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Kinogeplauder

Das ist ein Film von Paul Verhoeven, und der baut immer und obsessiv Sex in seine Streifen ein. Obwohl dies mehr ein Actionfilm für Frauen ist. Und schon passiert's: die Leinwand ist noch schwarz, da geht die Action los. Krach! fällt etwas um. Schrei! Klirr! fällt etwas hin. Noch mehr Schrei! Ächzen! Grummeln! Bäng! wieder was kaputt. Im Bild eine lauschende Katze, stoisch ruhig, aber aufmerksam. Und schließlich sehen wir die Bescherung - sie liegt am Boden, er erhebt sich von ihr, wischt sich über den S äh (wegsehen Kinder!) Unterleib, zieht die Hose hoch und flieht durch die Terrassentür, eine dunkle Sturmmütze über dem Gesicht. Sie rührt sich nicht.

Doch! Sie atmet, erhebt sich stöhnend - wie heißt die noch gleich? Na, fällt uns schon wieder ein. Räumt die Scherben zusammen, stellt das umgestürzte Tischchen wieder auf, badet sich, ein Blutfleck im hellen Schaum. Wie geht es weiter? Sie besucht ihre alternde Mutter, die sich schon wieder hat kosmetisch aufrüsten lassen, das Gesicht eine groteske Maske (hat wohl eine gute Maskenbildnerin). Ihr Jahrzehnte jüngerer Lover erscheint, erträgt gelassen den beißenden Sarkasmus von - ja, wie heißt sie denn nun. Und auch die Mutter ist es gewöhnt.

Der Vater, so erfahren wir nun, ist ein einsitzender Amokläufer, dessen Gottesfürchtigkeit ihn einst auf Abwege führte, so daß er mit Axt, Messern und Schußwaffen die Nachbarhäuser heimsuchte und die Bewohner entschlossen meuchelte, auch deren Katzen und Hunde, aber Hamster verschonte (no Hamsters were harmed in the making of this movie, Gottseidank).

Nächste Station ist die Firma, die sie (wann fällt uns der Name denn endlich ein) mit ihrer besten (vielleicht einzigen) Freundin leitet, wo ein neues Videospiel mit Sexszenen (Paule, Paule) entsteht. Als Abfallprodukt entsteht ein Video, in dem das Monster des Spiels Isabelle Huppert (stimmt, so heißt se doch) in den A äh (wegsehen Kinder!) Hinterleib f äh (wegsehen Kinder!) dingst, mit so einem Oktopussy-Arm.

So, das reicht eigentlich. Vater stirbt, Mutter stirbt, Isabelle auf einer Gratwanderung zwischen Klarheit und Irrsinn. Sie beendet das Verhältnis mit dem Mann ihrer besten Freundin (der wirklich nur das eine will, sie wollte mal, nun reicht es ihr aber), träumt von einem solchen mit dem neuen Nachbarn; Paul (Paule, Paule) zeigt sie uns o äh (wegsehen Kinder) proaktiv unter den Rock greifend, während sie ihn im Fernglas fokussiert. Danach lädt sie ihn und seine Frau zur Weihnachtsfeier, zu der auch ihr Sohn mit seiner Verlobten erscheint. Die hat gerade entbunden, er redet dauernd von "mein Kind", aber beide Eltern sind hellhäutig, das Baby ist sehr dunkel. Isabelle spricht es aus, so ist sie, und der Sohn will es nicht wahrhaben (das war aber mal gut, Paule!).

Im Rückblick stellt sie sich der Erinnerung an die Anfangsszene, das nächste Mal phantasiert sie, daß sie des Maskierten Kopf zu Brei schlägt - aber wer war es denn jetzt? Sie wird ein zweites Mal angegriffen, diesmal gelingt es ihr, ihm die Maske vom Gesicht zu reißen: es ist - nee, verrate ich nicht. Selber gucken. Sehen, wie es weitergeht, wie sie eine Balance findet, versöhnlicher wird, und umso unversöhnlicher bei einem dritten und vierten Angriff kämpft, bis unverhoffte Hilfe erscheint und - nee, verrate ich nicht. Und wie es mit ihrer besten Freundin kracht und - nee, verrate ich nicht.

Und noch mehr, dichtgedrängt, Action für Frauen, wie der Macker sagt. Elle, kein Film für schwache Nerven, aber voller Komik, wenn man diesen Sinn für Humor hat, voller Wärme, wenn man sich drauf einläßt, und voller Isabelle Huppert, wenn man es aushält. Voll großes Kino allemal!

Mittelmeer: Matt Damon will auch mal Actionheld sein, und wacht in einem Film auf, in dem er Amnesie hat. Er treibt als dreivierteltote Boje im sturmgepeitschten Mittelmeer und wird von einem Fischerboot - nun ja, aufgefischt. Zu der sechsköpfigen Crew gehört ein Arzt, der Damon zwei Kugeln herausoperiert, bei schwerem Seegang zwar, aber im Film ist sowas kein Problem. Wem das schon unglaubwürdig erscheint, der verläßt am besten sofort das Kino, denn da kommt noch mehr. Außer den zwei Kugeln findet der Arzt noch eine implantierte Kapsel, die auf Knopfdruck per Laser die Nummer eines Zürcher Bankschließfachs an die Kajütenwand projiziert.

Zürich: Damon entdeckt nach und nach seine Superkräfte, außerdem im Schließfach ein halbes Dutzend Pässe auf unterschiedliche Namen, einen Batzen Geld und eine Pistole. Während er sich für Jason Bourne hält und über seine Vergangenheit rätselt, holt ihn dieselbe ein. Die Zürcher Polizei will ihn festnehmen, er entkommt in die ÚS-Botschaft, und ein Spitzel verständigt eine Spezialeinheit der CIA, das Projekt Treadstone, wo aufgrund seiner Vergangenheit beschlossen wird, das er keine Zukunft haben soll. In der Botschaft will ihn die Security kontrollieren, aber er setzt sich mit Nahkampftechniken durch und flieht Richtung Dach, verfolgt von einer in Alarm versetzten Brigade Marines, die immer in einer US-Botschaft residiert; "sie hassen uns für unsere Freiheit", nicht wahr, auch wenn die Freiheit nur darin zu bestehen scheint, andere Menschen ungestraft wie Gegenstände behandeln zu dürfen, solange dies politically correct geschieht (correctness schützt nicht vor Versklavung). Mit noch mehr Superkräften entkommt Damon als Fassadenkletterer und will nun nach Paris, wo Jason Bourne eine Wohnung - nun ja, bewohnt.

Zwischenspiel: Als Damon die Botschaft betrat, sahen wir eine junge Frau in heftiger Diskussion mit einem Schalterbeamten. Sekundenlang war sie im Bild und ebensolange ihr eher belangloser Disput zu hören. Erfahrene Filmgucker wissen: diese Frau wird noch eine Rolle spielen. Aber wer spielt diese Rolle - irgendwie kennen wir sie, also die Frau. Der Botschaft entkommen, trifft Damon sie, also die Frau, in einer Seitenstraße. Bietet ihr Geld, damit sie ihn nach Paris fährt, sie zögert, hält das für einen Trick, er wirft ihr ein Geldbündel zu - nu gut, wird sie ihn schließlich doch fahren. So funktionierte schon Capras "It happened one night" und Hitchcocks Antwort "The thirtynine steps": spanne Mann und Frau, die erstmal nicht zueinanderpassen, zusammen und unterhalte den Zuschauer mit der sich unter widrigen Umständen entwickelnden Beziehung. In dieser Version des uralten Themas wird allerdings sehr sparsam mit Humor umgegangen.

Paris: Die Leute vom Treadstone-Projekt haben mittlerweile alle verfügbaren Killer aktiviert und Steckbriefe des Paares verschickt. Jetzt wissen wir es plötzlich: die Frau ist Franka Potente, und die ist als actor nicht schlechter als Damon, hat aber auch den Vorteil, ohne Gedächtnisverlust antreten zu dürfen. In der Pariser Wohnung entdeckt Damon noch mehr seiner Superkräfte; er hört das Gras wachsen und einen Killer atmen oder was, jedenfalls gibts knallhartes JiuJitsu-Karaté-TschiangKaiTschek, bis der demoralisierte Killer aus dem Fenster springt. "Last Chance, Maria" sagt Damon blöderweise, denn sie heißt ja Franka, und blöderweise will sie bei ihm bleiben, und dann artet das noch zu einer Liebesszene aus. Bloß gut, daß der Kameramann sich diskret von den Turteltauben entfernt, sonst wäre ich noch eifersüchtig geworden.

So, jetzt sollte klar sein, wie sich das entwickelt. MegaMörderVerfolgungsjagd durch Paris, und sieh mal an, wie wendig und spurtstark Frankas Morris Minor ist, wenn Damon ihn reitet! Allmählich, indem er Bournes Spur verfolgt, kommt Damon den Treadstone-Leuten auf die Spur, kämpft irgendwo im ländlichen Frankreich einen weiteren Killer nieder und parabelt zurück nach Paris direkt ins dortige Treadstone-Quartier. Höhepunkt der finalen Schießerei ist, daß Damon einen erschossenen Agenten ins Treppenhaus stößt, hinterherspringt und im freien Fall den verbliebenen Killer - nun ja, killt, bevor er im Erdgeschoß auf den Toten prallt wie auf eine harte Judomatte. Halten wir uns nicht lange mit weiteren Einzelheiten auf. Projekt Treadstone wird beendet, d.h. die Bösen beim Geheimdienst sind die Ausnahme von der Regel, mehr müssen wir wirklich nicht wissen.

Eine griechische Insel: Franka betreibt einen Motorroller-Verleih, und plötzlich steht Damon auf der Schwelle. Beide strahlen, sie fragt, ob er jetzt mehr wisse und er sagt "still no ID", ich kann mich aber verhört haben, "still no idea" wäre auch eine Möglichkeit. Leichte Unterhaltung, gewürzt mit leichter Action und leichter erotischer Spannung: so sinnfrei macht ganz großes Kino Spaß. Weil Damon unbedingt wissen wollte, wer er ist, wurden drei oder mittlerweile vier Fortsetzungen gedreht. Und wenn er nicht gestorben ist, dann weiß er es auch heute nicht.

oder schlicht Coogan's Bluff im Orignal. Coogan (Clint Eastwoods erster Film unter der Regie von Don Siegel) ist Sherrif oder Deputy oder überhaupt irgendwie Polizist in Arizona und jagt mit seinem Dienstjeep nach einem Indianer, der auf einem Hügel mit Gewehr im Anschlag auf den Verfolger wartet. Ah, ein Western! rufen die Vorschnellen; nee! ein New York-Film zischen die Vorlauten. Jedenfalls:

Der Indianer schießt beim ersten Versuch daneben, Clint, der mit seinem Jeep durch ein Zwischending aus Wüste und Prärie angeholpert kam, dreht ein paar scharfe Kurven und flitzt im Schutz der so entstandenen Staubwolke zum Hügel. Bevor der Indianer die Frage, wo das Bleichgesicht geblieben ist, zuende gestellt hat, wird er schon entwaffnet und in Handschellen gepackt. Ab gehts zu
Clints Freundin, die Rothaut wird auf der Veranda angekettet, bekommt die erbetene Zigarette nicht, und muß sich die Liebesgeräusche aus dem Haus anhören.

Damit ist klar: Clint ist als Polizist eine große Nummer, er ist ein Frauenheld , und er ist ohne Mitleid. Weil er auch die Dienstvorschriften nicht immer beachtet, ist sein Chef froh, ihn nach New York ("Hab ich doch gesagt!" - "Schscht!") zu schicken, um einen John Ringerman abzuholen, der irgendwann irgendwas irgendwie in Arizona angestellt hat und dort vor Gericht erscheinen
soll. Und nun geht es los: Der Held vom Lande in der großen Stadt (mit vielen kleinen Episoden, die wir hier überspringen). Der zuständige Kriminalbeamte erklärt Clint, daß Ringerman auf der Krankenstation liegt und nicht transportfähig ist. Außerdem sind da noch viele nette kleine Formular mit Anträgen auszufüllen, dann muß noch irgendwer Offizielles zustimmen und dann, und erst dann und nur dann, kann Clint seinen Mann mitnehmen.

Das ist einfach zuviel für Clint, zuviel Komplikation, zuviel Bürokratie und zuviel Stadtneurotiker. Also holt er Ringerman auf eigene Faust ab, wird ausgetrickst und bekommt eins über die Rübe. Abgang Clint in die Ohnmacht, Abgang Ringerman in ein Versteck. Die Schmach läßt Clint nicht ruhen, und nach dem Anschiß vom zuständigen Kriminalbeamten macht er sich allein auf die Suche.
Der Zufall führt ihn zur Bewährungshelferin Ringermans, mit der er ein Abenteuer versucht, aber auf Neurosen stößt, dafür findet er Unterlagen über R.s Freundin und R.s Mutter. Bei letzterer dominiert Mutterliebe über Gesetzestreue, aber unfreiwillig verrät sie doch etwas und keift danach Clint an: "Sie mit ihrem Angeberhut!"

Halt, jetzt habe ich meinen Lieblingsspruch übersprungen. Über R.s Freundin sagt sie: "Oh, that's Linny Raven. She's a certified Ding-Dong." Schön, also weiter. Mit Linny klappt das Abenteuer, doch anschließend schleppt sie ihn in eine Billiardkneipe, wo R.s Kumpane stecken. Und Clint darf sich mit Queue und Kugeln mal so richtig einer gegen fünfzehn austoben. Die Polizei rückt an, bevor der Kampf entschieden ist, und Clint rückt ab. Der zuständige
Kriminalbeamte findet am Ort des Geschehens Clints Angeberhut und ist erstmals beeindruckt, der Polizist vom Lande hat jedenfalls Schneid.

Dann erfahren wir endlich den Grund für den Mangel an Mitgefühl: "Mitleid ist rot, rot wie Blut." Und Clint erzählt von einer Mitleidsregung eines Freundes (Ha! er selbst natürlich), die ihm eine schwere Schußverletzung einbrachte. Und dann läßt er sich von Linny zum Versteck führen, irgendwo in einem Parkgelände in New York, es gibt eine tolle Jagd auf Motorrädern über schmale Parkwege, bis Clint den andern umschmeißt und verdrischt und fesselt. Der zuständige Kriminalbeamte, rechtzeitig am Ort der Festnahme, erklärt Clint noch einmal die Prozedur mit dem Warten, den Formularen und der Genehmigung, und diesmal hat Clint kapiert.

Am Ende des Films steigt er mit Ringerman in den Helikopter auf dem Dach des PanAm-Gebäudes, steckt sich eine Zigarette ins Gesicht - und bietet Ringerman auch eine an. Schöne Schlußpointe für einen Film mit großer Action (für 1967), voller lebendiger Nebenhandlungen und nicht einmal zwei Sekunden Stummfilm, in
denen Don Siegel klarmacht, daß er lesbische Liebe verabscheut. Wenn man diese Einstellungen, die Rauch-, die Essens-, die Indianer-, die Verbrecher- und die Mann/Frau-Szenen rausschneidet, kann man auch einem politisch korrektem Publikum sagen: Großes Kino. Nur leider sehr kurz.

Als Arthur Conan Doyle die ersten Geschichten um den Meisterdetektiv und dessen Adlatus Dr. Watson schrieb, gingen die Menschen ins Theater, wenn sie Bock auf Fernsehen hatten oder einen Film im Cinedrome gucken wollten; sie nahmen die Pferdedroschke, um eine Spritztour zu machen und schrieben Briefe statt E-Mails und SMSs, und wenn sie in den Social Media rumlabern wollten, dann gingen sie auf Soirees oder trafen sich in Kneipen und auf Rummelplätzen. So eine Zeit war das, mit einem Wort: komplett rückständig. Also mit zweien.

Kann es da überhaupt sehenswerte Kriminalfälle geben? Was kann man vom geschriebenen Wort überhaupt erwarten? Oder erstmal anders. Der große Detektiv ist aus zwei Gründen ein wahrer Meister: erstens gibt es bei der Polizei volltrottelige Inspektoren, zweitens zieht Dr. Watson meistens die falschen Schlüsse, und drittens erfährt der Leser zuwenig über die Faktenlage, um selbst die richtige Lösung zu finden: so strahlt das Licht eines Sherlock Holmes umso heller. Also aus drei Gründen.

Verfilmt wurden die diversen Geschichten und Romane schon oft; erinnert sei an die Flut von Filmen mit Basil Rathbone als Sherlock in den 40er Jahren. Am bekanntesten ist sicher "Der Hund von Baskerville", dessen Drehbuch recht leicht aus der literarischen Vorlage gedrechselt werden konnte. Bei anderen Fällen liegt der Fall anders, und so wurden zahlreiche frei erfundene Drehbücher verfilmt, als hätte der Doyle die Vorlage geliefert.

Da gab es beispielsweise "Die Abenteuer des Sherlock Holmes": Professor Moriarty stiftet ein Verbrechen an und lenkt Holmes' Aufmerksamkeit darauf, um vom Diebstahl der Kronjuwelen aus dem Tower abzulenken. Die einzige Aufregung vor dem Endkampf - Holmes besiegt Moriarty durch Schädelbruch in der zwölften Runde - kommt von einer jungen Frau (Ida Lupino), der alle gängigen Klischees in die Rolle geschrieben worden sind: sie ist unfähig, einen klaren Gedanken zu fassen, dafür emotional bis zur offenen Hysterie, und baut nur Scheiße und behindert die Ermittlungen. So sind die Frauen! würde ich rufen, wenn ich es nicht besser wüßte. Auch auf diesem Gebiet ist der Fortschritt nicht aufzuhalten; in neueren Filmen dürfen Frauen Männer sein, freilich mit einem Leib, der das Stehometer in die Höhe treibt. Soviel Weib muß sein.

Damals war man tricktechnisch schon zufrieden, wenn man auf die Minute passend Nebel im Filmstudio erzeugen konnte. Damit kannst du heute aber keinen nassen Hund mehr hinterm Ofen hervorlocken! Der knurrt nur und zeigt dir ne Meise. Und action-technisch mußte der olle Holmes ab und zu einem Stockdegen ausweichen, eine Ringkampfeinlage zeigen, Revolverkugeln ausweichen und eine gute rechte Gerade setzen können, fertig. So etwas darfst du heute nicht einmal mit low budget, da kannst du dich gleich bei deiner Bank zu einer Geldanlage beraten lassen: das Geld ist futsch. Und daß Holmes denkt und kombiniert ergibt keine kinotauglichen Bilder.

Nee, Leute, heute muß das drei Dinge: das muß kesseln, oggeln, bubbeln und blinken, also vier Dinge; weniger ist nicht mehr, vergesst diesen Blödsinn, mehr ist mehr, und sonst gar nichts. Also mehr: computergenerierte Bilder. Und handfesten, schweißtreibenden, blutrünstigen Nahkampf. Und an Schußwaffen alles, was größer ist als ein Revolver und schneller schießt als eine Flinte. Dazu exotische Gifte, Fallen, Verrat, Bomben und mindestens einen in letzter Sekunde zu verhindernden Weltkrieg. Das alles bekommst du in "Spiel im Schatten", aber du bekommst keinen Sherlock Holmes, nur dessen mit etwas Fremdartigem gefüllte Hülle, eine Art Alien, gewissermaßen.

Die Geschichte geht so: eine von Moriarty ferngelenkte Frau soll Holmes in eine Falle locken. Der Film hat beeindruckende Bilder für Holmes' Superheldenfähigkeit gefunden: in einem Sekundenbruchteil antizipiert er zeitlupenhaft den kompletten Ablauf des bevorstehenden Kampfes fünf gegen einen. Dann kracht es in Echtzeit in echt, genauso, wie vorhergesehen. Abgefahren irgendwie, aber schon cool. Da die Frau versagt hat, serviert Moriarty sie ab. Holmes besucht den überkriminellen Verbrecher und bittet, Dr. Watson aus dem Spiel zu lassen, ein Kampf Mann gegen Mann, Holmes gegen Moriarty, das Gute gegen das Böse (immer dran denken: nicht weniger, mehr ist mehr!). Nein, damit ist der Professor nicht einverstanden und Holmes, Meister der Antizipation, muß seinem Kumpel auf dessen Hochzeitsreise das Leben gegen eine schwerbewaffnete Armee von Moriartys Gnaden retten.

Die Geschichte schlägt irgendwelche Kapriolen, die ich überspringe, da gibt es Zigeuner, Erpressung, Attentate mit Präzisiongewehren und/oder Bomben, schöne Frauen, böse Männer. Letzten Endes will Moriarty die europäischen Staaten in einen Weltkrieg gegeneinander treiben, um mit seinen Waffenfabriken maximalen Reibach machen zu können. Hier ist die Story für einen Augenblick realistisch, Krieg ist ein sehr, sehr gutes Geschäft, solange er nicht ins eigene Heim vordringt, aber dafür gibt es Leibwächter für konkrete und Staatspolitik für allgemeine Bedrohungen. Und selbstverständlich darfst du nicht rassistisch, nationalistisch und sexistisch sein. Wie dem auch sei, Sherlock Holmes packt den Professor des Bösen und stürzt sich mit ihm einen hunderte Meter hohen Wasserfall hinab.

Der Film endet wie er begann: der angebliche Sherlock Holmes, der, wie ich oben nachgewiesen habe, in Wahrheit ein Alien ist, mit Namen Robert Downey jr., wie man mir soeben ins Ohr flüstert, dieser angeblich tote Holmes sitzt in einem selbstgemalten Tarnanzug in Watsons Zimmer vor dessen Nase, und der Doktor sieht ihn nicht. Holmes lebt, das Kino bebt. Und zwar das ganz große Kino, Leute.

Erstens gute Komödie, Remake eines finnischen Films. Zweitens ein Film, der sich freundlich verpackt 2006 (WM-Jahr!) über die Fußballmanie lustig macht. Und drittens eine Geschichte über den immerwährenden Kampf der Geschlechter, der hier auf dem Fußballplatz ausgetragen wird. Und wie? Also, für alle, die den Film noch nicht kennen, eine kurze Info.

Der Mittelstürmer des FC Imma ("Für immer! Imma '95!") springt entschlossen in eine Flanke, verpasst den Ball und trifft den Pfosten - Koma. Der Mitbegründer des Vereins ('95 steht für 1995) und Ex-Mittelstürmer, mittlerweile in Berlin lebend, wird an sein Versprechen erinnert, im Notfall zurückzukehren. Seiner fußballhassenden Frau, Architektin von Beruf, schlägt er vor, aufs Land zu ziehen, wo sie sich beide selbständig machen können. Gesagt, getan. Sie glaubt den Schwindel solange, bis die anderen Spielerfrauen sie aufklären: "Du kannst deinen Mann aus dem Verein nehmen, aber du kannst niemals den Verein aus deinem Mann nehmen."

Besoffen und im Streit entsteht eine Wette, daß wenn die Frauen ihre Männer im Fußball besiegen, die Männer dem Fußball vollständig entsagen, sollten aber die Männer gewinnen, würden die Frauen nie wieder Murren und Meckern. Nun gibt es aber nur acht Spielerfrauen gegenüber elf Männern. Überraschung Nummer eins ist ein Mann, der sich als fester Freund eines der Spieler outet und dem frischgegründeten FC Venus beitritt. Zweite Überraschung: die Architektin hat nicht nur in der Jugendnationalmannschaft gespielt, sondern kann eine Kollegin von damals, die als Torhüterin aus der US-Profiliga zurückgekehrt ist, für das Frauenteam gewinnen. Die ist drittens so tough, daß sie den Frauenhelden des FC Imma ruckzuck verführt und dadurch spielberechtigt ist (als quasi-Spielerfrau). Zur vierten Überraschung entpuppt sich ein arbeitsloser Startrainer als Vater der Architektin und übernimmt die Aufgabe, dem mehrheitlich fußballuntauglichem Frauenteam zum Sieg zu verhelfen. Und die gewinnen wirklich! Und so weiter, es soll ja nicht schon alles verraten werden.

Nur soviel: Heinz Hoenig, der seit 1990 in dermaßen vielen Film- und Fernsehproduktionen mitgewirkt hat, daß seine Frau vorm Frendgehen sicher war (es sei, denn er hätte den Boris Becker gemacht - Besenkammer, Vaterjammer), spielt gekonnt und routiniert den Trainer, Christian Ulmen, seit "Herr Lehmann" dicklich geworden, hat die männliche Hauptrolle, ist wie immer unsymphatisch, aber auch unverkennbar, und Petra Kleinert [edit 30.5.: Anneke Kim Sarnau], Enkelin [edit 30.5.: Urgroßnichte] von Hans Söhnker, ist zwar nicht schön anzusehen, spielt aber alle anderen an die Wand (die "verkannte Tochter"-Stimme der Hauptdarstellerin macht es ihr leicht). Man ahnt schon, daß kein Klischee ausgelassen wird, und genau dadurch wird der Film zu einem großen Vergnügen, da auch alle nicht erwähnten Akteure ihre Sache gut machen. Es leben die Klischees - für immer - und FC Imma - und FC Venus! Nach dem Spiel treffen wir uns in Rudis Blutgrätsche, vereint bei Sky.

Regisseur John Frankenheimer frönt hier seiner Lust an schnellen Autos (siehe auch "Grand Prix" von 1966) und erzählt eine Räuberpistole. Die Gesichter der Darsteller kommen uns bekannt vor; bei Robert de Nitro sind wir uns sicher, und das da könnte Jean Renault sein? Twingo! Und worum geht's da so?

Fünf Söldner werden von einer Frau mit markantem Gesicht, großen Augen und langen blonden Haaren angeworben, um für anonyme Auftraggeber einen Koffer zu rauben. Zu mordrauben, um präzise zu sein. Dazu werden Waffen gekauft, aber der Deal entpuppt sich als Falle, was uns eine Menge Geballer beschert. Die Söldner gewinnen und bereiten den Überfall auf einen Wagenkonvoi vor. Der Koffer ist irgendwie wahnsinnig wichtig und wahnsinnig wertvoll, aber zum Glück erfahren wir erst spät im Film, daß es ein Modell zum Aufbewahren von Schlittschuhstiefeln ist, sonst wär ja gleich niemand in den Film gegangen; erfolgreich war der sowieso nicht.

Also: großer Waffeneinsatz, um das Schutzpersonal zu massakrieren, Autojagd durch Nizza, Peng Peng Peng und schließlich Verrat - der Techniker der Gang verschwindet mit der Beute, wird aber im "Kolosseum" von Arles aufgespürt, "die Russen" mischen sich ein, jede Menge Geballer, der Auftraggeber schnappt sich den Techniker und die Blondine, de Nitro und Renault sind wieder bei Null, "die Russen" bei minus sechs Fuß.

Die Spur führt nach Paris, ausgedehnte Autojagd, und blutiges Finale in der Eislaufarena. Der Auftraggeber, ein irischer Terrorist, wird zur Strecke gebracht, und endlich ist Frieden in Nordirland. Was war in dem Koffer? Wird leider nicht verraten.

Aber der Film macht anschaulich, wie teuer eine Männerfreundschaft, aufs wesentliche reduziert, - d.h. gegenseitige Lebensrettung und kein Wort, wenn nicht unbedingt nötig - bezahlt wird. Damit sich de Nitro und Renault am Ende die Hand geben können, müssen dreiundzwanzig Gangster, zwei Verkäufer, fünf Dutzend Zivilisten und eine Eislaufprinzesssin sterben, wird ein Markt verwüstet, werden zweihundertsiebenundachtzig PKW und drei Lastwagen zerlegt und teilweise flambiert, sowie ein Mopedfahrer in den Gulli gedrängt. Ach ja, und Michel Lonsdale (der Abt aus "Der Name der Rose") muß sich mit einer Danebenrolle begnügen.

Was will uns der Regisseur damit sagen? Männer tun gut daran, Familien zu gründen und dem eigenen Geschlecht nur in Büro, Fabrik und beim Fußball zu begegnen. Mein Fazit: sozialkritische Unterhaltung mit hohem Bleigehalt und ohne geistige Nebenwirkungen.

Gottfried John tot. Mir ist er nicht nur als unverwechselbares Gesicht in diversen Filmen in Erinnerung, sondern auch und nicht zuletzt, weil er zum 82jährigen Anthony Quinn, den er bei der Bambi-Verleihung begleitete, sagte: "I adore you very much", was Herr Quinn, soeben stolzgeschwellter Vater seines - ich glaube - siebten Kindes leicht misinterpretiert haben mag. I adore Gottfried John für diese freimütige Äußerung der Verehrung eines großen und leider unterschätzten Kollegens. Es ist so - diese Charaktere wachsen nicht nach, sie sind für immer dahin. Wer das gut findet, soll sich getrost Ersatzteile implantieren lassen und fortan besser funktionieren.

"Gib hier nicht den Karasek!" sagte ich neulich zu einem Kulturknilch, der in seine gespreizten Sätze literweise berühmte Namen einfließen ließ. Was diesen leider nicht zum Verstummen brachte, mir aber Befriedigung verschaffte. Seit Wochen schlage ich in Karaseks "Mein Kino - die 100 schönsten Filme" (von 1993) mal diese, mal jene Seite auf und bin erschüttert ob der vielen auf grandiosen Mißverständnissen beruhenden Lobhudeleien. Wobei nicht die Filmauswahl stört.

Bitte einhundert Filminteressierte, ihre hundert Lieblingsfilme aufzulisten, und du wirst mindestens zweitausend Filme genannt bekommen. Einigkeit wird bei einer Reihe berühmter Filme herrschen, z.B. "Casablanca" oder "Fahraddiebe" oder "Psycho". Das ist völlig richtig, denn daß solche Filme ein großes Publikum berührt haben und immer wieder berühren, kann auch vom hartgesottensten Kritiker nicht ignoriert werden. Abgesehen von den gängigen Publikums- und Kritikerlieblingen wird die Auswahl natürlich vom persönlichen Geschmack bestimmt und "de gustibus non est disputandum", selbst wenn es schlechter Geschmack sein sollte.

Anders steht es um die Gründe, die zur Auswahl dieses oder jenes Filmes führen, und K. hat seine Gründe, im jederzeit gegenwärtigen Bemühen, brilliant zu schreiben, genannt: die Gründe sind im Gegensatz zum Geschmack, durchaus diskussionswürdig. (Jetzt schreibe ich schon selbst gespreizt, es ist nicht zu fassen, aber kommen wir endlich zur Sache)

Die Sache ist die, daß K. mit Blick auf die Luftschachtszene Marilyn Monroes (er versteigt sich zu der Formulierung "ein lasziver Windstoß", hurregottnejah!) und den Kuß in der Meeresbrandung zwischen Burt Lancaster und Deborah Kerr behauptet "sie" hätten "einen Film-Augenblick lang den Schleier der biederen fünfziger Jahre vor der sexuellen Wahrheit gelüftet" (Besprechung von "Verdammt in alle Ewigkeit"). Noch ein Beispiel, diesmal aus "Der Leopard". Der Neffe des Fürsten erzählt der Tochter des neureichen Bürgermeisters bei Tisch eine schlüpfrige Geschichte, macht ihr dann "ein frivoles Kompliment. Und da bricht sie in ein unbändiges, sinnliches, lautes, nicht enden wollendes Lachen aus [...] Es ist der Ausbruch des ungefügen, wilden, unerzogenen Gefühls mitten in der erstarrten Etikette. Es ist der wahre Anbruch der neuen Zeit."

Dabei scheint K. nicht begreifen zu können, daß die "erstarrte Etikette" auch das aufgeklärte Arrangement mit menschlichen Schwächen bedeutet, die neue Zeit aber das "ungefüge, wilde, unerzoge" Ausleben menschlicher Egoismen. K. ist kein Revolutionär, in seiner Sicht auf die Welt aber nachhaltig von den Revoluzzern Neunzehnhundertachtundsechzigs geprägt. Die Wohlgestalt der Tochter-Darstellerin Claudia Cardinale ist unbestreitbar, ebenso ihr etwas vulgäres Gesicht - eine gute Wahl für diese Rolle in diesem Film, dessen Regisseur Luchino Visconti genau wußte, was er tat.

K. nutzt jede Gelegenheit, Verstöße gegen die Zensur (in Hollywood) zu feiern und mehr oder minder unterschwellige Sexualanspielungen lobend zu erwähnen, so daß der Eindruck entsteht, er tue das bei zwei Dritteln seiner "100 schönsten Filme", real wird es wohl kaum ein Drittel sein. Interessant finde ich, daß K., der Sexualitätsbefreier, Truffauts "Der Mann, der die Frauen liebte" nicht in seinen Kanon aufgenommen hat: dieser Film behandelt die männliche Sexualität freundlich-kritisch mit viel (Selbst)Ironie und ist darin wirklich frei - das war wohl des Guten zuviel.

Carole Lombard war eine Cousine zweiten Grades von Howard Hawks, der sie als die seiner Überzeugung nach ideale Besetzung gegen John Barrymore in Twentieth Century (1934, "Napoleon vom Broadway") haben wollte, aber die ersten Proben waren enttäusdchend, sie spielte steif und gekünstelt, zum Mißvergnügen sowohl des Regisseurs als des Schauspielers. Howard Hawks nahm sie beiseite, wie hoch ihre Gage sei. Und was sie täte, wenn ein Mann Übles über sie sagte ("... that comes from the back of his mind")? - "I'd kick him in the balls!" - Dann solle sie das gefälligst tun. Fortan spielte sie intuitiv und der Film wurde zusammen mit Frank Capras It happened one night zum Gradmesser aller kommenden screwball comedies.

Von diesem befreiten Spiel profitierte auch My man Godfrey (1936, "Mein Mann Godfrey"). Hauptdarsteller William Powell, damals im Zenit seiner Laufbahn (hierzulande bekannt aus "Der dünne Mann"), wollte Carole Lombard als Filmpartnerin. Diese Komödie hat Tempo, ist auch in den Nebenrollen gut besetzt und handelt - na, von den Irrungen und Wirrungen zwischen Mann und Frau, was sonst. Und davon wie ein armer Schlucker (mit einem Geheimnis) eine reiche Familie als Butler zur Vernunft bringt.

Zwei konkurrierende Schwestern, "Park Avenue brats", brauchen zum Sieg in einem "scavenger hunt" einen "forgotten man", den sie von einer Müllkippensiedlung herbeischaffen wollen, und geraten an William Powell. Der stößt die eine zu Boden, weil ihn das Angebot, für fünf Dollar als Reichenbelustigung zu dienen, empört, befragt aber, dann doch neugierig geworden, die andere und schlägt vor, ihre Schwester in dem Spiel zu schlagen ("Let's beat Cornelia"). Carole Lombard gewinnt tatsächlich, er hält eine kleine Ansprache (erstens habe er der jungen Dame helfen wollen und zweitens sei er neugierig gewesen, wie sich gelangweilte Knallköpfe aus der Oberschicht aufführten; seine Neugier sei gestellt, und er begäbe sich gerne zurück in die Gesellschaft einiger wirklich wichtiger Menschen).

Carole bietet ihm die vakante Stelle als Butler ihrer Familie, der Bullocks, an. Dort erscheint er am nächsten Morgen rasiert und mit geliehener Butlerkleidung. Vom Hausmädchen erfährt er, daß die Butler kommen und gehen, weil es niemand länger als einen Tag aushält, entweder gefeuert werden oder kündigen. "May I be frank?" fragt er. - "Is that your name?" - "No, my name is Godfrey." - "Then be frank."

Das Hausmädchen weist ihn ein, der "old battleaxe" Miss Bullock - auf beredte Art geistlos und schrill komisch - Tomatensaft gegen ihren hangover zu bringen, und er solle Hut und Mantel in der Nähe der Tür lassen, damit er nach dem Rausschmiß nicht lange suchen müsse. Er übersteht die Prüfung, wird mit Frühstück zu Cornelia geschickt (sie stelle seine Sachen in die Halle) und wird aus dem Zimmer geschmissen, und schließlich zu Carole (sie stelle seine Sachen auf den Treppenabsatz), mit der er gut auskommt, denn sie erklärt ihn zu ihrem Protegé, dem Gegenstück zu Mutters Protegé Carlo, einem Vielfraß von verkanntem Musikgenie. Man ahnt schon Caroles heftig werdende Verliebtheit. Doch beim Verlassen des Zimmers begegnet er Mister Bullock, der den vermeintlichen Unschuldräuber zu verprügeln droht. Der Irrtum wird geklärt, William ist als Butler eingeführt und behauptet seine Stellung gegen Mister Bullocks drohenden Bankrott, Miss Bullocks liebenswert nervigen Schwachsinn, Cornelias Anfeindungen und Caroles Nachstellungen.

Aber bis hierher sind erst zwanzig Filmminuten vergangen und es erwarten uns weitere siebzig atemberaubende Minuten einer im Grunde süßlichen Geschichte mit einem nur angedeuteten happy end voll komischer Nummern, Verwicklungen und Dialogen, kurzum, mit allem, was das Herz von einer Komödie begehrt.

William Powell brilliert als armer Schlucker, perfekter Butler und (frauenscheuer) Gentleman, hat eine Szene, in der er Chaplins Mimik perfekt einsetzt, und eine komische Einlage als zweitklassiger Schmierenkomödiant, als er betrunken ist, d.h. den Betrunkenen spielt, eine seiner vielen Stärken (vergl. "Der dünne Mann"). Carole Lombard als abgewiesene Geliebte wirft sich in überdramatische Posen und bekämpft ihre Schwester mit allen gerade noch erlaubten Mitteln, und ist in ihrer hilflosen Verliebtheit immer liebenswert komisch. Zusammenfassung: eine großartige Komödie, eine der besten ihrer Art, und leider unterschätzt, denn, sehr verehrtes Publikum, das ist ganz großes Kino. William Powell, betrunken von seinem freien Tag heimkehrend angesichts der sich unglücklich verliebt weinend in den Armen liegenden Carole und dem Hausmädchen: "How about a quartett?"

Endlich habe ich einen Film mit Mae West gesehen; mit und von, muß gesagt werden, denn schon bevor sie nach Hollywood ging, war sie eine erfolgreiche (und umstrittene) Bühnenautorin in New York. Folgerichtig legte sie es darauf an und und setzte es durch, daß sie ihre Drehbücher selbst schrieb. Und sie hatte genügend Einfluß, für ihren zweiten und dritten Film den noch wenig bekannten Cary Grant als männlichen - sagen wir - Gegenpart zu bekommen. Der Filmgesellschaft Paramount konnte nichts besseres geschehen; Mae Wests Erfolg bewahrte sie vor dem Bankrott.

Unlängst nannte ich ZsaZsa Gabor die Stanze für alle Schwuchteln. Nun, so devot wie die können nur Frauen aus Osteuropa sein. Mae West aus West-Brooklyn hingegen war butch. Man sieht es an ihrem mackerigen Gang und hört es an ihren - nicht nur damals - schamlosen Sprüchen. Außerdem war sie die Karikatur eines männerverschlingenden Vamps. Doch dazu später.

In "I'm no Angel" (Ich bin kein Engel) von 1933 brilliert sie mit Sex-Appeal in sparsamen, aber eindeutigen Hüftbeweguhngen, Blues-Feeling im Gesang und eindeutig zweideutigen Dialogsätzen, die sie großzügig an ziemlich jeden männlichen Darsteller des Films richtet. Ein weiterer Höhepunkt sind die Frauengespräche (und worum geht es da wohl!) mit ihren schwarzen Bediensteten; letzteres darf man heute gar nicht mehr sagen, leider weiß ich nicht, wie das jetzt p.c. heißt, aber damals war es eine Selbstverständlichkeit.

Damals war aber nicht selbstverständlich, daß eine Frau jenseits dunkler Gassen und roter Lampen ihre Sexualität präsentiert (bzw. inszeniert), also bekam Mae West nach der Einführung des production code des Hayes Office (auch Zensur genannt) eine Menge Ärger. Dazu sagte sie später: "I believe in censorship, I made a fortune out of it".

Schön, gutaussehend? Nein. Aber konsequent ihre Vorstellung einer sinnlichen und männerbetörenden Frau auslebend. Ihre Phantasien, wie sie Männer vom Ehebrecher über Taschendieb und High-Class-Trottel bis hin zu Richter und Jury um den Finger wickelt, sind dann doch ein bißchen bieder, aber amüsant. Und sie war nie um einen guten, anzüglichen Spruch verlegen. Ohne Humor nicht zu ertragen, aber dann sehr erfreulich: Mae West. "Got the idea, boys?"

 

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