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meine Tiere

An der Piepe, Überbleibsel der früheren Stadtbefestigung, siedelt seit vorigem Jahr ein Paar Wildgänse und zieht seine Jungen groß, bzw. Jungen und Mädels, um korrekt zu sein, obwohl das bestimmt auch nicht korrekt ist, aber da kenn sich heute noch Jemand_in aus. Wie dem auch sei, Ende April hatte ich die Familie gesichtet, die Gänschen mit grotesk langem Hals und überlangen Beinchen im Verhältnis zum Körper, und noch im Flaum; inzwischen sind sie beinahe volljährig, aber ich hatte die Familie seit zwei Wochen nicht mehr an der Piepe gesehen. Dagegen waren mir an der kleinen Weser und am Werdersee mehrere Familien Wildgänse aufgefallen, die im vergangenen Jahr noch nicht da waren, und ich vermutete "meine" Sippe darunter.

Gestern jedoch sichtete ich sie wieder auf der Piepe dümpelnd, und einer der Elternvögel hob sich vom Wasser, um fünzig Meter weiter mit Bugwelle zu landen, was ich mehr nebenbei registrierte. Aber dann: zwei Blesshühner stürzten auf die Gans zu und trieben sie unter Gekreisch und Flügelschlagen bald hier-, bald dorthin, bis eine zufriedenstellende Distanz erreicht war. Nun entdeckte ich, was mir vorher entgangen war; auf dem Wasser paddelte ein halbes Dutzend schwarzer Flausche, und die Eltern hatten instinktiv auf die Nähe der um ein mehrfaches größeren Gans reagiert, obwohl von der doch gar keine Gefahr ausging. Naja, sicher ist sicher. Das hätten die Gänse umgekehrt auch nicht anders gemacht.

Den Menschen ist derselbe Instinkt zueigen; sie schlagen sich für ihre Kinder, wenn es sein muß. Sie sind heutzutage aber auch feige und schlagen sich für ihre Kinder in Angelegenheiten, die nur sie selbst und bloß angeblich ihre Kinder betreffen. Deshalb liebe ich die Tiere. Mögen sie in ihrer Wahrnehmung auch beschränkt erscheinen, sie sind immer ehrlich, sie können gar nicht anders. Den Leuten gilt das als dumm, aber auf was fallen die alles herein.

Spätestens seit den Anschlägen des 11. September wächst die Polarisierung in dieser Welt - Motto: "wer nicht für mich ist, ist gegen mich" - , Frustrationen türmen sich auf, kritische Vernunft ist in Reservate abgedrängt, kurz, die Gesellschaft ist ein Schnellkochtopf ohne Ventil geworden, der über kurz oder lang explodieren wird, und das macht uns allmählich verrückt; den einen mehr, den anderen weniger. Aber das ist allgemein bekannt. Welche Auswirkungen der Dauerdruck jedoch auf Flora und Fauna hat, ist nicht einmal in den aufgeklärteren Zirkeln der Blogosphäre Thema. In den letzten Tagen hatte ich zwei alarmierende Erlebnisse und fordere deshalb dringend, das Schweigen zu beenden. Was war geschehen?

Beim Spaziergang am Sonntag sah ich zwei sich balgende Hunde, die Frauchen im Gespräch dabeistehend. Arglos näherte ich mich der Gruppe, als einer der beiden Kläffer mir zwischen die Füße stürzte und gezielt alle Ausweichversuche torpedierte, so daß er mit einem Ohr gegen meinen Schuh stieß. Ich begann noch den Satz zu denken: das wird ihm hoffentlich eine Lehre sein, als er rüde hinter mir her bellte und auch durch die geschickt gewählte Insinuation: "du Schlaumeier" nicht zur Besinnung zu bringen war.

Jedoch war dies noch die harmlosere der beiden Begegnungen. Denn heute morgen flog aus einem Vorgarten eine Amsel, hinter einem Busch hervorsausend, wo sie auf der Lauer gelegen hatte, direkt auf mich zu, und nur durch instiktives Zurückreißen von Kopf und Oberkörper konnte ich dem unausweichlich scheinenden Zusammenprall entgehen. Die Amsel, soviel bekam ich im Weiterfahren noch mit, flog eine scharfe Kurve und warf sich in den Autostrom der rush hour, offenbar um dort ihrem Amoklauf bzw. -flug den krönenden Abschluß zu verleihen. Dann war sie aus meinem Gesichtsfeld verschwunden und der Verkehrslärm übertönte alles, was eventuell Aufschluß über die weiteren Ereignisse hätte geben können.

Nun sehe ich auch die Ente auf dem heißen Blechdach mit anderen Augen. Vergessen wir außerdem nicht die allergieverbreitenden Bäume und Gräser. Dazu randalierende Rüden, amokfliegende Amseln - was muß denn noch passieren, bis wir endlich die Zeichen der Zeit erkennen?!

Im Zoo herrscht wieder Ruhe: Die Gazelle ist von ihrem hohen Ross herabgestiegen und lässt sich die statistische Nähe zu den übrigen Säugetieren gefallen, ob Reh oder Ren, Puma oder Panther, Schimpanse oder Schnabeltier. Alle Tiere haben sich in ihren Familien eingefunden und dort nach weiteren Merkmalen unterteilen lassen; Merkmalen wie eierlegend, behaart und milchgebend, um nur einige zu nennen. Auch nicht zu verachten sind die Beine. Bevor jetzt jemand "Die Beine von Dolores" anstimmt oder trällert "Wenn die Elisabeth nicht so schöne Beine hätt", denke er mal an die Kniekehlen der schönen Beine, das wird ihn abkühlen.

Weiter also: der Kenner unterscheidet Oktopoden, Hexa-, Penta-, Tetrapoden sowie Zweibeiner, zu denen auch der Mensch gehört, aber nicht nur er, denn dies ist vor allem die Domäne der Vögel, die zwar vier Extremitäten ihr Eigen nennen, aber eben nur zwei Beine. Unter den Säugetieren gibt es nicht nur Zwei- und Vierbeiner, sondern auch beflosste Zeitgenossen wie den Schweinswal oder den Seelöwen, der im übrigen ebenfalls den Zweibeinern zugerechnet wird und sogar in der Kategorie der Schwanzträger auftaucht. Man sieht, je nach gewähltem Kriterium erreicht man völlig unterschiedliche Verwandtschaft, die wie im wirklichen Leben zu Verwirrung Anlass geben kann. Das Schnabeltier zum Beispiel legt zwar Eier, ist aber kein Vogel oder Fisch oder Insekt. Der Delphin hat Flossen und ist doch kein Fisch. Das alles berührt den Pentapoden nicht, der auf des Meeres Grunde lebt und bei welchem irgendwie nicht ganz klar ist ... Arme ... Beine .. Kopf .. was für ein Schlamassel!.

Gestern begann ich eine neue Programmierung zu testen, nennen wir es mal eine Ähnlichkeitsmessung. Hundert ausgewählte Tiere (Säuger, Fische, Vögel und so weiter) waren in der Testdatei nach verschiedenen Merkmalen klassifiziert (pelzig, gefiedert, eierlegend, säugend etc.). Insgesamt waren die Ergebnisse durchaus sinnvoll, denn es wurden Gruppen verwandter Arten gefunden, aber die Antilope: nicht daß sie in der Gesellschaft von Fischen oder Vögeln gelandet wäre, das nicht, aber sie wollte unbedingt für sich bleiben, egal was ich versuchte.

Ich kann ja verstehen, daß sie nicht mit Bär, Puma oder Wolf zusammensein mag, und auch ein gewisser Widerwille gegen Rind oder Ziege ist durchaus verständlich; daß sie aber auch die Giraffe verschmäht, kann ich nicht mehr nachvollziehen. Es sei denn - es sei denn sie will sich par tout nicht computerisieren lassen und stellt sich auf die Hinterbeine, das bockige Biest!

Natürlich: Enten, die bekanntlich zu meinen Lieblingstieren zählen. Ich will die hier nicht alle aufzählen, die Liste meiner Lieblinge im Tierreich ist lang und enthält sogar Wespen. Jawohl, Wespen. Also gut, ich erzähl das mal eben. Als ich meine erste Wohnung bezog, hatte ich noch eine diffuse Angst vor den Biestern, als würden die aus heiterem Himmel unmotiviert zustechen. Und dann neigen die ja auch zur Zudringlichkeit, fallen über Limonade und Kuchen her und krabbeln in Mundwinkel, wenn sie dort Essbares wittern. In jenem warmen September kam eine Wespe vom Balkon hereingesurrt und sah sich bedächtig in allen Winkeln meines Wohnzimmers um. Und wie sie mit ihren Fühlern alles betastete, begriff ich, daß Neugier die Kraft hinter der vermeintlichen Zudringlichkeit ist. Seitdem habe ich Respekt, jedoch keine Angst mehr. Obwohl mich später sogar mal ein Viech in die Unterlippe gebissen hat, wirklich wahr! Von Enten bin ich hingegen noch nie gebissen worden und sie rangieren selbstverständlich höher auf der Liste. Außerdem hören die zu, wenn man ihnen etwas sagt.

Von meinem Küchenfenster sehe ich auf das Flachdach eines Anbaus des Handwerkbetriebes in der Nachbarstraße. Und wie stets in den letzten Jahren nächtigte dort ein Entenpaar, trieb sich auf den Hinterhöfen herum und - wird sich doch einen anderen Platz für den Nestbau suchen. Wie sollten denn die Küken, wenn es soweit ist, auch zum keine zehn Flugsekunden entfernten Wasser gelangen? Schwimmen können die sofort, aber eben nicht fliegen. So freue ich mich einfach wieder über diesen kurzen Besuch und denke an die Geschichte, die mir vor Jahren ein Kollege berichtete. Eine Ente hatte den Balkon seiner Wohngemeinschaft als geeignet zum Brüten befunden und nistete nun dort (vom Balkon hat man Blick auf einen Überrest des früheren Stadtgrabens). Er und seine Mitbewohner gaben ihr hier und da ein paar Brocken Essen und überlegten, wie das weitergehen sollte: wenn die Küken geschlüpft wären. Als es soweit war, verfrachteten sie die gelben Flausche in einen offenen, ausgepolsterten Karton und marschierten - die Entenmutter mittenmang - die Treppen hinunter zur Straße, bogen um die Ecke, ließen die Küken aus dem Karton und verabschiedeten die Mutter mit den Ihren in Richtung Gewässer. Der Gang die Treppe hinab muß ein Bild für die Götter gewesen sein. Das Erstaunliche ist, daß die Ente ihre Küken in Menschenhand gab - welch ein Vertrauen gehört dazu.

sah ich neulich wieder, in Liebeshändel verstrickt. Die Menage a quack hat offenbar die Jahre nicht überdauert. Schade, sicherlich, aber hinsichtlich persönlicher Vorteilsnahme durchaus up to date.

Erwache ich am Morgen vor dem Weckerklang
umweht mich vom Balkone her der Amsel Sang
Sie flötet, wispert, tiriliert und singt
daß Einklang mit der Welt mein Herz durchdringt
und solcherart in Harmonie geborgen
umfängt mich Schlaf, fern sind die Sorgen

Die Amsel ihrerseits kennt Sorge nur des Augenblicks
für sie sorgt die Natur
Liegt darin nicht der Ursprung allen Glücks?
- ich frag ja nur

Das Krokodil tut seine Absicht kund
voll spitzer Zähne klafft der Mund

krokodil

Das Nilpferd seinerseits jedoch
beißt in das Krokodil ein Loch

nilpferd




Da sitze ich im Büro und klappere auf den Tasten, Aufgabe um Aufgabe der knochentrockenen Programmierung abhakend, und höre alle paar Minuten ein freundlich-lebhaftes Gezwitscher. Ganz nebenbei sehe ich mal auf den Hof, und aha! da sitzt ein kleiner schwarzer Vogel mit geschweller Brust auf der Dachkante und flötet und trällert. Ich arbeite weiter, höre aber genauer hin. Das Gezwitscher kommt aus mehreren Kehlen, das ist eindeutig, und nun ist mir auch klar, daß es Stare sind, was mein nächster Blick nach draußen bestätigt. Und wieder zwitschert es fröhlich-freundlich und ansteckend heiter; das müssen Eltern und Kinder sein, die sich da offensichtlich mit Zuneigung unterhalten. Das rührt mich und ich ernenne sie zu meinen Superstars. Dachte ich doch wirklich, Stare krächzen bloß so rum - was für ein erfreulicher Irrtum!

Sie sind wieder da! Nämlich die drei Unzertrennlichen, die ich im vergangenen Jahr erstmals gesehen hatte; Herr und Frau Stockente und seine Merkwürden v. Weißfeder. Immer noch zu dritt und immer noch unzertrennlich, da ist mir gleich warm ums Herz geworden. Doch weshalb ist v. Weißfeder staturell, größen- und schnabelmäßig eine stockgewöhnliche Stockente, hat aber ein weißes Gefieder? Plötzlich wußte ich es: v. Weißfeder ist eine Schnee-Ente.

 

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