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Dickis Reisen

Auch ein wahrer Dicki darf mal verreisen, und dann reist er natürlich mit der Bahn, nicht zuletzt weil damit zahlreiche Erinnerungen bis zurück in die frühe Kindheit verbunden sind. Von einer Reise zurück im Bremer Hauptbahnhof zeigten meine Eltern: "Da ist eine elektrische Lokomotive." Vielleicht hätten sie es mir ein wenig besser erklären sollen, jedenfalls sah ich in der angegebenen Richtung nichts dergleichen - oder habe die E-Lok einfach nicht erkannt.

Was damals Ereignis war, ist heute technisch längst Geschichte; nichts ist es mehr mit den altvertrauten Geräuschen: dem Rattern der Schienen, dem Klappern der Fenster und erst recht nicht mit dem Schnaufen der Dampfloks. Stattdessen dieses ekelhafte Fiepen bei jedem Öffnen und Schließen der Türen und, je nach Fahrtempo, durchdringendes Dröhnen oder Singsang in Obertonreihen. Und Lautsprecherdurchsagen.

Unser Zug hielt vor Osnabrück auf freier Strecke an. Knacken. "Meine Damen und Herren, der Zug hat auf freier Strecke angehalten." Knacken. Ende der Durchsage. Und sofort höhnische Kommentare der Fahrgäste Bahnkunden. Eine Zeitlang erwog ich, mich zu beschweren, weil man uns die englische Version dieser wichtigen Information vorenthalten hat. Bald kam ich aber zur Vernunft, denn in Anbetracht der üblicherweise eigenwilligen Prononcierung des Englischen in deutschen Zügen sollte man diese Unterlassung als Serviceleistung betrachten.

in welchem der Autor einer Boxerdame namens Bella über die Beschaffenheit seines am Wegesrande abgestellten Geräts zur Fortbewegung Auskunft gibt

Diese Strecke fahre ich nie wieder, niemals! Die erste halbe Stunde ging es auf vertrauten Wegen zu meinem lauschigen Rastplatz, und die Welt schien in Ordnung: über mir die Sonne, unter mir die Erde, wie es sich gehört. Dann war Schluß mit Vertrautheit und Lauschigkeit. Ein Ortskern nebst neugebauter Sparkasse, Premiumpizzeria und Obligatgriechen p l u s einer alten Fettbude namens "Döner-Haus" mußte durchfahren werden; jede Menge Gedöns und Straßenverkehr bis der Arzt kommt. Und es nahm kein Ende, Ortskern schien sich an Ortskern zu reihen, sodaß ich beim Überqueren der durch das Schild "Bremen" gekennzeichneten Landesgrenze mal keine Wehmut, sondern Erleichterung empfand.

Flugs suchte und fand ich einen Rastplatz im Grünen, wo ich im Schatten verweilte, Wasser trank und eine Selbstgedrehte rauchte. Während ich dabei auf und ab ging und gelegentlich meine Beine ausschüttelte, sagte plötzlich eine Altstimme hinter mir: "Komm mal hierher." Und, bevor ich mich angesprochen fühlen konnte: "Bella, komm jetzt her." und "Bella!" Eine sommerlich gekleidete Deix'sche Schrebergärtnerin führte ihren Boxer spazieren; ein Tier von ebenso behäbigem wie eigensinnigem und neugierigem Wesen. Nach einem Weilchen trotzigen Verharrens begann die Hündin mein Fahrrad zu umrunden, an Reifen, Felgen und Pedalen schnüffelnd. Freundlich sah ich ihr ins Gesicht, als sie mir mit krausgezogener Stirn einen fragenden Blick zuwarf, und sagte deutlich und akzentuiert: "Das ist ein Fahrrad." Der Deix-Figur entwich hörbar Atem, die Dame Bella schien mit der Antwort nicht recht zufrieden, folgte aber bald dem Ruf: "Komm jetzt Bella, wir wollen hier entlanggehen." Nun weiß auch Bella, daß man im Leben manchmal Antworten, die man nicht versteht, auf Fragen, die man nicht gestellt hat, bekommt. Bella ciao, Bella ciao, Bella ciao chow-chow ciao ciao.

War es das? Nein. Meiner harrte ein Schock, an derselben Stelle wie schon im Vorjahr, was ich natürlich schleunigst in die Verdrängung geschickt hatte. Ein Dach gedeckt mit m-o-o-s-g-r-ü-n-e-n l-a-c-k-i-e-r-t-e-n Ziegeln! Man sollte meinen, daß eine durch Feinstaub, Erdstrahlen und Aufklärung über die Gefahren des Nicht Rauchens sensibilisierte Menschheit hier eine Batterie Warnschilder aufstellte: "Der Anblick dieses Daches kann einen katatonischen Schock hervorrufen" und der Ortsamtsleiter höchstselbst den arglosen Passanten die für das Lesen der Spezialschilder nötigen 3-D-Brillen einhändigte. Aber von wegen! Die Menschheit ist so abgestumpft, wie es mein Brotmesser hoffentlich nie sein wird. Klinge meines Brotmessers, ich taufe dich auf den Namen Karin. Mögest du allzeit eine Handbreit Brot unter der Schneide haben.

Für die Erwachsenen sind das Lichterketten und Weihnachtsgedöns. Grellweiße, grüne, blaue Lichtgirlanden beeindrucken mich schon überhaupt nicht mehr. Denn die hauen hier in puncto neue Äußerlichkeit so richtig auf die Kacke. Ein leuchtendes Rentier auf dem Dach des Windfangs, ein Terracotta-Tannenbaum mit ausgeschnittenen Sternen und Engeln, durch die eine 40Watt-Birne traulich funzelt, verschiedenerlei Blinkzeug in den Fenstern UND - vorhin erst entdeckt - in der Nische vor der Haustür überdimensionierte Altarkerzen aus Plastik, von innen beleuchtet. Leute, hier geht's ab!

Und die Jugend? Man rebelliert vorm MacDonalds, indem man sich gegenseitig den Wumm seiner Autostereos oder -quadros vorführt. Man lungert am ZOB herum und versucht, cool auszusehen. Die türkischstämmigen Jungs besuchen sich dort morgens gegenseitig an den diversen Bussteigen, geben sich die Hand, daß man es noch in den Nebenstraßen klatschen hört - und küssen sich dann rechts-links schmatzend auf die Wangen.

Diese abenteuerschwangere Atmosphäre färbt auch auf mich ab. Heute morgen konnte ich mich nicht enthalten, einem besonders breitbeinig daherstapfenden Jungen eindringlich auf die Hose zu starren, um dann wissenden Lächelns scheinheilig die Straße entlangzuschauen. Tatsächlich, der hat erstmal nachgesehen, ob seine Hose vorne noch ganz ist. Das sind hier so die Späße, mit denen man sich die Zeit vertreibt in der Hoffnung, sie möge Einen ihrerseits nicht vertreiben.

In all dem Lichtgetue hing ein laubgesägter Weihnachtsmann an einem Türpfosten und blickte mich freundlich an. Ich blickte traurig zurück.

die keine ist (was ich immer wieder sagen muß, seit mir ein mitteilsamer Taxifahrer verriet, daß erst durch den Zuzug des hiesigen Werkes aus den ursprünglichen vier Gemeinden, deren ländlicher Charakter auch heute noch durchscheint, eine Stadt geformt wurde); in dieser Stadt also (die keine ist) passieren mir seltsame Dinge, die mir zwar ebensogut daheim widerfahren könnten, aber sie tun es eben nicht dort, sondern hier.

Wie die Geschichte mit dem Bus. "Die Sieben", wie die Linie im Volksmund heißt, nehme ich morgens zum ZOB, um dort zehn Minuten später in den Bus zum Werk einzusteigen. So jedenfalls wollen es die Fahrpläne. An jenem Morgen stand ich also am ZOB, doch der Bus zum Werk machte sich seinen eigenen Fahrplan. Die zehn Minuten waren um, Busse aller möglichen Linien hielten, spieen verbrauchte Fahrgäste aus, verschluckten frische, brummten geschäftig weiter - der Bus zum Werk blieb aus. Fünf Minuten vergingen, zehn, noch immer keine Spur von diesem Bus. Dann, nach 12 Minuten, sah ich ihn nahen; deutlich erinnere ich mich meiner Erleichterung ebenso wie der Leuchtschrift in der Anzeige oberhalb der Frontscheibe. Irgendetwas lenkte mich ab, als nächstes stieg ich in die einladend geöffnete Mitteltür direkt vor meiner Nase. Der Bus fuhr los und in der ersten Kurve schon stellte sich heraus, daß er mich zurüchbeförderte! An der nächsten Haltestelle sprang ich hinaus, ging zu Fuß zum ZOB zurück und nahm notgedrungen ein Taxi. Denn "Bus verpasst" kann in dieser Stadt (die bekanntlich keine ist) bedeuten, daß in den nächsten Stunden kein Bus mehr kommt, zumindest keiner, der einen an sein Ziel bringt.

Vorgestern war ich mit dem Büronachbarn (dem ich hier zuarbeite) zu einer Besprechung geladen; wir trafen uns mit drei Leuten aus der IT-Abteilung. Nach einer kleinen Vorstellungsrunde gingen wir in technische Details einer kleinen Installation. Einer ging besonders intensiv in die Details, und ein kurzer Rundumblick in die Gesichter verriet mir hinter Gleichgültigkeit verborgenen Überdruß; man kannte den Kollegen gut, zu gut. Im Stillen amüsierte ich mich, bis - . Ich hatte eine Kladde vor mir und notierte fleißig Stichworte, bis - bis - bis dieser vermaledeite Kugelschreiber plötzlich sehr blass schrieb und nach wenigen Sekunden nur noch Rillen ins Papier grub. Noch hatte es keiner gemerkt. Ich wandte mich an den Büronachbarn: "kannst du mir.." Er hörte nicht. "Ssss!" Nichts. Alle lauschten der Schilderung bizarrer Details eines Installationsplans, den niemand ernsthaft umzusetzen beabsichtigte, der aber Schwierigkeiten aufdeckte, an die wir anderen nicht gedacht hatten (und weshalb hätten wir auch sollen). Ich schwieg stille, ließ den Kugelschreiber ruhen und versuchte, mir die wirklich wichtigen Details zu merken, ohne sie aufzuschreiben. Freundlich nickte ich, sagte Ja und Amen, versuchte (vergeblich) den mitreißenden Detailstrom aufzuhalten und verließ mich im Übrigen auf die Aufzeichnungen des Büronachbarn. Wie sich später herausstellte, hatte er keinerlei technische Details notiert.

Aber er hatte auch das Versagen meines Kugelschreibers nicht bemerkt, und das ist immerhin ein kleiner Erfolg innerhalb eines dieser Mißgeschicke, die mir genausogut daheim passieren könnten, es dort aber eben nicht tun, sondern hier, in dieser Stadt, die verdammtnochmal keine ist, ich hoffe, das ist jetzt Allen klar und ich muß mich nicht dauernd wiederholen.

hätte ich hier gerne geknipst, in dieser Stadt, die keine ist. Sei es das unvergleichliche Morgenlicht der tiefstehenden Herbstsonne, die am 15.Oktober den leichten Dunst strahlen ließ, sei es das nieseltriefende Wolkengrau am 2. November, in dessen schmutzigem Quellen Türme und Schlote verschwammen (und da war sie perfekt die "Stadt in Grau", diese Stadt, die keine ist). Nein, es gibt hier nicht nur erfreuliche Wetterphänomene zu beobachten, sondern auch einige Merkwürdigkeiten.

Im Zentrum, von Schnellstraßen und Bürobauten umschlossen, hat sich ein dörflicher Kern erhalten. Eine Straße mit Fachwerkhäusern, bewußt dem sonst unbeschränkten Autoverkehr verweigert, und neben dem anschließenden Friedhof ein rustikales Kirchlein aus drei ineinandergesetzten Steinschachteln (freilich mit Giebeldach, so viel Kultur mußte auch hier sein). Entfernungen werden hier noch in Schritten gemessen, und so erfreut den Passanten ein Hinweisschild: "200 Schritt Einschlaf, 250 Schritt Cafe".

Doch in dieser Stadt, die keine ist und die vom Autoverkehr beherrscht wird, nimmt überraschend das Soziale eine wichtige Stelle ein. Im Fenster eines Büros sah ich ein Metallschild, schwarze Schrift auf weißem Grund: "Problemfälle abliefern". Wer nun meint, dort würden sich geplagte Bürger drängeln, um rasch noch ein unbotmäßiges Familienmitglied loswerden zu können, irrt. Dort ist gar nichts los; niemand steht herum, geht hinein, kommt heraus. Die bloße Möglichkeit, im Falle eines Falles mit einem Problemfall Zuflucht finden zu können, scheint hinreichend Grund, es mit Querulanten, Hyperaktiven und Dementen noch ein Weilchen aushalten zu wollen. "Tu felix civitas!" möchte man rufen, aber dann kommt die nächste Grünphase und Automobile rauschen vorbei, daß man seine eigenen Gedanken nicht mehr hören kann; in dieser Stadt, die keine ist.

Zur Zeit bin ich in einer Stadt beschäftigt, die keine ist, aber munter so tut, als sei sie eine. Wer eine bestimmte Automobilmarke fährt, genießt hier volles Bürgerrecht, Halter anderer Marken sind geduldet, und die Übrigen - tja. Öfter als alle halbe Stunde fahren hier keine Busse, sonntags ruhen die meisten Linien, und die wenigen aktiven schicken alle zwei Stunden mal ein Gefährt los, nur um zu gucken, ob irgendwo irgendwer herumsteht. Das sagt fast alles.

Dennoch: selbst hier leben Menschen. Und wenn auch die Mehrheit der werktätigen Bevölkerung ihre Brötchen bei dem einen großen Unternehmen am Ort verdient, so ist ganz sicher die zweitgrößte Gruppe als Taxifahrer beschäftigt. Schnell sind sie alle, und das erwartet man von Taxifahrern auch. Aber eines der Unternehmen stellt offenbar nur Ausländer ein, und auch nur solche, die schon als Renn- oder Rallyefahrer oder als Testpiloten Erfahrungen gesammelt haben.

Man merkt es am dynamischen Fahrstil. Flüssig werden die Fahrspuren gewechselt, je nachdem, wo es gerade schneller vorangeht, das Anschneiden der Kurven und das Herausbeschleunigen sind absolut professionell, und auf dem kurzen Stück Autobahn - ca. 1 km zwischen Auf- und Ausfahrt - geht es sofort auf die Überholspur, jedes Fitzelchen Watt wird aus dem Motor herausgekitzelt, dann fliegend durch den Verkehr der rechten Spur hindurch und energisch in die Ausfahrt hineingebremst. Danach kommt auch schon die lange Zielgerade zum Werkstor. Weil das Taxi vor dem Tor wenden muß, solte sich der Fahrer links halten, aber so ein tempofester Pilot wählt die fast freie rechte Spur, schießt an der Warteschlange vorbei und drängt sich vorm Tor durch die linksseitige Kolonne, laut schimpfend, wenn diese Unmenschen ihn nicht sofort passieren lassen.

Da spielt die Herkunft keine Rolle; ob Asien, Afrika oder Balkan, hinterm Lenkrad sind sie alle gleich und gleich entfesselt. Das macht den gewissen Unterschied aus. Der Fahrgast muß zwar denselben Preis zahlen, ist aber durchschnittlich 1:32 Minuten eher am Ziel. Und dadurch sind diese Fahrer so symphatisch - sie tun es nicht für schnöden Mammon, sondern aus Sportsgeist. Prächtige Burschen, durch die Bank!

Oder, falls doch nicht: morgens bin ich noch zu müde, um mir Sorgen zu machen, abends fallen mir die Augen schon wieder halb zu. Na, was, laß ich sie halt rasen, die Raser, irgendwann schlägt Jedem mal die Stunde. Da ist es mir schon recht, wenn es schnell geht, sobald er Augenblick gekommen ist.

Zurück daheim dachte ich wehmütig zurück an sonnendurchflutete Nadelwäldchen; an nächtliches Igelgescharre im Efeu; an kreidefelsartig in ein Bachbett hingegossene Gänsescharen; an ein einsames Schaf auf einer verdorrten Weide; an über Gestein rein und klar plitschende Bäche; an hufescharrend Staubwolken aufwirbelnde Pferde; an Wiesen, Felder, Kornblumen an jedem Wegesrand; an im Sonnenglast taumelnd tanzende Schmetterlinge.

Dies umso mehr, da meine Balkonpflanzen von der Hitze verheert waren, nur der Gewitterregen am Donnerstag hatte sie am Leben erhalten. Wie auch im vorigen Jahr hat die Engelstrompete beinahe alle Blätter abgeworfen, um die kurz vor der Blüte stehenden Knospen zu retten. Hurtig vollführte ich Regentänze mit der Gießkanne.

Voriges Jahr - . Die Engelstrompete blühte sechs- oder siebenarmig, und ohne Blätter sah sie aus wie eine Stehlampe mit Tütenschirmen, wie weiland in den 50ern. Diesem Anblick verdanke ich die Erkenntnis, daß selbst Pflanzen Humor haben.

Da im ersten Teil Klassifizierung und Mentalität der Einheimischen erledigt werden konnten, soll das Augenmerk nun der Landschaft gelten. Schon der Name läßt vermuten, daß wir ein stetiges Auf und Ab vor uns haben: Talsohlen bei 190, Gipfel bis zu 520 Meter über Normalnull.

Der Berg.Lander als von bequemem Naturell wohnt traditionell im Tal, der Zugezogene nimmt die Hänge in Anspruch und baut dort vorzugsweise Eigenheime. Das galt zumindest bis vor 20 Jahren, doch führt eine allmähliche Vermischung dazu, daß auch der Berg.Lander am Hang baut und wie der Zugezogene mittels Automobil die Enge der Hänge zu überwinden trachtet.

Was zur Konsequenz hat, daß man von einem x-beliebigen Punkt aus in keiner Richtung weiter als einen Kilometer gehen muss, um irgendeine Straße zu erreichen, und keine zwei Kilometer, um auf eine im Lauf der letzten zwei Jahrzehnte neu angelegte oder generalüberholte Straße zu treffen. Die Landschaftsform wäre also ein mittelgebirgiges Straßennetz.

Wie bezeichnet man den typischen Bewohner dieser Region korrekt? Ist es ein Bergisch-Ländler, ein Berg-Ländischer oder ein Land-Bergischer? Seltsamerweise ist das nicht bekannt. Ich habe mich zu der Schreibweise Berg.Lander durchgerungen, da geistige Höhenflüge dort unweigerlich am nächsten Berg enden.

Ein Beispiel mag stellvertretend für die allgemein verbreitete Mentalität des Berg.Landers stehen: An einem überaus heißen Vormittag wuchte ich das geliehene Mountainbike Umdrehung für Umdrehung einen scharfen Anstieg hinauf, keuchend und schwitzend. Von oben kommt mir ein Geländewagen entgegen. Bevor ich mich noch richtig über das Auto auf dem Radweg ärgern kann, streckt der Fahrer schon seinen Kopf aus dem Fenster: "Entschuldigung, haben Sie hier Schafe herumlaufen sehen?" Mit der letzten Atemreserve blöke ich: "Nöö!" und höre ihn ein Dankeschön hinter mir her sagen.

So springt man dort mit Touristen um; jedes fortgelaufene Schaf bedeutet dem Berg.Lander mehr. Und wenn ich ihn, läge er dereinst in Bremen schraubend und fluchend unter seinem Geländewagen, fragte, ob er zufällig meinen Lieblingszehner gesehen habe, der mir am Morgen auf unerklärliche Weise abhanden gekommen sei - was wäre dann, hm? Hm? HM?

Natürlich würde ich das nicht tun, weil es sich ganz einfach nicht gehört. Genausowenig gehört es sich, verschwitzte Extremtouristen nach ausgebüxten Weidetieren zu fragen, Herr Berg.Lander. Man könnte zumindest ein kühles Bier anbieten. Pro forma natürlich, rein pro forma.

Jetzt hatte ich mal Gelegenheit, vorm Fernseher zu sitzen, und dann war da nix drin. Sonntag Tatort, Mittwoch Länderspiel, Donnerstag war Papst, Freitag Hermann und Tietjen, Sonntag wieder Tatort. Letzterer scheint ja immer mit düsterem Farbdesign und bedeutungstriefender Musikuntermalung daherzukommen. Ich hab nicht mal richtig hingesehen.

Beim Länderspiel gab es kaum was hinzusehen, obwohl der Ballack nach dem Spiel meinte, in der Mitte hätten sie gut gestanden. Aber wie Netzer in der Pause schon sagte: keiner faßt mal richtig was an. Das war kein spritziges Match. - Bei Hermann und Tietjen gab es was zu sehen, leider kaum etwas zu hören: selbstbewußte Frauen tragen heute monumentale Ohrgehänge; größer, glitzer, klimper.

Dann war der noch der Ausflug nach Köln inklusive des Rheinanlegers, den der Papst am Donnerstag benutzt hatte. Roch da irgendwie noch nach Weihrauch, aber das wars auch schon. Naja, außer Kaffee und Kuchen sowie Essengehen mit Verwandtschaft. Auf dem späten Rückweg ein weiter Blick über Berg und Tal: der volle Mond hing fahlgelbgrau verwaschen zwischen grauschattiertem Matt.

Gleich wieder in die Kiste gestarrt: Vigil auf dem Marienfeld. Was ein Spektakel. Brauchen die dafür wirklich noch den Papst? Die katholische Kiche sollte mal darüber nachdenken, für zukünftige Weltjugendtage Michael Jackson zu engagieren. Und wieder tat Fernsehen weh: Live-Ton durchsetzte kakophonisch den Ton der Rückschau - ich meine, wieso sind Millionen arbeitslos und solche Stümper dürfen in der Öffentlichkeit herumschlunzen?

 

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