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Man erlebt ja schon als Kind so Einiges; auf der Straße (ich war nicht im Kindergarten), oder auch im Sportverein. Da gab es die Kinder der Familie P. - Wolfgang, Corinna und Udo -, durchaus gutartig, aber von lahmer Dummheit, oder Peter und Egon (die keinen Tag ohne Streit miteinander vergingen ließen), zwar mit begrenztem Horizont, aber keineswegs dumm, gelegentlich sogar pfiffig. Ich war ein Pfiffikus, wo immer ich hinkam, aber ich glaubte stets, der Beste sein zu müssen, und es verdroß mich, eben der nicht zu sein. Dergestalt mit mir selbst befasst, erwarb ich erst spät und unter Schmerzen Menschenkenntnis, die aber ohne Schmerzen gar nicht zu haben ist.

Es gab im Verein auch einen Außenseiter, Manfred, der nicht weiter unangenehm auffiel, nur eben nicht dazugehörte. Während eines Sommers verschwanden aus dem Umkleideraum verschiedene Dinge; beispielsweise Quartetts, aber auch mal zwei oder drei Groschen, unauffällig noch, doch einmal Zwomarkfuzzich, die meine waren und mein gesamtes Taschengeld. Das war nun offensichtlich Diebstahl und ich empörte mich im Kreis der Spielkameraden. Wir überlegten, wer das getan haben könnte, und da wir nun erstmals über Diebstahl redeten, stellte sich heraus, daß schon zuvor hier und da etwas auf rätselhafte Art verlorengegangen war. Heinrich sprang auf, er habe einen Verdacht.

Als er zurückkehrte, hatte er Manfred am Wickel, den Außenseiter, klemmte eine Hand in dessen Nacken, und er machte Ernst, der Griff war schmerzhaft. Er habe ihn überlistet, sagte Heinrich, und nun solle Manfred sein Geständnis vor uns wiederholen. Ich, sagte der Ge- und Bezwungene, habe das Geld geklaut, aber das meiste schon ausgegeben; es tue ihm leid, hiermit gebe er die restlichen fünfzig Pfennig zurück. Was immer er befürchtet haben mochte, er bekam keine Prügel - ich erinnere mich, daß er mir unter Heinrichs Regiment schon wieder leid tat -, aber er war nun noch mehr Außenseiter. Auch die Spielkameraden empfanden ein Mißverhältnis zwischen Vergehen und Behandlung, und uns kam die Geschichte seltsam vor, jedem für sich, wie sich est später herausstellte.

Es war Peter, glaube ich, der Manfred beiseite nahm, als Heinrich mit seinen Eltern verreist war, und ihn fragte, ob es wirklich so gewesen sei, wie er (unter Zwang) behauptet hatte. Ja, er hatte tatsächlich unter Zwang behauptet; Heinrich hatte ihm einen kleinen Anteil am Geld versprochen, wenn er die erfundene Geschichte vortragen würde. Und wenn nicht? Heinrich, Dieb bei dieser und bei anderen Gelegenheiten, hätte kräftig ausgeteilt.

Manfred, armer Leute Adoptivkind, hätte durchaus in Versuchung gewesen sein können, doch hätte er im Falle eines Diebstahls ein schlechtes Gewissen gehabt, dessen bin ich sicher. Heinrich hatte bequemerweise kein Gewissen. Als ich Letzteren, beinahe im Erwachsenenalter, zufällig wiedersah, hatte er ein fies verlogenes Drogengesicht, und ich hielt sein Ende auf die eine oder andere Art für abgemacht.

Voriges Jahr, in der Schlange vor einer Kasse im Supermarkt, sah ich einige Positionen vor mir jemanden, der mir bekannt vorkam: diese Augenpartie, nur zu vertraut, wer kann das sein - jawohl, Heinrich, mit einer Entwurfsmappe unterm Arm, vermutlich als Designer bei einer Agentur untergekommen, auf jeden Fall in einem mehr oder minder kreativem Beruf tätig. Er sah auch nicht fies oder verlogen aus, und zu gesund für Drogen, aber auch nicht symphatisch, mehr die Art Gott im Westentaschenformat.

Manfred, den Außenseiter, hatte ich noch als Jugendlicher wiedergesehen, ein geduckter und verhuschter Mensch, dem, und sei es nur aus Prinzip, Gerechtigkeit hätte widerfahren müssen. Wir hatten wohl seine Unschuld zur Kenntnis genommen, aber stigmatisiert blieb er dennoch. Er hat es hoffentlich im weiteren Leben besser getroffen, und da denke ich an meinen ältesten Neffen, der der richtigen Frau begegnet ist, die ihn mit sich ausgesöhnt hat. Mir tut es immer noch weh, das falsche Spiel, das Heinrich mit ihm trieb, nicht durchschaut zu haben. Das ginge jedem so, der ein Gewissen hat. Es ist eine Qual, aber man lernt daraus.
gast meinte am 26. Nov, 11:17:
sehe ich auch bei Klassentreffen. Die die früher arme Hunde waren sind es auch heute, einige davon habe ich bei Bierbuden herumlungert angetroffen, kaputt.
Die die früher schon Kinder besserverdienender waren, und glaubten alles zu dürfen, ja die sind auch heute noch solche Ärsche, die meinen alles zu dürfen und häufen das Geld in Mengen an 
Dicki antwortete am 26. Nov, 11:42:
Ganz so einfach ist es aber doch nicht, auch wenn die von dir gemachte Beobachtung Tatsache ist: Vermögende Eltern zu haben führt nicht automatisch zu einem schlechten Charakter und hemmungsloser Raffgier. Da muß schon Etwas - und Entscheidendes - mehr geschehen. 
 

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