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Gerhard Herm: "Um ihren einen einzigen Gott mit Bildkraft und Leben zu erfüllen, haben die Juden bei fast allen ihren Nachbarvölkern Anleihen aufgenommen. So liehen sie sich von den Babyloniern ihre Kosmogenie, ihre Sintflutsage, ihren zum Nimrod gewandelten Gilgamesch, von den Assyrern die geflügelten Stiere, die sie zu Cherubim machten, von den Persern die Hierarchie der Engel und Erzengel. Von den Phöniziern aber borgten sie unter anderem die umgedeuteten ländlichen Feste der Mazzoth, zum Beginn der Gerstenernte, und der Sukkoth, das Laubhüttenfest, ferner das Königtum, eine Reihe von Hymnen, die zu Psalmen umgedichtet wurden, und die Tempelarchitektur."

Im Grunde blieben nur zwei Neuerungen, die ihre Religion von denen ihrer Nachbarn und Zeitgenossen unterschied, und beide waren wichtig. Zum einen das Verbot von Menschenopfern, zum anderen der Glaube an einen einzigen, alles umfassenden Gott.

Letzterer ist die Quintessenz aller Religionen der Welt, von den Naturvölkern bis zu den Hochkulturen: die gesamte Welt ist von einer göttlichem Kraft bzw. einem göttlichen Wesen durchdrungen. Das ist ein großer Gedanke, der aber philosophischen Naturen vorbehalten bleiben mußte und dessen letzte Konsequenz nie von der Masse begriffen wurde und wird. Unterstellen wir einmal, daß Religion der Versuch einer Antwort ist auf den Widerspruch zwischen Geborgenheit in der Welt (durch die Instinkte, wie bei allen Tieren) und der Unsicherheit des Individuums und ganzer Sippen angesichts von Erdbeben, Vulkanausbrüchen, Dürreperioden, Epidemien und räuberischen Tieren, Kriege nicht zu vergessen.

Geht es den Menschen gut, sind ihnen die Götter wohlgesonnen. Doch um die Geneigtheit der Götter zu bewahren, muß der Mensch Opfer bringen, muß von dem, was ihnen die wohlmeinenden Götter durch die Natur beschert haben, abgegeben und den Göttern dargeboten werden. In guten Zeiten mag es genügen, Teile der Ernte oder einige Schlachttiere auf den Altar zu bringen, doch wenn große Not droht, hilft nur das Menschenopfer, besonders die Darbringung von Kindern, insbesondere der erstgeborenen Söhne, als der Verkörperung der Zukunft eines Hauses. Indem wir uns das wertvollste, das wir haben, vom Herzen reißen und den Göttern darbringen, zeigen wir unsere Demut und unseren Dank ebenso wie unsere Hilfsbedürftigkeit, mag der Gedanke dahinter gewesen sein. Jahwe aber verbot diese Opfer, versinnbildlicht in der Geschichte von Abraham, dessen Glaube Gott auf die Probe stellte, indem er das Opfer seines Sohnes Isaak forderte - und im letzten Moment durch einen Bock ersetzte. Hier die Kurzfassung in den Worten Bob Dylans:

God said to Abraham, kill me a son
Abe said, man, you must be puttin' me on
God said, No, Abe said, what
God said, you can do what you want Abe, but
the next time you see me comin' you better run
Abe said, where you want this killin' done
and God said, right down on Highway 61


Die Phönizier blieben ihren angestammten Göttern treu und verbrannten jenen zu Ehren in der Not auch Menschen auf Altären, und besonders in Karthago ("neue Stadt") wurden die Riten streng befolgt, was ihnen einen finsteren Ruf eintrug, zumal ein siegreicher Feldherr auf Sizilien dreitausend gefangene Soldaten ins Feuer gehen ließ. Ihr schlechter Ruf inspirierte Gustave Flaubert zu dem Roman "Salammbo", für den er eine furchterregende Todesmaschine herbeiphantasierte. Es mag so scheinen, daß die Phönizier grausam waren. Tatsächlich folgten sie ihrem Glauben, in dem Gunst oder Ungnade der Götter nur ein Opfer auseinanderlagen. Und es sei daran erinnert, daß im Altertum nur Jahwe das Menschenopfer ablehnte, und dieser Jahwe ein Außenseiter in der Glaubenswelt gewesen ist.
 

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