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Zum Advent gehören in einer zünftigen Familie nicht nur Adventskalender und -kranz, Zimt- und Strohsterne, Bastelei, Hexenhaus und Nikolausüberraschung, sondern unbedingt auch einschlägige Gedichte, die üblichen Lieder und natürlich Blockflötenmusik. Süßer die Flöten nie klingen, als zu der Weihnachtszeit. Stimmt aber nicht, denn auf der ganzen Welt gibt es keine zwei Blockflöten, die gleich gestimmt wären. Obwohl die Folgen bekannt sind - Hektik, Zahnschmerz, verdrossene Mienen am Sonntagnachmittag - wird die Blockflötenmusik als angeblich feierliche Tradition gepflegt. Eines der ganz großen Mißverständnisse der Menschheit.

Wie angenehm dagegen das Singen weihnachtlicher Lieder, da hebt und senkt der Brustkorb sich gesundheitsförderlich im Ausströmen bekannter Melodien, und die Kinder lernen mal was anderes kennen als immer nur das bumm bumm bumm bumm bumm bumm bumm badabumm bumm bumm und so weiter. Und seien wir ehrlich: wenn wir eine so altertümlich anmutende Weise wie "Vom Himmel hoch, da komm ich her" erklingen lassen, heben sich Laune und Seele im Gleichklang und wir haben einen guten Humor.

Aber nicht mit Liedern wollen wir uns heute befassen, sondern mit Gedichten, mit mehr oder weniger feierlichen Versen, und da wir wenig Lust haben - haben wir doch nicht? - vorgefertigte Stanzen aus fremder Leute Hand auswendig zu lernen, basteln wir uns ein eigenes Gedicht (wer will, darf auch mehrere).

Ein Gedicht, wie geht das? Nun, am Anfang (oder vielmehr am Ende einer Zeile) ist der Reim. Zum Advent soll es passen, versuchen wir es doch einfach mal mit 'Krippe'. Darauf reimt sich Wippe, Lippe, Strippe, Kippe, Gerippe, Sippe. Was nun? Einfach anfangen:

Versammelt zu ehren die Krippe

Guter Rhythmus, groovt ein bißchen, also gleich weiter

steht unterm Christbaum die Sippe

Na also, jetzt sind wir drin, die Worte kommen fast von selbst:

der Vater löscht schnell die Kippe
der Bub riskiert eine Lippe

Zack, erste Strophe fertig. Gleich die nächste hinterher:

Schaukelpferd, Gamebox und Wippe
Konfekt und - makaber - Gerippe
es läutet, wer ist an der Strippe
der Neffe ruft an, Schaumburg-Lippe

Na bitte, da ist alles drin, was so einen Familienweihnachtsabend ausmacht, ohne daß wir uns in Sentimentalitäten hätten ergehen müssen. Ein wenig eintönig ist nur das ewige 'ippe - ippe'. Etwas Abwechslung muß her, und vielleicht sind die Verse im ersten Versuch auch ein bißchen kurzatmig geraten. Wie wäre dies:

Alljährlich liegt das Christkind in der Krippe
Ochs und Esel stehen müßig rum
Hirten, Schafe, Engel und die Sippe
die heiligen drei Könige, Brimborium

Das geht schon besser ab, und der freier gehandhabte Rhythmus tut der Sache gut. Wir müssen aber unbedingt noch einen Weihnachtshit einflechten:

O Tannebaum entfleucht ergriffnen Lippen
die Augen forschend aufs Geschenk fixiert
(oder entrückt gepolt auf Kerzenstippen)
bis dieses zum Entpacken expediert

Das mag angehen, trotz seiner Hochgestochenheit im zweiten Abschnitt. Entscheidend ist, daß in aufnahmebereiter Atmosphäre die richtigen Schlüsselreize angesprochen werden, um mit einem selbstgebastelten Gedicht einen vollen Erfolg zu landen. Wer achtet denn schon groß auf den genauen Sinn, wenn die Erwartung mit ein paar wohlgesetzten Klischees bedient wird. In diesem Sinne: viel Erfolg beim Dichten.
 

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