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Tafelrunde

Die Untertanen in Waterkant, gewarnt durch gewisse Vorkommnisse und Verheerungen einer Bande, die sich König Abgus' Tafelrunde nannte, griffen zu Maßnahmen der Notwehr: Auf Veranlassung eines Montague Python gründeten sie eine Truppe Freiwilliger, die jener Bande von Halunken, Raufbolden und Tunichtguts ihr Treiben sauer werden lassen wollte. Weil sie Ritterlichkeit auf ihr Panier schrieben, wiewohl sie keine Ritter waren, nannten sie sich Die wahre Tafelrunde. Kunde davon drang auch an König Abgus' Hof.

Die Ritter, Unheil ahnend und des Müßiggangs überdrüssig, überzeugten den König, daß es sich hier um eben jene Bande handeln müsse, deren Raubzug im vergangenen Sommer und Herbst soviel Leid über die Untertanen gebracht hatte. "Auf Männer!" rief der König, "wir wollen ihnen das Handwerk legen."

Es kam wie es kommen mußte: die beiden Gruppen, König Abgus' Tafelrunde und Die wahre Tafelrunde, begegneten sich eines Tages auf freiem Felde und stürmten sogleich aufeinander ein. Da mähte der Bihänder und der Morgenstern fiel auf manches Haupt. Stunden wogte der erbitterte Kampf hin und wider, und als die Sonne sich dem Horizont zuneigte, lagen die Recken beider Seiten im Staub und bluteten ihr Leben aus. Anderntags fand man die übel zugerichteten Leiber, konnte nicht unterscheiden, wer die gute und wer die schlechte Tafelrunde war und verscharrte sie allesamt im Erdreich.

Und wie erging es den übrigen Helden? Ahwein, der Ritter mit den Möwen starb an einer Fischvergiftung und wurde zusammen mit seinen Möwen, die ebenfalls an Fischvergiftung verschieden waren, feierlich zu Grabe getragen. Ritter Pansefahl hingegen saß zufrieden in seinem Kral, lobte den Herrn und wunderte sich hin und wieder, daß die Schmetterlinge jeden Tag eine andere Frau umschwebten.

Dies aber widerfuhr Pansefahl: Einst war er zur See gefahren und hatte mancherlei von abgelegenen Weltgegenden vernommen. Als er König Abgus vom heiligen Gral berichten hörte, erstand vor seinem inneren Auge sogleich ein Negerdorf, dessen Hütten goldene Kuppeln trugen und das allen Reichtum der Welt und ewiges Leben verhieß. Zwar wunderte er sich, daß Neger damals in der Nähe Jerusalems eine Wohnstatt errichtet haben sollten - wie sonst hätte Joseph von Arimathia das Blut Jesu in dem Kral auffangen können -, doch sagte er sich, daß Legenden eine Menge Wortgeklingel mit einem Körnchen Wahrheit seien, und dieses Körnchen, so dünkte ihm, war wohl aus Gold und weit größer als ein Körnchen. So nahm auch er seinen Abschied von der Tafelrunde.

König Abgus, voller Stolz auf Pansefahl, wünschte ihm Glück und Erfolg, er hoffe, rief König Abgus, er werde ihn dereinst als Kralsritter (mit weichem 'k') begrüßen können; das liege ganz in der Tradition der Vorbilder, jenem Bunde alter und edler Haudegen, welche einst - und da er wieder in einen seiner Vorträge verfiel, gab Pansefahl vor, sein Gaul drohe durchzugehen und beendete die Abschiedszeremonie mit ein paar wilden Galoppsprüngen, die ihn rasch vom Hof der Burg und vom Hof des Königs entfernten. Frohgemut trabte er dann des Wegs. Nach vielen Monden und noch mehr Abenteuern erreichte Pansefahl glücklich das Land der Neger, und wirklich, er erblickte den heiligen Kral.

Das heißt, zunächst erblickte er eine dunkelhäutige Frau, die ihm ohne Scham gegenübertrat, wie der Herrgott sie geschaffen hatte und Pansefahl sich dessen überzeugen konnte, daß sie an allen wichtigen und auch an den weniger wichtigen Stellen wonnigliche Pölsterchen trug - dann erst fiel ihm der Kral auf, und siehe: die Hütten trugen goldenene Kuppeln, in den Sträuchern blitzten Diamanten und der Boden war mit Edelsteinen übersät, die im Sonnenlicht glitzerten. Um die Negerin aber segelten Hunderte und Aberhunderte der zierlichsten Schmetterlinge.

Pansefahl sprang vom Pferd, rieb sich erst die Augen, dann den Staub von seiner Rüstung, und als er nun in schimmernder Wehr vor den herzugeeilten Dorfbewohnern stand, fielen diese auf die Kniee und verehrten ihn sehr. Die Männer hatten runde, freundliche Gesichter und bei den Frauen war überhaupt alles rund. Leichten Herzens bezog er die für ihn flugs verschönte Hütte und ließ es sich gutgehen. Was tat es, daß die goldenen Kuppeln, die diamantbesetzten Sträucher, der edelsteinübersäte Boden sich als Trugbilder erwiesen - es genügte, daß Pansefahl alle Jubeljahre einen Zauberer vertrieb, einen Löwen aufspießte oder einen Elefanten erschreckte, um ihm die Gunst seines Krals zu erhalten und die schmetterlingsumflatterten Frauen zum Zwiegespräch empfangen zu können.

Als endlich die Nachricht von Pansefahls glücklichem Abenteuer auch das Reich Waterkant erreichte, pries König Abgus seinen Getreuen als Zierde des Ritterums, als seinen Kralsritter (mit weichem 'k'), und er hub sogleich an, eine seiner langen Geschichten über die alten Helden und ihre Ideale vorzutragen. Da hatten aber die Ritter plötzlich ihr Schwert zu reinigen oder ihren Gaul zu striegeln oder dringend einen Minnedienst zu verrichten. Und deutlicher denn je stand ihnen vor Augen, daß sie nun selbst in die Lande ziehen und Abenteuer finden mußten.

Da es sich nun aber begab, daß keine Kunde neuerlicher Schandtaten jener Raubritter, die sich ebenfalls als Tafelrunde ausgaben, an des Königs Hof gelangte, und zudem die Edelmänner erklärten, sie wollten sich lieber im Ritterhandwerk vervollkommnen, als nach den vielen Heldentaten der letzten Wochen sogleich wieder aufzubrechen, willigte der Herrscher ein: "Sobald wir aber wissen, wo diese Bande neuerdings ihr Unwesen treibt, wollen wir mit ihnen abrechnen." Statt aber seine Mannen in Kampfeskunst und Waidwerk zu unterweisen, ließ sich König Abgus des langen und breiten über Helden vergangener Tage, ritterliche Tugenden sowie die Minne aus.

Das war nun kaum nach dem Geschmack dieser Männer der Tat, und mit jedem Tag wuchs in ihnen die Sehnsucht nach einem Leben in Freiheit und Ausschweifungen. Als der Winter nahte, hielt es Ahwein nicht länger im Kreis der Tafelrunde. "Mein König", sprach er bedächtig, wie es die Leute von der Küste tun, "das ist ja denn man alles bannig interessant. Doch fühle ich, daß ich meinen Ruhm erhöhen muß. Drum laßt mich vorläufig Abschied nehmen, damit ich meine Abenteuer finden kann." Und so geschah es.

Scharf trieb Ahwein sein Pferd an und erreichte nach wenigen Tagen die See, wo Fischer soeben ein riesiges Netz bargen, in dem es wimmelte und zappelte. Ahwein sprengte herzu: "Was treibt Ihr da? Wisset, ich bin Ritter Ahwein, Held der Tafelrunde, Gesandter des König Abgus, und ich werde Euch diese Wilderei in des Regenten Fischgründen strafen!" Die Fischer erschraken heftig, da sie sich eben noch über die reiche Ausbeute gefreut, und stimmten kleinlaut dem Vorschlag Ahweins, Held der Tafelrunde, zu, als Tribut für ihren Landesherrn, ihm, Ahwein, Held der Tafelrunde, zwei Körbe voll Fisch aufs Pferd zu binden.

Zufrieden mit sich und der Welt, salzige Meerluft und Teergruch in der Nase, ritt Ahwein von dannen. Dabei merkte er gar nicht, daß noch ein anderer Duft mit ihm zog. Dieser jedoch gefiel den Möwen, und fortan waren sie seine treuesten Wegbegleiter, die sich bei jeder Gelegenheit einen Leckerbissen aus dem reichhaltigen Angebot der beiden Körbe pickten. Von Stund an aber hieß Ahwein landauf, landab der Ritter mit den Möwen.

Da sie nun vollzählig waren, wollte König Abgus seine Ritterschar auf kürzestem Wege der heimatlichen Burg entgegenführen, doch verging kaum ein Tag, an dem seine Gefährten nicht auf einen bedrängten Edelmann oder eine notleidende Jungfrau hinwiesen, denen es beizustehen galt. Zwar wunderte sich König Abgus mehr als einmal über die so wenig edle Beschaffenheit der Geretteten und Gerächten, aber wer war er, einem hilfebedürftigem Menschen seinen und seiner tatkräftigen Gesellen Einsatz zu verwehren? So bewegten sie sich auf mannigfaltig gewundenem Wege und nähersten sich dem Königssitz nur ganz allmählich. Deshalb war es nur natürlich, daß ihnen die Kunde vom Wirken der Tafelrunde vorauseilte.

An einem schwülen Tage, der Sommer neigte sich dem Ende entgegen, trat ihnen am Eingang eines Dorfes eine aufgebrachte Menge entgegen, die alles andere als friedlich und untertänig schien und von deren Hand manch Stoß- und Hauwerkzeug geschwungen ward. "Freund oder Feind? Gebt Antwort!" wurden sie angerufen. - "Gut Freund!" erwiderten die Zwölf im Chor. - "So tut nun kund, wer Ihr seid." - "König Abgus und seine Tafelrunde. Wie nennt sich dieser Flecken, und weshalb seid Ihr so aufgebracht?" - Der Wortführer maß die Reiter von Kopf bis Fuß. "Ihr also seid die Tafelrunde, von der wir schon so viel vernommen haben. Nun, wenn Ihr diesen Ort nicht meiden wollt, so mag er Euch Hölle heißen."

König Abgus erschrak. "Seid Ihr des Teufels?" - Spöttisch erwiderte der Sprecher: "Man kennt mich unter vielen Namen", und verbeugte sich übertrieben. Unruhe packte die Ritter. "Satan!" - "Der Scheitan!" - "Ei der Daus!" - "Beim Zeus!" - "Beim Odin!" So ging es durcheinander. "Bei Gott, Männer, Ruhe!" fuhr König Abgus energisch dazwischen. "Mit Kampfgefährten wie Euch ist mir nicht bange, und wenn es die Hölle erobern gelte!"

Nach einem ebenso kurzen wie heftigen Gefecht war das Dorf dem Erdboden gleichgemacht, Natterngezücht und Satansbrut gemeuchelt. Nun hatten auch König Abgus' wackere Streiter genug der Heldentaten und man erreichte in wenigen Tagen die Burg. Doch wie staunte der König, als er die Zugbrücke hochgezogen, alle Tore und Pforten verriegelt und die Zinnen mit Bogenschützen besetzt fand. "Es riecht nach siedendem Öl", bemerkte Ganzenot ohne Not und handelte sich böse Blicke ein. - "Ich bin es, König Abgus, öffnet gefälligst!" Da brandete ein Jubelgeschrei auf, sogleich wurde die Zugbrücke herabgelassen, alle Tore aufgetan und allenthalben Schmuck ausgehängt, wie es sich für eine königliche Burg geziemt.

Was aber mußte der König von seinem Truchseß erfahren? Eine Bande von Räubern und Mördern verunsichere seit Tagen die Gegend, Raubritter, die sich als Tafelrunde ausgäben, man habe befürchtet, sie wollten, die Abwesenheit des hochwohlgeborenen Herrn auszunutzen, eine Anschlag auf die Feste unternehmen. Dann zählte der Truchseß die lange Reihe an Greueltaten auf, die in der Auslöschung eines ganzen Dorfes mitsamt seiner Bewohner gipfelte. "Diesem Treiben werden wir ein Ende setzen", sagte König Abgus grimmig. "Doch zunächst benötigen wir Stärkung für uns und unsere Pferde sowie frische Wehr und Waffen. Mundschenk, bring Er Uns vom Besten, das die königlichen Kellereien zu bieten haben!" So ruhte die Tafelrunde gründlich aus, nachdem sie sich mit Rebensaft für zukünftige Heldentaten gestärkt hatte, stärkte sich wieder und ruhte nochmals aus, um sich ein weiteres Mal zu stärken und in allerpeinlichster Gründlichkeit auszuruhen.

Waterkant wäre nicht Waterkant ohne seine langgezogene Küste, an der sich König Abgus und seine frischgebackenen Ritter (einer zu Fuß und drei auf Kühen) entlangbewegten - "von Horizont zu Horizont" wie der König leicht irrig, aber durchaus poetisch dachte - bis sie die Grenze erreichten und sich ins Landesinnere wandten. Da gelangten sie an eine Ortschaft, in der eine große Volksbelustigung stattfand.

Schon lagen einige Männer schnarchend im Schatten von Bäumen, andere suchten im Schatten von Hecken und Sträuchern nach dem Schatzkästchen ihrer Angebeteten, aber die eigentliche Attraktion bildete ein Donnerbalken, auf dem sieben Herren, an den Armen gebunden, verbeult und verschrammt über einem Abgrund aus Jauche thronten und es sich gefallen lassen mussten, daß ein Schneiderlein ihnen die Schuhbänder verknotete. Nach Vollendung seines Werks versetzte er dem ersten in der Reihe einen Schubs, der nach und nach alle in die Tiefe riß, und juchzte: "Sieben auf einen Streich! Wünsche weich zu ruhen, Ihr edlen Herren!" Die Umstehenden beglückwünschten das Schneiderlein zu seiner Tat.

Die noch unvollständige Tafelrunde erstarrte in Schrecken. "Das sind doch Ahwein, Erekt, Tristman, Lodergrind, Ballamatt, Hengflott und Hundsfott!", rief Ganzenot aus. - "Ihr kennt diese Herren?" fragte König Abgus. "Sind sie Unserer auch würdig?" Er rümpfte zweifelnd die königliche Nase. Ganzenot warf sich in die Brust: "So würdig wie je ein Ausgestoßener, wenn man ihm erst den Kot abgewaschen hat." Das Schneiderlein hörte, was gesprochen wurde und ereiferte sich: "Herren sagt Ihr? Glücksritter sage ich, und ich sage Zechpreller. Und ich sage weiter: gegenüber unseren Frauen haben diese Strolche höchst unsittliche Reden geführt!" Zustimmendes Gemurmel unterstrich seine Worte.

König Abgus fragte eine der Frauen des Ortes, die gerade des Weges kam, ob sie von diesen Herren - oder einem von ihnen - belästigt worden sei. "Herren?" schnappte die Frau. "Ich sehe nur einen Haufen Scheiße." - "Da hört Ihr es!" rief nun Pansefahl, "das Schneiderlein lügt, niemanden haben sie belästigt. Da wird es mit dem Glückspiel und der Zechprellerei auch nicht viel auf sich haben." Aus der Grube kam zustimmendes Gemurmel. "Hört", wandte sich König Abgus an das Schneiderlein, "Ihr werdet diese Herren aus ihrem - äh - Moorbad befreien, sie reinigen und frisch einkleiden, wenn Euch Euer Leben lieb ist. " Auf die fünf ihm entgegengereckten Waffen sehend war dem Schneiderlein sein Leben sehr lieb. Das Publikum aber gab Fersengeld. Keine Stunde später akzeptierten die sieben schlammgeborenen Edelmänner gerne die Einladung an König Abgus Tafel.

Da Ritter nun einmal zu Pferde sein müssen, um richtige Ritter zu sein, wurde von den verleumderischen Ortsinsassen eine passende Anzahl Tiere entlehnt, und die Gesellschaft zur Rettung der Welt, fürderhin bekannt als König Abgus' Tafelrunde, war komplett und bereit, jedwedes Abenteuer zu bestehen. Zunächst aber trabten sie zu einer Schenke in sicherer Entfernung, wo sie nach umfänglicher gegenseitiger Bekanntmachung dem Bacchus zuprosteten, bis Morpheus sie empfing.

Nachdem sie sich anderntags notdürftig hergerichtet hatten, begaben sich König Abgus und Ritter Ohwein auf die Suche nach weiteren Gesellen. Die Sonne hatte eben den Zenit überschritten, als die Beiden ein Dorf erreichten, in dem der blanke Aufruhr herrschte. Eine Rotte Bauern, mit Mistgabeln und Eichenknütteln bewaffnet, bedrängte drei Individuen, die mit einer Lanze, einem Schwert und einem Morgenstern bewaffnet sich die Meute notdürftig vom Leibe hielten. Ihre Lage war aussichtlos und sie würden kaum noch eine Viertelstunde standhalten können. König Abgus rief empört: "Dreißig gegen Drei, das ist wie - äh - " - "Zehn gegen Einen", half Ritter Ohwein aus. - "Was geht hier vor?"

"Oh Ihr Herren, helft uns", bat der Größte der Drei. "Wir haben diesen Undankbaren versprochen, sie gegen Räuber und Banditen zu beschützen, wenn sie uns Weizen für ein Jahr, zehn Stück Vieh und ein bißchen Wildbret geben wollten und haben Wort gehalten; nun behaupten diese Schändlichen, die Ernte sei verdorben, das Vieh tot und das Wildbret des Königs." - "Räuber sind sie!", ertönte es aus der Bauernschar, "Diebe! Erpresser!" - "Da hört Ihr es selbst aus dem Munde der Vertragsbrüchigen. So helft uns doch!"

Weder König Abgus noch Ritter Ohwein zögerten auch nur eine Sekunde, den Hilfesuchenden beizustehen. Gemeinsam mit den Dreien, die sich hernach als Mordbret, Pansefahl und Ganzenot vorstellten, verdroschen sie die Bauern nach Strich und Faden und verließen das Dorf im Triumphzug, zwei Wagenladungen Korn, zwölf Rinder und eine Schar Gänse mit sich führend. Freudig nahmen die Geretteten die Einladung zu König Abgus' Tafel an.

"Welch eine Beglückung", dachte König Abgus, "daß die guten Traditionen doch noch lebendig sind. Sieben weitere solcher Edelmänner vom alten Schrot und Korn, dann werden wir die Welt verändern." Sie kehrten in die nächste Schenke ein und kosteten die Gunst der Stunde bis zum letzten Tropfen aus. Der Wirt ließ sie unterm Tische schlafen, wie sie hingefallen waren.

König Abgus war schon mehrere Wochen unterwegs und keiner der Edelleute, denen er begegnete, hatte seinen Ansprüchen genügt, als plötzlich in einem dunklen Waldstück ein nachlässig gekleideter Bursche von wohl dreißig Jahren vor sein Pferd sprang, mit einem hölzernen Schwert fuchtelte und, zwei Reihen verfärbter und brüchiger Zähne entblößend, rief: "Wie wenig es auch immer sein mag, das Ihr zu geben habt, es ist mir alles willkommen!" - "Das ist wahre Bescheidenheit", sagte König Abgus und fragte: "Seid Ihr von edler Abstammung?" - "Das will ich meinen", sagte der Bursche. "Meine Abstammung ist so edel wie sie nur sein kann. Meine Mutter hatte an ihrem Busen Platz für zwölf Kinder und ebensoviele Väter." - "Das ist wahre Nächstenliebe", begeisterte sich König Abgus. "Wie ist Euer Name?" - "Das kommt darauf an, wen Ihr fragt. Hier im Walde werde ich Edelzwicker gerufen, in der Stadt heiße ich Edler vom Weinschlauch."

König Abgus war nun überzeugt, seinen Mann gefunden zu haben. "Edler vom Weinschlauch, wollt Ihr mich begleiten und in der Tafelrunde ausgesuchter Ritter zu meiner Rechten sitzen, als mein erster und bester Edelmann?" - "Tafelrunde gefällt mir", bekannte der Bursche, "das klingt nach regelmäßigem Essen und Trinken. Aber wer seid Ihr, werter Herr, daß ihr beliebt, meinem Überfall zum Trotze Einladungen auszusprechen?" - "Ich bin kein anderer als König Abgus", sagte König Abgus. - "Wer's glaubt, wird selig", sagte der Bursche. - "Das ist wahrer Glaube; kommt an meine Brust!" rief König Abgus voll Entzücken. Diesem Beweis allerhöchster Vertrauensseligkeit mochte sich Edelzwicker oder Edler vom Weinschlauch nicht widersetzen und folgte willig und ergeben seinem neuen Herrn, der ihn der Kürze halber Ritter Ohwein rief und ihn zur Feier der denkwürdigen Begegnung in die nächste Schenke einlud, wo sie ein Herz und eine Seele wurden und zuguterletzt das Bett - eine harte Wirtshausbank - miteinander teilten.

In jenen Tagen, als König Abgus Männer von edler Abstammung um sich sammelte, da er nach hehrem Vorbild eine Tafelrunde einrichten wollte, stand es schlecht um das Ritterhandwerk. Drachen und Lindwürmer waren längst besiegt und vollständig ausgerottet; rettungsbedürftige Jungfrauen gab es so selten, daß oft nicht weniger als hundert Ritter darin wetteiferten, solch ein in Not geratenes Geschöpf zu befreien, wobei sie natürlich durch ihre blindwütige Konkurrenz die Sache völlig verdarben. Eine große Zahl Edelleute hatte sich den Kreuzzüglern zugesellt und war, wie die wenigen Heimkehrer berichteten, welche die Gemetzel im heiligen Land überlebt hatten, dem Blutdurst und der Vielweiberei verfallen, Angewohnheiten also, die nicht unbedingt den christlichen Tugenden zuzurechnen sind.

Diese Umstände versetzten König Abgus, Herrscher über das Reich Waterkant, in arge Beunruhigung. "Die Suche nach dem heiligen Gral - jener Schale, die das Blut Christi aufgenommen hat - ist zu einem Blutbad geworden; die Nachfolger des heiligen Georg stürzen Jungfrauen in desto größere Not, je zahlreicher sie deren Errettung ins Werk zu setzen trachten; die Nachfolger des heiligen Martin würden wohl gar den Bettler teilen statt des Mantels."

Die edle Gesinnung der Vorfahren, ihre Sittenstrenge und ihr Idealismus mußten wieder in ihr Recht eingesetzt werden. König Abgus wählte die schäbigsten Stücke aus seiner Kleiderkammer und die ärgste Schindmähre aus seinem Stall, um unerkannt durchs Land zu ziehen und die richtigen Gesellen für seine Runde zu finden; Männer von edlem Geblüt und vom alten Schrot und Korn.

 

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