessant?

- Na, halt so: interessant.

- Was findst denn so interessant an dene Bildern?

- Die Bildern halt.

- Die Bildern, die Bildern, da könnt i auch sagn, die Kaffeekann is interessant.

- Was denn für a Kaffeekann?

- Irgendaane.

- Was bittscheen, erklär mir des, is interessant an irgendaane Kaffeekann.

- Und was findst an dene Bildern interessant?

- Weils halt Bildern san. Da kommst du mit deine Kaffeekann daher.

- Wannst aber net sagn kannst, was an dene Bildern interessant is, dann is a Kaffeekann ebenso interessant. A Schmarrn! Gar nix is. A hohle Phrasen is.

- Da muß i widersprechn.

- Und?

- Was und?

- Was du widersprichst.

- A hohle Phrasen, des is a weißer Schimmel, a schwarzer Raben, des is a Kohlenkeller im Dunkel.

- Was jetzt genau?

- A Kohlenkeller im Dunkel.

- Da kannst deine Bildern drinnen aufhängn, die interessanten.

- Da kannst Kaffee drinnen ausschenken, aus deine Kann, der interessanten.

- Du, des könnt interessant san.

- Also, tun mers. Wann?

- Morgn abend um zehne.

- Abgmacht. Des könnt an interessants Bilderl geben. Nur schad, daß mer nix werdn können sehn, im Dunkel.

- Machst halt a Licht a.

... jetzt Grünwald für Königsblau auf Roth, der für Null Vier in den Sechzehner der Null Fünfer legt, Viertel wehrt ab auf Neuner, den zweiten Mann auf der Doppelsechs, die Zwanzig auf dem rot-weißen Jersey, der dribbelt einmal, dribbelt zweimal, und wird brutal abgeräumt, das ist Gelb! ...

Und zwar nach Bremen-Nord. Weshalb? Dazu die hiesige Zeitung: "Zahlteiche Buden und eine Eislauffläche locken den gesamten Advent nach Bremen-Nord."

Die einzige freie Wand meines Wohnzimmers habe ich mit Zertifikaten tapeziert; Zertifikate von Fort- und Um- und Ausbildungen sowie Maßnahmen diverser Institute, bewilligt von Arbeitsamt und -agentur, BaGIS und jobcenter. Darüber hängt der von einer Freundin mit Liebe und Humor bestickte Schal, der das Motto "Für zwölf Zertifikate gibt's eine Arbeitsstelle" verkündet. Meine Bildungskarriere, an sich makellos, ist hier und da von mehrjährigen Festanstellungen unterbrochen, aber dennoch ist offensichtlich, daß mir Lehrgänge jedwelcher Art keine Mühe bereiten und ich ein Leben lang dazugelernt habe, wenn nicht in einem Kurs, dann bei der Arbeit und durch die Arbeit (privat sowieso, aber das ist allein meine Sache). Dennoch blieb mir jetzt, da ich eine längere Ausbildung antreten will, die obligatorische psychologische Begutachtung, ob ich denn geeignet, willens und fähig bin, eine solche Ausbildung durchzustehen, nicht erspart.

Das setzte sich aus Vorgespräch, Test und Nachbesprechung zusammen. Der Test war ein handelsüblicher "Intelligenztest", wie es ihn seit den frühen Siebzigern gibt (oder noch früher), also die üblichen Aufgaben aus Bruch- und Dezimalrechnung, Zahlenreihen, Geometrie, Mustererkennung, sprachlicher Logik, und, zusätzlich, einem Englischtest. Nichts also, bei dem eigentliches Denken und wirkliche Intelligenz erforderlich wären. Der mathematische Teil war auf dem Niveau der siebten, allenfalls achten Klasse Gymnasium, der Sprachteil hatte mit Logik, aber nicht mit Sprache zu tun, die Mustererkennung war teilweise schwer, der Gedächtnistest eine Quälerei, aber die Wortergänzungen in englischen Texten ergaben sich praktisch von selbst.

Deshalb war ich überrascht, als mich die Psychologin in der Nachbesprechung als "Hochbegabten" einstufte, ich war allerdings begabt genug, ihr nicht zu widersprechen. Sonst hätte ich gesagt, daß ich vor mehr als fünfzehn Jahren einen ähnlichen, aber anspruchsvolleren Test absolvieren mußte, und vor allem: daß ich nicht hochbegabt, sondern intelligent sei. Nein, ich war vorsichtig, denn schon im Vorgespräch wurde mir klar, daß ich beispielsweise nicht einfach über die voraussichtliche Dauer - fünf Stunden! (es waren dann zweieinhalb) - stöhnen konnte: "weshalb beunruhigt sie die Dauer?" Nein, ich war spontan und offen, und habe dahinter jegliche tiefere Regung und Überlegung versteckt. Ja, die Zeiten haben mich lügen gelehrt.

Es ist heute so, daß du verdächtig bist, wenn du aus der Normalität herausragst, besonders, wenn du dich positiv abhebst. Die - durchaus freundliche - Dame wies mich darauf hin, daß ich in fast jedem Einzeltest außerhalb der Gaußschen Normalverteilung läge und fragte nach Familie und sozialen Kontakten, da ich wohl ein Außenseiter sein müsse. Das ist richtig, aber auch falsch, denn mit ganz normalen Menschen kann ich mich ganz normal unterhalten; ich fühle mit, denke mit und rede mit, wenn sich's irgendwie machen läßt. Im Gegenteil denke ich, daß das schulische Niveau arg nachgelassen hat und das geistige Niveau meiner Zeitgenossen, besonders der Jüngeren, erschreckend ist. Hochbegabt, my foot!

Interessant ist mir bei der ganzen Angelegenheit noch, daß an die Stelle von Menschenkenntnis genormte Pseudopsychologie gesetzt wird. Für die involvierten Psychologen ein Quell gesicherter Einnahmen. Für die Menschheit hingegen - na, lassen wir's. Weiß doch inzwischen jedes aufgeweckte Kind, daß die Werte der "freien Welt" auf steuerbegünstigten Bankkonten kumulieren. Und beinahe hätte ich geschrieben: kopulieren. Denn unsere "moderne" Welt empfinde ich als obszön.

Gestern an einer Hauswand gelesen: "Hate Homophobia". Folgte der Autor seiner eigenen Parole, müßte er die schwulenhassenden, frauenverachtenden, in Deutschland gestrandeten martialischen Machos aus Osteuropa, vom Balkan und aus dem muslimischen Kulturkreis hassen, wäre also nach eigenem Verständnis ein Rassist. Deshalb, wie ich vorige Woche an einer anderen Hauswand las: "Fuck Nazis!"

 

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