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Notizen

Die alten Griechen waren die Größten, wenn es um das Erfinden von Göttergeschichten ging, und sind darin bis heute unübertroffen. Ein wenig erinnert der Reigen ihrer Götter an die Commedia dell'arte, und das ist kein Zufall; wie sollten denn Menschen Götter verstehen können, wenn diese neben ihrer Gotthaftigkeit nicht auch menschliche Züge hätten. Zeus etwa konnte an keiner schönen Frau vorübergehen, ohne sie zu begehren. Sie (die Griechen) bedienten sich allerdings eines Musters, daß von Ägypten bis Babylon gängig war. Gottvater, ziemlich entrückt, Gottmutter, schon mehr dem irdischen zugewandt und den Irdischen zugänglich, und Gottsohn, die Jahreszeiten verkörpernd, die im Mittelmeerraum als Frühling, Sommer und Winter ausgeprägt sind. Der Gottsohn stirbt im Sommer, wenn die Erntezeit gekommen ist, und ersteht im Frühling auf, wenn die Saat ausgebracht wird.

Bevor ich Gerhard Herm zitiere, sollte ich noch erwähnen, daß die wichtigsten Städte der Kanaanäer (und Phönizier) Byblos, Tyros und Sidon hießen, ihre Einwohner Gibliten, Tyrer und Sidonier: "Das phönizische Pantheon war so beschaffen, daß sich jeder moderne Zeitgenosse von etwas humanistischer Bildung mühelos in ihm zurechtfinden könnte, aber wahrscheinlich auch jeder gute Katholik, der es fertigbringt, etwa die heilige Dreifaltigkeit als reines Phänomen außerhalb aller liturgischen Bezüge zu betrachten. [...] An der Spitze dieser Dreierkombination stand ein Vatergott namens El, den die Griechen später gelegentlich mit ihrem Kronos identifizierten. Ihm zur Seite stand sein Weib Aschera oder Astarte, die in Byblos Baalat hieß, was man etwa mit 'unsere liebe Frau' übersetzen könnte. Dazu kam dann als beider Sohn der Gott Baal, den die Gibliten auch Adon, Adoni oder, gräzisiert, Adonis nannten, den Herrn, während die Tyrer ihn als Melkart und die Sidonier als Eschmun verehrten." Dazu gab es spezialisierte kleinere Götter und Halbgötter - Heroen -, die aber erst mit den Griechen aufgekommen zu sein scheinen.

Die antiken Götter hatten durchaus fragwürdige Charakterzüge, waren also nicht nur 'Gut' oder nur 'Böse', und es gab Dämonen, die von Menschen Besitz ergreifen und deren schlechteste Eigenschaften hervorbringen konnten. Erst der Monotheismus - der Glaube an den einzigen Gott - mußte das 'Böse' gänzlich abspalten und als Teufel, Satan oder Scheitan eigene Gestalt geben. Die Phönizier waren Nachbarn eines Volkes, daß sich dem Monotheismus verschrieben hatte, und sie erlebten als erste mit, wie die Spaltung in Gott und Teufel den Typus des Glaubenseiferers hervorbrachte. Doch dafür wollen wir ein neues Kapitel öffnen.

Erst die Sprache hat den Menschen zum Menschen gemacht,
und mit der Sprache entstand die Fähigkeit des Denkens.
Nicht jeder Mensch ist ein Denker, aber jeder einfache
Mensch kann einfache Gedanken haben. (Zwischenruf:
"Jeder Mensch darf denken, aber den meisten bleibt es
erspart.") Die Sprache, und damit Gedanken,
Erinnerungen, Erlebnisse und Vorgänge, in irgendeiner
Art von Schrift zu fixieren und dadurch zu überliefern,
ist ein großer kultureller Schritt.

Die ersten Hochkulturen - Sumer zwischen Euphrat und
Tigris, Ägypten am Nil - entwickelten Schriften, die zu
komplex waren, um jedem zugänglich zu sein. Die
Keilschrift der Sumerer war es nicht, und auch nicht die
Bildschrift der Ägypter. So gab es privilegierte
Schriftgelehrte, die sich hüteten, die Vorteile ihres
Wissens durch allgemeine Verbreitung in Gefahr zu
bringen.

Die Phönizier, die als Kanaanäer noch Schüler und
Bewunderer der Ägypter waren, übernahmen deren Schrift,
in der je nach Zusammenhang ein Bild für sich selbst,
für ein Wort oder für einen Buchstaben stehen konnte.
Doch war ihre Gesellschaft anders aufgebaut als die der
Ägypter, und die Erfordernisse ihres Lebens führten
dazu, daß sie letztlich den einzelnen Lauten ihrer
Sprache ein einzelnes Schriftzeichen zuordneten.

Diese Schrift, bestehend aus zweiundzwanzig Buchstaben
(ohne Vokale, wie im arabischen und hebräischen Gebrauch
noch heute üblich), konnte jeder Mensch erlernen. Die
Griechen, ihrerseits Bewunderer und Schüler der
Phönizier, erkannten den Wert dieser Schrift und
entwickelten daraus, iher Sprache gemäß, das griechische
Alphabet (Alpha Beta Gamma etc.).

Fortan konnte jeder Mensch (zunächst Phönizier, dann
auch Grieche, und so weiter und so fort) Lesen und
Schreiben erlernen und an den schriftlich überlieferten
Erkenntnissen, Gedanken und Erlebnissen - zumindest
seines eigenen Sprachraumes - teilhaben, diese erweitern
und ergänzen. Sofern er denn die nötige Zeit erübrigen
und einen Lehrer bezahlen konnte.

Das muß man sich einmal vor Augen führen: die Menschen
waren fortan nicht mehr auf überlieferte und je nach
Begabung des Erzählers ausgeschmückte und veränderte
Erzählungen angewiesen, sondern konnten noch
Generationen später im Original erfahren, was jemand
über ein Ereignis zu sagen hatte. Vielleicht war das nur
ein Abfallprodukt; der unmittelbare Nutzen war die
Überschaubarkeit des Staates und des Handels der
Kaufleute.

Wie auch immer, das gesamte Wissen der Menschheit konnte
niedergeschrieben und lesend erworben werden und blieb
nicht länger der mündlichen Überlieferung oder einer
Kaste von Schriftgelehrten überlassen. Ohne Alphabet
gäbe es auch keinen Buchdruck und keine Möglichkeit für
Jedermann, am versammelten Wissen unserer Spezies
teilhaben zu können.

Freilich, man mag es einwenden, wäre dann auch nicht
"Mein Kampf" geschrieben worden. Grund genug für die
Antifa, unsere Kultur in Bausch und Bogen zu verdammen
und sie, getarnt als Antifaschismus, bis zum letzten zu
bekämpfen. In deren Augen müssen die Phönizier
Protofaschisten gewesen sein. Andererseits könnte das
akademische Geschwätz der diversen Ismen-Anhänger auch
keine Verbreitung finden, und das wäre wohl kaum ein
Verlust für die Menschheit. Aber das ist ein ganz
anderes Thema.

Halten wir uns nicht lange mit alten Vorstellungen auf: die Phönizier hätten schon immer im Gebiet des heutigen Libanon und bevorzugt an den bewohnbaren Küstenflecken gesiedelt, eines Tages das Kielschiff und die zur Seeschiffahrt nötigen nautischen Kenntnisse entwickelt und fortan das Mittelmeer beherrscht und den dortigen Handel dominiert. Gerhard Herm liefert in "Die Phönizier" schlüssige Argumente für einen anderen Geschichtsverlauf.

Demzufolge waren die Küstenflecken früh besiedelt; Byblos gilt als eine der frühesten Städte der Geschichte überhaupt. Sie hatten ein Pfund, mit dem sie wucherten, das waren die Zedernwälder des Libanongebirges. Das Holz der Zedern und ihr Harz war wichtig für die Rituale der Ägypter, und so gab es einen regen Handel. Aus dem Sinai strömten in mehreren Vorstößen und in einem Jahrhunderte umfassenden Zeitraum Völkerscharen in den Libanon vor (und weit dartüber hinaus, nach Ägypten ebenso wie in das Reich der Sumerer in Mesopotamien) und integrierten sich teils oder eroberten mit Feuer und Schwert. Seßhaftigkeit und Nomadentum vermischten sich im Libanon.

Gerhard Herm wundert sich, daß ausgerechnet aus Wüsteneien Scharen von Menschen strömen konnten, und ich wundere mich über sein in dieser Hinsicht starres Weltbild. Denn die Wüsten, seien es Sahara, Sinai oder Gobi, waren nicht fertig da, sondern entstanden im Laufe von Jahrtausenden auf ehemals fruchtbarem Land. Die Verdorrung ganzer Landstriche und die Ausbreitung der Wüsten trieb Menschen auf die Suche nach neuem Siedlungsgrund. Und so erreichten sie auch den Libanon.

Byblos war das Handelszentrum der Kanaanäer, wie wir die noch nicht phönizischen Städter und Siedler nennen wollen, und das mächtige Ägypten wachte darüber, daß nur mit dem Pharaonenreich Handel getrieben wurde. Die Zedernstämme wurden damals zu Flößen gebunden und an der Küste entlang an den Nil geschifft. Doch das Reich am Nil war nicht beständig; mal zerfiel es in inneren Kämpfen, mal wurde es erobert. Die Kanaanäer knüpften dann Handelsbeziehungen mit Assur und mit Babylon, um sich später den wiedererstarkten Ägyptern zu beugen.

Eine weitere Völkerwanderung wirbelte das Gefüge im nahen Osten und in der Levante durcheinander, in deren Folge zogen die sogenannten Seevölker in das östliche Mittelmeer ein, beherrschten die See und siedelten in Palästina (als Philister bekannt, ihr Landstrich wurde Philistaia genannt). Die Kanaanäer mußten den Herrschern der See Zugeständnisse machen, Ägypten als reine Landmacht büßte den freien Zugang zum Zedernholz ein. Als die Israeliten unter König David geeinigt waren, vertrieben sie die Philister, und die Seevölker schlossen sich, da ohne Hinterland, mit den Küstenbewohnern am Libanon zusammen und verschmolzen mit diesen.

Seßhaftigkeit, Nomadentum und Seeherrschaft: nun betraten die Phönizier die Geschichte. Denn erst die Seevölker brachten Kielschiff und Nautik in die Handelsstädte, zusätzlich die überlieferten Kenntnisse von fernen Ländern, deren Einwohnern und deren Bodenschätzen. Erstes Ziel waren die Kupferminen auf Kreta, und Kupfergegenstände wurden ein wichtiger Bestandteil der phönizischen Handelswaren.

Sie seien systematisch die Küsten nach Westen entlanggefahren (in rudergetriebenen Booten, die nur zur Verstärkung ein Segel mitführten), schreibt Gerhard Herm, in Abständen von ein oder zwei Tagesreisen Handelsposten anlegend, bis sie in Spanien auf von Iberern betriebene Kupferminen gestoßen seien. Damit sei der wichtigste Abschnitt der phönizischen Erkundungsfahrten abgeschlossen gewesen. Aber das ist nur seine Spekulation. Die Seevölker hatten auf ihrem langen Weg längst Kenntnis von diesen Minen erlangt und mitgebracht, und die Phönizier strebten gezielt nach diesen fernen Gefilden, wie wir getrost annehmen dürfen.

Kupferwaren, das schon erwähnte Glas: was hatten die phönizischen Händler noch im Sortiment, daß sie nicht erst erwerben und von einem fernen Land in ein anderes verschiffen mußten? Olivenöl (sie perfektionierten den Anbau von Olivenbäumen) und vor allem in Purpur und Scharlach gefärbte Stoffe. Die Farbe gewannen sie aus der Purpurschnecke, die an ihren Küsten zahlreich genug vorkam, um wenigstens kleine Mengen Gewebes damit zu färben.

Der Name "Phönizier" geht wahrscheinlich als Phoinika aus dem griechischen Wort für purpur - porphyra - abgeleitet zurück: Land des Purpurs. Vielleicht stand aber schon Kanaan für "die Roten". Die vorphönizische und früh untergegangene Stadt Ugarit soll das Verfahren der Färbetechnik entwickelt haben. Heute wird Purpur synthetisch erzeugt und hat seinen Luxusstatus verloren, doch bis in die Neuzeit hinein blieben Purpurstoffe den Herrschern und ihren Getreuen vorbehalten, als Symbol von Macht und Auserwähltheit.

Glas ist für uns so selbstverständlich, daß wir gar nicht auf den Gedanken kommen, irgendwelche Fragen zu stellen. Flaschen, Trinkgläser, Phiolen, Ampullen, Karaffen, Schüsseln, Brillen, Fenster, Spiegel - vetraute Alltagsgegenstände. Aber wenn wir beobachten, wie Insekten und selbst Vögel (die doch Augen im Kopf haben) ihre Köpfe gegen Fensterscheiben rammen und offenbar das Rätsel der gleichzeitigen Durchsichtigkeit und Undurchdringlichkeit nicht zu erfassen vermögen, beschleicht uns eine Ahnung, daß Glas nicht naturgegeben ist.

Wer hat es erfunden? Die Ägypter. Allerdings eine opalisierende, undurchsichtige Sorte, aus der sie Fläschchen und Flacons formten, die zu ihrer Zeit begehrte Luxusgegenstände waren. Das Verfahren zur Glasherstellung entdeckten sie um 3500 v. Chr., vielleicht, indem sie bekannte Schmelzverfahren für Metalle probeweise auf andere Substanzen, z.B. Sand, anwandten. Das Geheimnis der Herstellung gelangte etwa 1000 v. Chr. zu den Phöniziern.

Der bereits erwähnte Autor Gerhard Herm schreibt darüber: "Dabei begnügten sie sich aber nicht einfach mit Nachahmung, sie wendeten vielmehr ihren ganzen Einfallsreichtum und ihre Zähigkeit an den Versuch, die milchige Masse auch noch durchsichtig zu machen. Nach Versuchsreihen, über deren Länge und Mühseligkeit sich nur spekulieren läßt, hatten sie tatsächlich Erfolg damit." Klingt ziemlich beeindruckend, ist aber Quatsch mit Soße.

Denn - da es kein durchsichtiges Glas gab und kein Mensch wissen konnte, daß durchsichtiges Glas möglich ist, konnten sich die Phönizier die Durchsichtigkeit nicht als Ziel gesteckt haben. Die Versuchsreihen selbst sind also bloße Spekulation, tatsächlich wird der Zufall zum Ergebnis geführt haben; vielleicht hat einfach ein Lehrling die Zutaten falsch gemischt. Das Ergebnis muß den Menschen aber als ein Wunder erschienen sein: eine Substanz, durch die man hindurchblicken kann wie klares Wasser, nur fest, ein Faszinosum ersten Ranges.

Die Anwendung als Flaschen hatten die Ägypter vorgemacht, nun blieb es der Erfindungsgabe phönizischer Handwerker überlassen, auch Gläser, Pokale und Glasperlen zu formen. Möglicherweise haben sie die Glasbläserei entwickelt, aber das bleibt Vermutung. Als die phönizischen Handelsschiffe die neue Ware in die Welt hinausfuhren, müssen die Menschen wie vom Donner gerührt gewesen sein. Glas, wie es für uns selbstverständlich ist - das hatte die Welt noch nicht gesehen.

Seit Jahren möchte ich über die Phönizier schreiben - und tue es nicht, weil ich einerseits zur Faulheit neige und andererseits mich scheue, noch unvollständige Gedanken niederzuschreiben. - Aber Dicki, das tust du doch oft! - Eben, und deshalb will ich es nun unternehmen.

Doch Halt. Phönizier, das war ein seefahrendes Volk von Kaufleuten, das außer Frachtbriefen und Antiquitäten kaum etwas hinterlassen hat; das eigenständig nur von etwa 1100 vor Christi Geburt bis zur Zerstörung Karthagos durch die Römer 149 v. Chr. existierte. Das soll für uns Heutige von Interesse sein?

Oh ja, denn die Phönizier waren Nachbarn Ägyptens und Israels, erlebten, als sie noch im Werden begriffen waren, Aufstieg und Fall Babylons und des assyrischen Reiches, sie waren Zeitgenossen der Perser, Griechen und Römer, kulturstiftende Vorbilder und später verhaßte Feinde. Ihre religiösen Mythen entsprachen dem Glauben der antiken Welt, sie kamen als erste mit dem Glauben an einen einzigen Gott in - blutige - Berührung, ihre Schiffe fuhren weit über die Grenzen der den Mittelmeeranrainern bekannten Welt hinaus, ihre Waren waren populär und legendär, und ihre Ingenieurskenntnisse machten sie zu begehrten Fachleuten in Sachen Schiffbau, öffentlichen Gebäuden, Konstruktion von Häfen, Dämmen und Kanälen, sowie dem Anlegen von Hochöfen. Bis die Griechen in puncto Stil und Geschmack neue Maßstäbe setzten (ca. 500 v. Chr.), waren ihre Kunsthandwerker die führenden im Mittelmeerraum. Von ihnen gelangten in Purpur und Scharlach gefärbte Stoffe in die Herrscherhäuser, durch sie wurden Gläser und Flaschen zu verbreiteten und begehrten Massenartikeln. Ihre Handelsrouten reichten bis Nordeuropa, Westafrika und in den indischen Ozean. Kurz, ihre Geschichte spiegelt wichtige Entwicklungen der menschlichen Kulturgeschichte.

Aus dem Buch "Die Phönizier" von Gerhard Herm (erstmals 1973 erschienen), in dem die Erkenntnisse der Phönizierforschung zusammengefaßt und durch das sie populär gemacht wurden, habe ich viel gelernt - über das Geschriebene hinaus - und kann es wärmstens empfehlen, nicht ohne vor dem Enthusiasmus des Autors zu warnen, der ihn zu einigen Denkfehlern verleitet hat.

Begeben wir uns also auf die Suche nach Erkenntnissen, die für uns auch heute von Bedeutung sein können. Bühne frei: die Phönizier.

ist kein Hirngespinst, sondern wurde in den späten 60ern durch Marktanalysen von Marketingagenturen in den USA empirisch nachgewiesen. Der Beweis: die aufgrund ihrer Studien auf rund zwölf unterschiedliche Typen junger Menschen zugeschnittenen Vermarktungskampagnen für Industrieprodukte waren finanziell erfolgreich; die als nonkonformistisch geltenden Zielgruppen erwiesen sich als gute Konsumenten, wenn man verstand, Waren ein nonkonformistisches Image zu geben. Was damals galt, gilt heute immer noch. Ob Veganer, Antifanten, Esoteriker oder Altlinke: in ihrer Perönlichkeitsstruktur gleichen die Angehörigen der verschiedenen Szenen sich nicht nur wie ein Ei dem anderen, sie lassen sich auch problemlos für Marketingkampagnen einspannen, wenn man es versteht, sie mit sorgfältig gewählten Phrasen glauben zu machen, sie verwirklichten ihre Andersartigkeit in einem menschenfeindlichen Geschäftsmodell. Dieser Typus wird nicht begreifen, daß dieses Lied auch auf ihn gemünzt ist.

Man mag mir widersprechen, daß Kriminalromane leichte Lektüre sind, denn manche Leute zerbrechen sich gerne den Kopf über der Frage, wer der Täter sei. Krimis, die ich mag, schildern Land und Leute anhand zahlreicher Beobachtungen und benutzen den Kriminalfall nur als Aufhänger. Sobald es einem Autor gelingt, mich auf den ersten Seiten für die Personen seiner Geschichte zu interesssieren, bin ich schon zufrieden und lese auch dann weiter, wenn die erzählerischen Kniffe durchsichtig sind: wer für Geschichten empfänglich ist, kommt früher oder später den Erzählern auf die Schliche. Solange nur die Geschichte interessant ist.

Seit Jahren ist mir klar, daß die heutigen Krimiautoren in der Mehrzahl Nischenschriftsteller sind: sie haben ein Spezialwissen über eine Stadt oder ein Land in einer gegebenen historischen Epoche (kann auch Gegenwart sein), ihre Hauptperson hat moderne Ansichten (soweit sie sich mit jener Zeit vertragen und insofern die Ansichten heute als modern gelten) und sitzt zwischen allen Stühlen, ist aber sympathisch. Man recherchiert gewiß, ob die Nische noch unbesetzt ist, man guckt sich das Handwerk von erfolgreichen Autoren ab: voila, eine Krimiserie a la - na, was auch immer.

Donna Leon gehört gemäß dieser Symptomatik dazu, ist aber eine Ausnahme: sie hat sich gesagt, daß sie mit politischen Aufsätzen weniger sagen kann als mit Romanen und auch weniger Leser findet; sie schreibt über Venedig, weil sie dort lebt. In ihrem ersten Krimi steckt viel linker Kitsch, aber sie ist gereift, dann hat sie (ab dem siebten oder achten Krimi) weitergeschrieben, weil das Rezept erfolgreich war, auch wenn die Geschichten mehr Routine als Anliegen waren. Der typische Nischenautor hat kein Anliegen, sondern will vom Schreiben leben, deshalb sind die Krimis marktgerecht am Zeitgeschmack ausgerichtet. Folgerichtig steigt der Anteil politischer Korrektheit ständig, da "p.c." längst in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist.

Dennoch war ich überrascht von dem Roman einer französichen Autorin, bei dem mir nach zehn Seiten - die als Schwerkriminelle dargestellten Personen entpuppten sich als Angehörige einer Spezialeinheit der Polizei - klar war, daß ein politisches Programm abgearbeitet wird. Böse Behörden und -vertreter einerseits, verfolgte Ausländer andererseits; als Motiv ein Gemisch aus Ausländerfeindlichkeit und Profitgier. Der Grund, weshalb ich weiter und zuende las, lag in ihrer konsequenten Schwarz-Weiß-Malerei und meiner Neugier, wie weit sie das an Symptome angelehnte, aber wirklichtsfremde Stück wohl treiben werde. Und die Neugier wurde belohnt.

In was für einem Land spielt eine Geschichte, in der die Behörden und die Wirtschaft von originären Franzosen dominiert werden, die Bevölkerung hingegen, so wie sie geschildert wird, überwiegend (ja, beinahe ausschließlich) nichtfranzösich ist? Klarer Fall, das muß eine französische Kolonie sein, Algerien vielleicht oder Tschad, vor deren Unabhängigkeit. Stimmt aber nicht, als Ort der Handlung sind ausdrücklich Paris und dessen Vororte genannt. Und die Autorin scheint vor lauter Beflissenheit in Antiausländerfeindlichkeit gar nicht gemerkt zu haben, daß sie Frankreich seiner französischen Bevölkerung beraubt. Vielleicht wollte sie das auch gerne in der Realität so haben, so wie die Antideutschen Deutschland gerne von Deutschen befreit sähen; aber amüsant ist es schon, zu welcher Blindheit "p.c." führen kann.

Brian Epstein, immer bemüht, den Beatles neues Publikum und neue Verdienstmöglichkeiten zu öffnen, hatte einen Vertrag abgeschlossen, der laut George Harrisons Erinnerungen bis zu 5000 Konzertgänger vorsah, aber selbst wenn im Kontrakt 50000 gestanden hätte: es waren 200000 zahlende Besucher zugegen, ein sehr lukrativer Vertragsbruch also, der selbstverständlich Klagen, Prozesse und einen unumgänglichen Verlust nach sich gezogen hätte. Der Promoter - ich rekonstruiere die Geschehnisse von damals auf den Philippinen - wird beste Beziehungen zu Diktator Marcos und dessen Frau Imelda (und ehemaliger Schönheitskönigin, hoppla) unterhalten haben.

Die Beatles erzählten im Interview (mit dem britischen Fernsehen, BBC oder was immer) nach ihrer Rückkehr, die Atmosphäre habe von Beginn an nach Krawall gerochen, sei feindlich gewesen. Sie hätten ihren Liveauftritt absolviert, seien in ihr Hotel chauffiert worden, und häten sich am nächsten Morgen zunächst einmal gewundert, daß ihrem Frühstückswunsch auch auf Nachfrage nicht entsprochen worden sei. Im Fernsehen hätten sie dann eine tieftraurige Imelda Marcos (Verona Feldbusch alias Pooth mit ihren Tränen auf Bestellung ist ein schwacher Abklatsch dagegen) gesehen und weinende Schulkinder, denn die Beatles hätten es abgelehnt, einer Einladung der First Lady der Philippinen Folge zu leisten - einer Einladung, von der sie kurzfristig erfuhren und der sie nicht zu folgen bereit waren, weil sie - bekanntermaßen - ihren freien Tag als freien Tag verstanden.

Im Flughafengebäude, auf dem Weg zu ihrem Jet, seien sie bedroht und herumgeschubst worden, sie wurden gehaßt von den Leuten auf der Straße ebenso wie von der Polizei, und letzten Endes seien sie und ihre Begleiter (also Manager und Roadies) nur heil herausgekommen, weil sie alles verdiente Geld zurückgelassen hätten. Und das war von Anfang an geplant, sage ich heute, rückblickend. Eine große Inszenierung, ein Theater zu dem einzigen Zweck, dem Konzertpromoter und seinen Gönnern, der Familie Marcos, einen Extraprofit zu bescheren. Ein frühes Beispiel für Inszenierungen, die heute gang und gäbe sind. Sach ich mal so.

Jubel allerorten oder vielmehr Wut und Trauer über eine NeoNaziTerrorGruppe und angesichts ihrer Taten. Die Linken wußten es ja: die rechte Gewalt wird verharmlost, sie haben es immer gesagt, und bittesehr, da ist der Beweis. Die Linken wollen die Welt verbessern, die Rechten Morde begehen, so sieht es aus, die linke Welt ist wieder in Ordnung, und deshalb sollte man jetzt endlich die NPD verbieten und die Meinungsfreiheit einschränken, wir sind uns alle einig, es richtet sich ja ausschließlich gegen die rechten Verbrecher.

Und wenn sie dann aus ihrem Dornröschenschlaf erwachen, die Linken, reiben sie sich die Augen und schauen verwundert in die Welt, wie sie sich verändert hat: Kritik jedweder Couleur unerwünscht, weil geschäftsschädigend. Und der politischen und wirtschaftlichen Elite ist es gelungen, die Linken vor diesen Karren zu spannen, das ist das Beste daran!

Nun sind mit dieser Terrorgruppe anscheinend allerhand Fragen verbunden; weshalb beispielsweise wird 2007 eine Bekenner-DVD aufgenommen, aber nicht in Umlauf gebracht? Seltsame Bekenntnis. Und weshalb wird diese DVD nach einem Brand anscheinend unversehrt aus den Überresten der Wohnung geborgen? Und woher kannten die Mörder ihre Opfer, die sie - offizielle Version - innerhalb zwei oder drei Tagen gefunden und ausspioniert hatten? - Im Internet wird deshalb spekuliert, ob es sich nicht um bezahlte Killer handelte, die von interessierter Seite eingesetzt wurden, um Schuldner (als mahnendes Beispiel) exekutieren zu lassen (was nichts daran ändert, daß sie aus der rechten Szene stammen). Gewiß, Spekulation. Aber:

Die Enttarnung der Terrorgruppe kommt zeitpolitisch nicht ungelegen: die Beschneidung der Meinungsfreiheit im Internet (und generell) steht auf der Tagesordnung (geplant ist die Abänderung des §130 StGB in einen Gummiparagraphen. Selbst ein so systemkonformes, aber kritisches Buch wie "Nieten in Nadelstreifen" kann dann als volksverhetzend - Aufstachelung zum Haß gegen Manager - verboten werden). Ein solcher Einschnitt in die verfassungsmäßig verbrieften Rechte aller Bürger kann nur gelingen, wenn man der Mehrheit ein lohnendes Ziel vor Augen stellt - und wer außer den Rechten selbst wäre nicht gegen die Rechten?! Willkommen in der marktgerechten Exklusiv-Demokratie, liebe Linke. Wie leicht man euch an der Nase herumführen kann ...

Hidden Object Games (HOGs, ein Schwein wer Böses dabei denkt) begannen ihren Siegeszug mit Mystery Case Files - Huntsville, das sich millionenfach verkaufte, im Jahre des Herrn 2004. Eingedeutscht heißt dies Genre "Wimmelbildspiel", was einerseits nicht falsch, andererseits idiotisch ist: weshalb nicht einfach Suchbildspiel? Egal, es entstanden schnell Spielreihen, die MFC variierten, etwa die Little Shop Serie um "Rummysales", oder Dream Day, konsequent kitschig um das Thema Hochzeit angelegt. MCF blieb ein Trendsetter (meiner Meinung nach wäre die Kombination aus den Folgen 3 und 4 das bestmögliche HOG, wegen der irrwitzigen Was-passiert-dann-Türschlösser aus Ravenhurst und der Worträtsel aus Madame Fate) und brachte mit Return to Ravenhurst ein Myst-ähnliches Adventure hervor, dessen Grundausrichtung seither das Genre bis zum Einschlafen dominiert. Dutzende, wenn nicht über hundert Demos habe ich seitdem ausprobiert, und immer geht es um Geister, Spuk, Hexen, Magier und das Böse schlechthin. Das ist dermaßen stereotyp und austauschbar, daß du nur noch auf die Qualität der Graphik und der Rätsel achtest, sonst könntest du diese Teile gleich in die Tonne treten. Selbst das Farbdesign ist nahezu identisch: mystischblau.

Und es kommt noch schlimmer. Im Frühjahr 2010 erschien die erste Demo von The surprising Adventures of Baron Munchausen, dessen zu suchende Gegenstände nicht auf Worten oder Bildern, sondern Assoziationen beruhten - eine Neuerung -, und dessen Geschichte mit der Hinrichtung des Titelhelden begann, oder begonnen hätte, doch jemand aus dem Publikum auf dem Hinrichtungsplatz rief dazwischen, daß der Baron in einer bestimmten Geschichte, aus der die protestierende Person gerettet hervorging, nicht gelogen habe. Daraufhin wurde diese Episode seines Lebens als ein Kapitel des Spiels dargestellt. Am Ende des Kapitels mußte eine Was-passiert-dann-Szene aus den überlieferten Geschichten des Barons gelöst werden, sehr an- und vielversprechend, so sehr, daß ich beschloß, die Vollversion, sobald sie erschiene, zu kaufen. Es kam eine zweite, erweiterte Demo, und dann - eine Weile nichts mehr. Vor einem Jahr dann eine neue Demoversion: die Geschichte war in eine der längst kotzüblichen Böser-Zauberer-Rahmenhandlungen eingebettet, hatte aber immer noch Charme (die Produktionsfirma der ersten Version war vermutlich pleite gegangen). Seitdem - nichts, das Spiel, das einen neuen Trend hätte setzen können, ist sang- und klanglos verschwunden.

Und das bedeutet, daß die Mehrzahl der potentiellen Käufer, an die sich die Demos (Surveys) richten, ihren gewohnten Einheitsbrei haben wollte und will, und daß nur innerhalb dieses enggesteckten Rahmens Variationen möglich sind. Innerhalb dieses Rahmens ist Guardians of Beyond: Witchville mal eine Abwechslung (gute Graphik, gute Rätsel), denn inmitten des üblichen Geisterquatsches entpuppt sich die böse Hexe als eine gute Fee, und daß ich diesen Umstand lobend erwähne, sollte alles über das Genre HOG sagen: es ist zu Tode geritten, aber es wird immer noch Geld damit verdient. Das Spiele-Portal reflexive.com hat vor einem Jahr seine Tore geschlossen: eine vernünftige Reaktion auf sinkende Absatzzahlen einerseits und nivellierte Inhalte andererseits. Rückblickend bleibt nur zu sagen, daß Return to Ravenhurst die letzte große Neuerung im Genre HOG war und gleichzeitig, wegen ihres Erfolgs, der Sargnagel. Wen außer den Dümmsten interessiert denn ein immer gleiches Spiel? Und das ist die Essenz von Marktwirtschaft.

Während ich dies schreibe, warte ich auf den - legalen, jawohl! - Download des zweiten Teils von Martin Scorceses Film über Leben und Wirken George Harrisons, "Living in the material world", denn es gibt wertvolleres als Geld, und George Harrison (ja, der Beatle) trug es in sich und suchte nach Wegen, es mit seinem Leben zu vereinbaren. Das ist von wirklichem Interesse, auch wenn es nach Spinnerei aussieht. Die "Normalen" jedenfalls gehen mir komplett am Arsch vorbei; sie leben in einer materiellen Welt, und für sie ist Religion und Geistergetue ein und dasselbe: es muß persönlichen Vorteil bringen.

 

twoday.net AGB

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