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Oh, ist es schon wieder soweit!? Was schenke ich denn dieses Jahr bloß der Tante, dem Großvater, den lesewütigen Kindern der Geschwister. Weihnachtsstress, Geschenketerror, Gedränge in der Innenstadt, man kennt es. Hier eine kleine Empfehlung.

Zwei Wochen lag das Buch bei mir herum; weshalb, ich wußte nicht, ob es mich interessieren würde. Noch ein Roman von Anne Tyler, mag ich in einem hinteren Winkel meines Bewußtseins gedacht haben, und: was hat sie nach dreißig Jahren Schriftstellerei (angefangen hat sie in den Sixties, besagtes Buch ist von 1998) noch zu sagen, daß ihr Publikum nicht kennt?

Der früheste mir bekannte Roman trägt den Titel "Mrs. Emersons Hausmeisterin" und ist eine wilde Geschichte gemessen an ihren späteren Veröffentlichungen. "Atemübungen" beispielsweise beginnt mit einem Paukenschlag (in Zeitlupe) um dann eher dahinzuplätschern und uns gelegentlich mit gutbeobachteten Alltagsszenen zu erfreuen. "Fabelhaft gemacht", hätte es im literarischen Quartett geheißen, was ich nicht selbst sagen möchte; in Anführungszeichen bekommt es den richtigen Unterton.

Verschiedene Geschichten sind verfilmt worden, etwa "Die Reisen des Mr. Leary" (The Accidential Tourist) oder "Von Schuld getrieben" (Fast ein Heiliger/ Saint Maybe) oder auch "Atemübungen" (Breathing Lessons). Immer geht es um Menschen mit einer gewissen Verrücktheit oder um Familienprobleme, und meistens um beides, aber action enthalten sie keine, sie sind eher europäisch, und wenn Francois Truffaut nicht das Pech gehabt hätte, schon mit fünfzig Jahren von seinen Krankheiten dahingerafft zu werden, würde er vielleicht eine dieser Geschichten als Stoff für einen neuen Film gewählt haben, denn er liebte die kleinen Verrücktheiten, die so normal sind, daß sie uns Normalen einen Spiegel vorhalten, aber auch verrückt genug, um nicht banal und allgegenwärtig zu sein.

Hinzu kommen die kleinen Beobachtungen, eine Art Situationskomik, für die nicht jeder einen Sinn hat. In "Mr. Morgan und die Puppenspielerin" wollen der Ehemann und der Freund des Hauses sich aussprechen, tun aber beide so, als wollten sie nur gemeinsam den Hund ausführen. Man redet unverbindlich, zieht den Mantel an, setzt den Hut auf, öffnet die Wohnungstür und tritt ins Treppenhaus, da ruft die Ehefrau hinter ihnen her: "Ihr habt den Hund vergessen."

Zurück zum anfangs erwähnten Buch. "Engel gesucht" (A Patchwork Planet) ist aus der Sicht eines soeben dreißig werdenden Mannes erzählt, dessen Urgroßvater Besuch von einem Engel hatte (so hat er das jedenfalls berichtet), daraufhin er eine Erfindung machte, zum Patent anmeldete und ein Vermögen erwarb. Seitdem ist es Tradition in der Familie, einem Engel zu begegnen und dies in der Familienchronik mehr oder minder poetisch zu verewigen. Barnaby - der junge Mann - sieht das als Humbug an, doch da er der Versager der Familie ist, klammert er sich an die Hoffnung, seinem Engel zu begegnen, ja, er führt die Begegnung mit einer Frau herbei, von der er eine Engelsbotschaft, seine Engelsbotschaft, erwarten zu können glaubt. Das ist der Stand nach achtzig von 320 Seiten, die Geschichte ist voller Details und Lebendigkeit, voller Komik und obendrein im Tyler-typischen Ton freundlicher Melancholie verfaßt, so daß ich von Vorfreude auf den Rest erfüllt bin.
 

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