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Sie stand wie verabredet an der nordöstlichen Ecke des Platzes, in einem minzfarbenen Kostüm, eine kleine Handtasche nervös an sich gedrückt. Der krempenlose Hut sah sehr nach Elizabeth II. aus, ebenso die gekräuselten braunen Haare, die ihrem länglichen Gesicht ein wenig Rundlichkeit zu geben versuchten. Fünf Minuten zu früh. Entschlossen ging Eugen auf sie zu, schätzte ihr Alter - ungefähr 60 - und hielt die drei Baccararosen so, daß sie ihr auffallen mußten.

"Ach, der Herr Kavalier", sagte sie mit abschätzendem Blick, ganz so, als bedaure sie bereits, sich auf dieses Treffen eingelassen zu haben. "Gestatten: Prinz Eugen, aber nicht der Edle, sondern eher ein Raubritter. Mir ist es um Ihr Geld zu tun." - "Nun, dann weiß ich immerhin, woran ich bin." Sie blieb äußerlich vollkommen ungerührt. "Gibt es sonst noch was zu sagen?" - "Oh ja, wenn Sie so viel Persönlichkeit haben, wie Ihr Gesicht andeutet, dann interessieren Sie mich auch ohne Geld."

Sie zögerte unmerklich. "Das ist ja beinahe ein Kompliment. Aber romantisch sind Sie wohl nicht?" - "Doch, schrecklich romantisch, aber ich dachte, mit männlich forschem Auftreten könnte ich Sie am ehesten beeindrucken." - "Ach, er denkt auch? Er scheint mir geradezu ein Wunderwerk der Natur!" - "Es sind noch zwei Minuten bis zu unserer Verabredung. Weshalb gehen wir nicht jeder ein paar Schritte und treffen uns hier wieder, als sei es das erste Mal? Schlimmer kann es doch nicht mehr werden."

Sie maß ihn von Kopf bis Fuß mit amüsiertem Blick und sagte: "Wenn Sie das sagen, wird es wohl stimmen. Also gut, bis gleich dann." Mit würdevoller Haltung und gemessenen Schrittes entfernte sie sich - würdevoll, aber etwas zu sehr zurechtgemacht, dachte Eugen, so sind die Frauen - und auch Eugen begab sich auf eine kurze Wanderung. Mopsfideler Mittelalter möchte marode Millionärin muntermachen lautete seine bewußt dümmlich abgefaßte Kontaktanzeige, von der er sich, wenn er schon aus Not dem Geld hinterherlaufen mußte - auf lächerlichste Weise, wie er sehr wohl wußte - die Begegnung mit einer humorvollen Seele erhoffte.

Sie trafen sich auf die Sekunde pünktlich. Enthusiastisch überreichte er die Blumen. "Welch eine Freude, Ihnen in Fleisch und Blut zu begegnen." (Ich bin so bescheuert, dachte er.) "Wie sie in jugendlicher Frische daherkommen, fühle ich mich recht alt. Wollen Sie gnädigerweise dennoch einen Kaffee mit mir zu sich nehmen?" Sie lachte, ein wenig bitter. "Und was fühlen Sie wirklich?" - "Daß ich mich zum Affen mache. Aber mich vor Ihnen zum Affen machen zu können, ohne mich dafür schämen zu müssen. Und wenn sie so viel Persönlichkeit haben, wie Ihr Gesicht andeutet, mache ich mich gerne zum Affen, da Sie das mit Sicherheit interessanter finden dürften als alle artigen Komplimente, die ich Ihnen hiermit ausdrücklich nicht mache. Vielleicht dies eine doch: Sie sind eine ganz scharfe alte Schnecke" - Sie errötete leicht, hatte sich aber gleich wieder in der Gewalt. "Was meinen Sie, könnte es nicht sein, daß wir uns um fünf Minuten verspätet haben?" Eugen lächelte ihr anerkennend zu: "Dann bis gleich. Moment - die Rosen." Und er nahm die Blumen wieder an sich.

"Gut sehen Sie aus", sagte er ohne Begrüßung und drückte Ihr die Rosen in die Hand. "Frisch und unternehmungslustig. Gehen wir zu mir oder zu Ihnen?" - "Und was ist mit dem Geld?" - "Schenken Sie es mir, dann sind Sie die Sorge los." - "Ich besitze gar keine Million, nicht mal ein Zehntel, nicht mal ein Hundertstel davon. Tja, was nun?" - "Weshalb haben Sie sich dann auf meine Anzeige gemeldet?" - "Ich war neugierig, welcher Idiot solch einen Quatsch schreibt. Gehen wir zu mir?" - "Was immer das werden mag", sagte Eugen lachend, "es beginnt interessant. Wo geht's lang?" Sie gab die Richtung an, er hakte sich bei ihr unter und küsste sie auf die Wange. "Alter Bock", sagte sie gemütlich.
 

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