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Das Telefon klingelte. Bestimmt Muddi, dachte ich. "Hör mal, hier ist eine fremde Frau in meiner Wohnung, die kann nicht mal richtig deutsch, die behauptet, wir sind verabredet, und du weißt Bescheid. Ich kann da nicht schlau draus werden. Was mach ich denn jetzt, die will nicht gehen." - "Laß mich mal mit ihr reden." Richtig, es war die Frau Wrobel vom Pflegedienst "Für Sie". "Tach Frau Wrobel," sagte ich. Sie solle sich nicht vertreiben lassen. Und sie möchte bitte danach gucken, ob Schlüssel und Portemonnaie am richtigen Platz seien. Und Muddi fragen, ob was einzukaufen wäre. Oder Geschirr abzuwaschen. "Wie ich habe gefragt, ihre Mutter nur sagen, nein, nein, sie will das nix. Und Abfluß in Küche ist verstopft." - "Och, ist das wieder soweit?" tat ich unwissend. "Kennen Sie sich zufällig damit aus?" - "Herr Dicki, ich bin keine, wie sagt man, Installateur." - "Ja, nein, dann kümmer ich mich darum. Bleiben Sie jetzt erstmal da, ich komme in zehn Minuten. Geben Sie mir nochmal Muddi. - Muddi? Ich komm gleich mal rüber. Biete doch der Frau Wrobel - Wro-bel - nein, WRO - BEL - genau, biete ihr einen Kaffee an, ja? Bis gleich."

Das war zu erwarten gewesen, so oder ähnlich. Aber mit einer Polin als Betreuerin hätte ich doch eher nicht gerechnet. Weshalb hat mich der Pflegedienst nicht gefragt, ich hätte denen gleich sagen können, daß Muddi auf die Barrikaden geht. Multikulti ist Unsinn, da sieht man's wieder. Also muß ich als nächstes die Kleine-Delle anrufen, ob die nicht eine Deutsche schicken können. Zumindest jemanden, der richtiges Deutsch spricht, und ohne diesen slawischen Akzent. Überhaupt ohne Akzent. Eine Bremsche am besten.

"Da bin ich!" rief ich mit falscher Fröhlichkeit in den Flur. Der Schlüsselkasten war mal wieder komplett leer. - "Da bist du ja," ächzte Muddi und kam schwerfällig aus dem kleinen Zimmer. "Schick diese Person weg, ich will die hier nicht haben." Ich erinnerte sie an den Pflegevertrag, an die Verabredung, an die Betreuung, die sie braucht und nun endlich bekommt und die ihr guttun wird. "Ich brauch niemand, ich komm ganz gut alleine klar." Ob sie Frau Wrobel Kaffee angeboten habe? "Willst du Kaffee trinken?" - "Gerne. Und mach ein bißchen mehr, damit Frau Wrobel auch eine Tasse abbekommt." - "Dann mach du den Kaffee."

Frau Wrobel stand ungeduldig im kleinen Zimmer. "Tut mir leid, Frau Wrobel, aber jetzt kann ich sie unterstützen. Möchten Sie Kaffee?" - "Ich muß Arbeit machen, nix Zeit für Kaffee." Prima, dachte ich, da haben sich die Richtigen gefunden, eine beleidigter als die andere. "Es gibt zwei Möglichkeiten. Die eine ist, sie gehen sofort, erstatten Bericht und ich spreche zusätzlich mit Frau Kleine-Delle, damit jemand anderes die Arbeit übernimmt. Die andere Möglichkeit: Sie setzen sich mit Muddi an den Tisch und versuchen, sich kennenzulernen; vielleicht hilft das." In ihrem Gesicht las ich, daß sie die Frage um und um wälzte, ob das eine Drohung sei. Sie willigte ein, kennenlernen, kaffeetrinken, gut, "kann versuchen." - Ja, gut.

Frau Wrobel war Profi genug, um ihrer Umhängetasche Papiere und einen Kuli zu entnehmen; mit diesem Anstrich von Autorität begann sie, Fragen zu stellen, und Muddi, nun doch ein bißchen eingeschüchtert, antwortete. Widerwillig, bockig, aber sie antwortete. Ich stahl mich hinaus in die Küche zum verstopften Abfluß. Eine Waschschüssel untergestellt und die Verschraubungen gelöst, das ging ruckzuck, eine jährlich wiederkehrende Verrichtung. Während ich eine zähe graue Masse aus dem U-Rohr herausprökelte und keuchend dem Fäulnisgeruch auszuweichen versuchte, dachte ich, wie traurig das sei: die Eltern mühen sich nach Kräften, den Kindern Vernunft beizubringen, und später entbehren sie selbst der Vernunft. Als Kind blickt man zu ihnen auf, als Erwachsener blickt man auf sie herab, aber es sind doch dieselben Menschen.

Nachdem der Pfropfen im Klo versenkt, der gereinigte Abfluß verschraubt und meine Hände gewaschen waren, gesellte ich mich zu den beiden Damen. Die Luft war zum Schneiden. Muddi fragte immer wieder nach und gab vor, nichts zu verstehen, die Wrobelsche war ziemlich gereizt. "Es hat wohl keinen Zweck," sagte ich, "danke, daß Sie es versucht haben. Ich werde mit Frau Kleine-Delle besprechen, wie es weitergeht. Und Sie erzählen ihr genau, was sie hier erlebt haben." - "Das werde ich tun. Das werde ich tun." Mit Applomb stopfte sie Kuli und Papiere in die Umhängetasche. "Auf Wiedersehen." - "Auf Wiedersehen." - Muddi sah mich triumphierend an und sagte mit spitzem Mund: "So eine Person!"
 

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