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Als Arthur Conan Doyle die ersten Geschichten um den Meisterdetektiv und dessen Adlatus Dr. Watson schrieb, gingen die Menschen ins Theater, wenn sie Bock auf Fernsehen hatten oder einen Film im Cinedrome gucken wollten; sie nahmen die Pferdedroschke, um eine Spritztour zu machen und schrieben Briefe statt E-Mails und SMSs, und wenn sie in den Social Media rumlabern wollten, dann gingen sie auf Soirees oder trafen sich in Kneipen und auf Rummelplätzen. So eine Zeit war das, mit einem Wort: komplett rückständig. Also mit zweien.

Kann es da überhaupt sehenswerte Kriminalfälle geben? Was kann man vom geschriebenen Wort überhaupt erwarten? Oder erstmal anders. Der große Detektiv ist aus zwei Gründen ein wahrer Meister: erstens gibt es bei der Polizei volltrottelige Inspektoren, zweitens zieht Dr. Watson meistens die falschen Schlüsse, und drittens erfährt der Leser zuwenig über die Faktenlage, um selbst die richtige Lösung zu finden: so strahlt das Licht eines Sherlock Holmes umso heller. Also aus drei Gründen.

Verfilmt wurden die diversen Geschichten und Romane schon oft; erinnert sei an die Flut von Filmen mit Basil Rathbone als Sherlock in den 40er Jahren. Am bekanntesten ist sicher "Der Hund von Baskerville", dessen Drehbuch recht leicht aus der literarischen Vorlage gedrechselt werden konnte. Bei anderen Fällen liegt der Fall anders, und so wurden zahlreiche frei erfundene Drehbücher verfilmt, als hätte der Doyle die Vorlage geliefert.

Da gab es beispielsweise "Die Abenteuer des Sherlock Holmes": Professor Moriarty stiftet ein Verbrechen an und lenkt Holmes' Aufmerksamkeit darauf, um vom Diebstahl der Kronjuwelen aus dem Tower abzulenken. Die einzige Aufregung vor dem Endkampf - Holmes besiegt Moriarty durch Schädelbruch in der zwölften Runde - kommt von einer jungen Frau (Ida Lupino), der alle gängigen Klischees in die Rolle geschrieben worden sind: sie ist unfähig, einen klaren Gedanken zu fassen, dafür emotional bis zur offenen Hysterie, und baut nur Scheiße und behindert die Ermittlungen. So sind die Frauen! würde ich rufen, wenn ich es nicht besser wüßte. Auch auf diesem Gebiet ist der Fortschritt nicht aufzuhalten; in neueren Filmen dürfen Frauen Männer sein, freilich mit einem Leib, der das Stehometer in die Höhe treibt. Soviel Weib muß sein.

Damals war man tricktechnisch schon zufrieden, wenn man auf die Minute passend Nebel im Filmstudio erzeugen konnte. Damit kannst du heute aber keinen nassen Hund mehr hinterm Ofen hervorlocken! Der knurrt nur und zeigt dir ne Meise. Und action-technisch mußte der olle Holmes ab und zu einem Stockdegen ausweichen, eine Ringkampfeinlage zeigen, Revolverkugeln ausweichen und eine gute rechte Gerade setzen können, fertig. So etwas darfst du heute nicht einmal mit low budget, da kannst du dich gleich bei deiner Bank zu einer Geldanlage beraten lassen: das Geld ist futsch. Und daß Holmes denkt und kombiniert ergibt keine kinotauglichen Bilder.

Nee, Leute, heute muß das drei Dinge: das muß kesseln, oggeln, bubbeln und blinken, also vier Dinge; weniger ist nicht mehr, vergesst diesen Blödsinn, mehr ist mehr, und sonst gar nichts. Also mehr: computergenerierte Bilder. Und handfesten, schweißtreibenden, blutrünstigen Nahkampf. Und an Schußwaffen alles, was größer ist als ein Revolver und schneller schießt als eine Flinte. Dazu exotische Gifte, Fallen, Verrat, Bomben und mindestens einen in letzter Sekunde zu verhindernden Weltkrieg. Das alles bekommst du in "Spiel im Schatten", aber du bekommst keinen Sherlock Holmes, nur dessen mit etwas Fremdartigem gefüllte Hülle, eine Art Alien, gewissermaßen.

Die Geschichte geht so: eine von Moriarty ferngelenkte Frau soll Holmes in eine Falle locken. Der Film hat beeindruckende Bilder für Holmes' Superheldenfähigkeit gefunden: in einem Sekundenbruchteil antizipiert er zeitlupenhaft den kompletten Ablauf des bevorstehenden Kampfes fünf gegen einen. Dann kracht es in Echtzeit in echt, genauso, wie vorhergesehen. Abgefahren irgendwie, aber schon cool. Da die Frau versagt hat, serviert Moriarty sie ab. Holmes besucht den überkriminellen Verbrecher und bittet, Dr. Watson aus dem Spiel zu lassen, ein Kampf Mann gegen Mann, Holmes gegen Moriarty, das Gute gegen das Böse (immer dran denken: nicht weniger, mehr ist mehr!). Nein, damit ist der Professor nicht einverstanden und Holmes, Meister der Antizipation, muß seinem Kumpel auf dessen Hochzeitsreise das Leben gegen eine schwerbewaffnete Armee von Moriartys Gnaden retten.

Die Geschichte schlägt irgendwelche Kapriolen, die ich überspringe, da gibt es Zigeuner, Erpressung, Attentate mit Präzisiongewehren und/oder Bomben, schöne Frauen, böse Männer. Letzten Endes will Moriarty die europäischen Staaten in einen Weltkrieg gegeneinander treiben, um mit seinen Waffenfabriken maximalen Reibach machen zu können. Hier ist die Story für einen Augenblick realistisch, Krieg ist ein sehr, sehr gutes Geschäft, solange er nicht ins eigene Heim vordringt, aber dafür gibt es Leibwächter für konkrete und Staatspolitik für allgemeine Bedrohungen. Und selbstverständlich darfst du nicht rassistisch, nationalistisch und sexistisch sein. Wie dem auch sei, Sherlock Holmes packt den Professor des Bösen und stürzt sich mit ihm einen hunderte Meter hohen Wasserfall hinab.

Der Film endet wie er begann: der angebliche Sherlock Holmes, der, wie ich oben nachgewiesen habe, in Wahrheit ein Alien ist, mit Namen Robert Downey jr., wie man mir soeben ins Ohr flüstert, dieser angeblich tote Holmes sitzt in einem selbstgemalten Tarnanzug in Watsons Zimmer vor dessen Nase, und der Doktor sieht ihn nicht. Holmes lebt, das Kino bebt. Und zwar das ganz große Kino, Leute.
 

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