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Die Kleine-Delle rief mich anderntags zurück: "Hier Kleine-Delle vom Pflegedienst Für Sie. Ah ja, Sie erinnern sich. Wir werden Herrn Wischmeier-Schimmelpfeng einsetzen, das ist der einzig verfügbare Mitarbeiter derzeit. Der hat zwar erst vorigen Monat bei uns begonnen und ist noch recht jung, aber er hat sehr gute Zeugnisse. Sollen wir das mal probieren?" - "Sicher," sagte ich, "wir werden schon noch die richtige Betreuung für Muddi finden. Und diesmal bin ich besser von Beginn an dabei." - "Darum wollte ich Sie bitten. Damit der junge Mann nicht als völlig Fremder vor ihrer Mutter steht." - "Also abgemacht."

Nachdem ich aufgelegt hatte, fielen mir eine Reihe von Fragen ein, beispielsweise ob Herr Wischmeier-Schimmelpfeng auch einer alten Dame die Haare waschen könne. Na schön, das wird sich finden. Das Telefon klingelte wieder. "Hör mal, ich muß dir was erzählen, da ist was passiert." - "Ja." - "Du glaubst mir nicht? Keiner will mir glauben, ich werde noch verrückt." - "Was ist denn passiert?" - "Da war eine fremde Frau hier, die war frech zu mir und die hat geklaut. Und die hat mich geschlagen. Und dein Vater ist nicht nach Hause gekommen, ich verstehe das nicht." Ich verstand es auch nicht; mein Vater ist schon lange tot. "Niemand ist lieb zu mir, kannst du nicht eben rüberkommen?" Ja, sicher. Ist nicht das erste Mal, daß sie nach einem sclechten Traum des Trostes bedarf. Hoffentlich klappt das mit dem Wischmeier-Schimmelpfeng, und hoffentlich stabilisiert sie das, wenigstens ein bißchen.

"Tach, Herr Wischmeier-Schimmelpfeng." Wrobel war einfacher auszusprechen. Wir trafen uns verabredungsgemäß vor der Haustür. Der junge Mann hatte lange Haare, durch ein Stirnband zurückgehalten, und sein Kinn zierte ein Fusselbärtchen. Ein grellgrüner Kopfhörer hing um seinen Hals. Wenigstens war er nicht modisch gekleidet, keine Hosen vom Modell "vollgeschissen", kein herumhängendes Sweatshirt mit dusseligem Aufdruck. Feundliches Gesicht, also sympathisch. Ich zückte die Schlüssel und ging voran. "Muddi, ich bin's, ich hab jemand mitgebracht." - "Ist das dein Sohn?" Kokettes Lächeln. - "Muddi!" - "Mein Name ist Wischmeier-Schimmelpfeng und ich werde Ihnen ab sofort helfen." - "Was denn helfen?" - "Was Sie wollen." - "Möchten Sie Kaffee?" Aha, Muddi will den Jungschen umgarnen, recht so, er soll sich aber nicht für dumm verkaufen lassen.

Eigentlich wollte ich sofort wieder gehen, aber beim Anblick des leeren Schlüsselkastens entfuhr mir ein unbedachtes "wo sind denn deine Schlüssel, Muddi?" Als ich sie vorgestern nach ihrem Angsttraum beruhigte, hingen zwei ihrer drei Schlüsslbünde in dem Kasten. "Stimmt was nicht?" fragte Muddi. "Wo sind denn deine Schlüssel?" - "Na, die tu ich doch immer in den Kasten. - Der ist ja leer! Wo sind denn meine Schlüssel hin?" Sie ging ins Wohnzimmer, ich gab Wischmeier-Schimmelpfeng einen Wink, damit er folgte. Zu dritt standen wir vor dem Sekretär, sie darin herumtastend, wir zuschauend. Sie befingerte Brillenetuis, nahm Papiere aus einem Fach, steckte sie in ein anderes. "Was suche ich eigentlich?" - "Deine Schlüssel, Muddi." - "Die sind doch in dem Dings auf dem Flur." Im Gänsemarsch ging es zum Wohnzimmer hinaus. Sie vorweg, ich in der Mitte, Wischmeier-Schimmelpfeng hinterdrein.

"Die Schlüssel sind nicht da." - "Bist du heute schon einkaufen gewesen?" fragte ich in der Hoffnung, wir bräuchten nur nach ihrer Einkaufstasche Ausschau halten. "Das weiß ich nicht mehr. Ich wollte einkaufen, war das gestern? Ich weiß nicht. Naja, ich bin ne alte Frau." Im Gänsemarsch ging es in die Küche, wo sie in den Kühlschrank schaute. "Nee, ich hab wohl noch nicht eingekauft. Dann muß ich erstmal eine Liste machen." So, Wischmeier-Schimmelpfeng, nun zeig mal, was du kannst.

"Wenn Sie erlauben, gehe ich mit Ihnen zusammen einkaufen und helfe Ihnen tragen. Was brauchen Sie denn alles?" Bravo, Wischmeier-Schimmelpfeng! Dann kümmere ich mich um die Schlüssel. Erstmal ihre Einkaufstasche suchen. An der Garderobe hängt sie nicht, auch nicht hinter der Schlafzimmertür. In der Küche hätte ich sie gesehen. Vielleicht im Wohnzimmer? Nein, das hätte ich bemerkt. Trotzdem sah ich in alle Ecken. Dabei fiel mir das Feuerzeug aus der Hemdtasche und purzelte unter das Sofa. Ich tastete danach, fand es - und die Einkaufstasche, mitsamt Schlüsselbund und Portemonnaie. Geschwind hängte ich das Teil an die Garderobe. Im selben Moment kamen Muddi und der junge Mann aus der Küche. "Essen Sie doch frische Bohnen, die sind jetzt günstig. Ein bißchen Speck und Zwiebeln dran, das wird Ihnen schmecken. Ich bereite Ihnen das auch gerne zu."

Während Muddi sich auf einen Stuhl im kleinen Zimmer setzte, um ihre Schuhe anzuziehen, verriet ich dem jungen Mann, wo ich die Einkaufstasche gefunden hatte. Und bat ihn, bei nächster Gelegenheit in den Keller zu sehen, neulich hatten dort zig leere Flaschen herumgestanden, und der Mülleimer quoll über. "Kein Problem!" sang er und strahlte. Vor der Haustür verabschiedeten wir uns. Ich sah den beiden nach, bis sie um die Ecke bogen. Und siehe da, er konnte sich nicht enthalten die Kopfhörer aufzusetzen. Das geht nicht gut, dachte ich auf dem Heimweg. Er merkt es nicht, für ihn ist das selbstverständlich. Nee, das geht nicht gut.
pathologe meinte am 31. Aug, 09:53:
Ich
lese und bin gleichzeitig fasziniert und abgeschreckt. Vieles klingt bekannt, wenn auch nicht in dieser Stufe. Aber die Anfänge machte ich in dieser Art auch mit meiner Großmutter mit.

Schreiben Sie weiter, ich bleibe dran! 
Dicki antwortete am 31. Aug, 23:12:
Danke, lieber pathologe! Aber immer bedenken: wenn auch vieles aus eigenem Erleben einfließt, es ist doch eine erfundene wahre Geschichte. 
 

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