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schrieb jemand in einem Tweet zur aktuellen Wahl in Bremen. 51 Prozent Wahlbeteiligung bedeutet, daß selbst eine Allparteienregierung den Auftrag des Wählers nur zur Hälfte bekommen hätte. Die andere Hälfte jedoch, was will sie? Sie sagt es nicht, aber offensichtlich hat sie von der ganz alltäglichen Verlogenheit im öffentlichen Raum die Schnauze gestrichen voll. Und deshalb leben wir in einer Demokratie mit ohne Volk, wie man heute sagt. Wie man heute hört, erklären alle Spitzenkandidaten, daß sie aus dem einen oder anderen Grunde durchaus gewonnen hätten. Daraus ergibt sich unschwer die Prognose, daß die Wahlbeteiligung in Zukunft immer noch niedriger sein wird. Was dann? Ganz einfach: wenn das Volk weg ist, braucht man auch die Demokratie nicht mehr.

Wenn die studierten Linken im gehobenen Alter in ihren gemütlichen Wohnungen von der Zeitungslektüre aufblicken un durchs Fenster in die rauhe Wirklichkeit ihres Gartens schauen, mag sie wohl Abenteuerlust befallen. Dann malen sie sich aus, wie es wäre, einer dieser Unterprivilegierten im täglichen Kampf des Lebens zu sein, und schon beschleichen sie wunderliche Gedanken.

"Wenn ich nicht als Schlepper arbeite, als was dann?" beginnt deshalb eine wohlvertraute Litanei, in der Sujet und Protagonisten nach Bedarf eingesetzt werden, die aber immer darauf hinausläuft, daß Armut und Not keine andere Wahl lassen, als kriminell zu werden. Der imaginäre Schlepper in dieser Geschichte ist ein arbeitsloser Fischer, der die aussichtslosen Alternativen zu seinem Gewerbe mit gelegentlicher Todesfolge aufzählt. Dann allerdings wären bereits hunderttausende im Hartz IV-System gefangener Deutscher zu Verbrechern geworden, und was würden die Linken wohl sagen, wären sie von diesen Hoffnungslosen überfallen und ausgeraubt worden.

Beginnen wir aber mit dem Anfang und stellen fest, daß die Sprachregelung "Flüchtling" politisch, religiös oder rassistisch Verfolgte in einen Topf wirft mit Menschen, die drei- bis achttausend Euro für eine Schiffspassage übers Mittelmeer zur illegalen Einwanderung hinblättern können. Als weißem wohlhabenden Europäer (statistisch gesehen hat jeder Deutsche ein Vermögen von rund hunderttausend Euro) stehen mir jährlich nicht einmal viertausend Euro zur Verfügung, auf dem Papier knapp vierhundert monatlich. Das reicht zum Leben, und sonst nichts. Neue Kleidung? Ein Problem. Medizinische Versorgung? Verdammt teuer. Urlaub? Ausgeschlossen. Restaurant, Kneipe, Theater, Kino, Konzert, Bücher, Disco - vergiß es. Diese Gruppe Flüchtlinge stammt wohl nicht aus den Reihen der Arbeitslosen, der ihres Landes Beraubten, der vom Krieg um Hab und Gut gebrachten. (Wer diese Leute sind und weshalb sie den Schleppern das nötige Geld bezahlen können, ist eine andere Geschichte)

Der Transfer über das Mittelmeer ist kein Transfair, sondern ein Riesengeschäft. Zweihunderttausend Passagiere im vergangenen Jahr bei durchschnittlich fünftausend Euro Fahrpreis ergibt eine flotte Milliarde Einnahmen. So etwas wird vom organisierten Verbrechen kontrolliert, daß sich Schutz bei Politik und Behörden kaufen kann und nur zuverlässig Kriminelle beschäftigt; der arbeitslose Fischer der Geschichte müßte also erst den Nachweis antreten, daß er fürs Gewerbe taugt. Für das kommende Jahr werden bis zu einer Million Passagiere erwartet und damit ein Geschäftsvolumen von fünf Milliarden Euro, wer fragt bei soviel Geld auf Seiten der Schlepperorganisationen noch wegen ein paar tausend ertrunkener Menschen.

Besagte Linke aber lehnen sich, nach dem sie Geschichten wie die erwähnte der Veröffentlichung zugeführt haben, zufrieden zurück, trinken vielleicht einen Transfairkaffee und suchen im "Kapital" von 1867 nach der Stelle, die so gut auf die Bankgeschäfte von 2015 paßt. Abends bekommen sie eine Mail, daß wieder eine Veranstaltung Ewiggestriger geplant sei und empören sich noch ein bißchen vor dem Schlafengehen. Am nächsten Tag, mit etwas Glück, erwartet sie ein neues Abenteuer.

Oder ein Zeitungsartikel, der das Vordringen von Hooligans in deutschen Stadien beklagt, die alle Fortschritte, welche die Fankultur den antirassistischen Ultras verdankt, rückgängig machen wollen und die ebendiese Ultras auch tätlich angreifen. Da ist die Welt dann wieder in Ordnung, denn man hat wohl gehört und gelesen von jenem youtube-Video, in dem zu sehen ist, wie zehn Ultras auf einen einzigen Hooligan eindreschen und war ein wenig verunsichert. Aber wenn die Hooligans so gefährlich sind...

2015 ist das goldene Jahr für die Hersteller von Rauchmeldern: beharrliche Lobbyarbeit hat uns letztlich ein Gesetz beschert, daß die Installation von Rauchmeldern in sämtlichen Wohnungen zwingend vorschreibt. Ein Gerät im Flur, eines im Schlafzimmer, das ist das Minimum, Kinder- und Gästezimmer können hinzukommen (seltsamerweise sind Keller und Dachböden außen vor). Sinnvollerweise - sofern man dieses Wort in diesem Zusammenhang verwenden mag - wird weder in Küche, Bad und Wohnzimmer gerauchmeldet, denn es wird gekocht, gedampft und evtl. geraucht.

"Was nützt mir denn ein Rauchalarm, wenn es bei mir brennt?" wird mancher fragen. Und "was nützt ein Alarm, wenn es nicht bei mir brennt, ich aber nicht weiß, wo es brennt?". Und auch "was nützt der Alarm, wenn er in der Nacht losgeht und ich desorientiert bin und erst recht nicht weiß, wo es brennt, solange ich keine Flammen sehe?" Berechtigte Fragen allesamt. Die meistgestellt Frage wird in Zukunft aber sein: "Was nützt mir ein Rauchalarm, wenn es nicht brennt, aber niemand das Gefiepe abstellt?"

Denn vorhin fiepte erstmals in der Nachbarschaft so ein Terrorteil los und hörte nicht wieder auf. Vom hofseitigen Fenster aus sah ich Nachbarn ebenso ratlos aus ihren Fenstern schauen wie ich selbst. Das Fiepen ging weiter, weithin hörbar. Keine Sirenen der Feuerwehr, kein Rauch, keine Rufe - nur immerzu das Fiepen, zwanzig Minuten lang, bis endlich irgendwer das Ding ruhiggestellt hat.

Als Lehre aus diesem Ärgernis habe ich einen Plan entwickelt, was ich anstelle, wenn eines meiner Geräte Fehlalarm schlägt. Das ist recht einfach: als erstes versuche ich, den Schalter am Gerät zu erreichen (Alte, Kranke, Behinderte und kleinere Kinder haben da schonmal ein Problem, denn die Dinger sind unter der Decke angebracht), sollte das nicht zum Erfolg führen, das Gerät aufschrauben und deaktivieren (noch mehr Probleme für die Genannten), und schließlich Zerstörung mittels gezielter Hammerschläge bis das Fiepen aus ist (Probleme über Probleme).

Und so werden wir uns angewöhnen, auf Gefiepe in der Nachbarschaft nicht zu reagieren, so wie wir es längst bei dem Gejaule von Einbruch"sicherungen" bei Autos praktizieren. Die Welt wird nicht sicherer, dafür umso lauter.

Den Inhabern und Anteilseignern von Herstellerfirmen solcher Rauchmelder aber rate ich, schleunigst umzusatteln, denn nie wieder werden sie in dieser Branche ein auch nur annähernd gutes Geschäftsjahr erleben wie 2015.

Nachtrag 21:30 - es fiept seit weiteren 20 Minuten. Fast wünscht man sich, es möge tatsächlich brennen.

Als ich heute bei SpOn die Schlagzeile "Zahl der Arbeitslosen sinkt unter Drei-Millionen-Marke" las, fragte ich mich nur, welche Schweinerei wohl dahinter wieder stecken mag und las weiter, dazu gleich mehr. Danach erinnerte mich an die Versprechungen eines Florian Gerster (wer sich seiner überhaupt noch erinnert, spuckt aus), mit der neuen Sozialgesetzgebung (als "Hartz-Reformen" bekannt geworden) werde man die Arbeitslosigkeit binnen dreier Jahre halbieren. In Zahlen: bis Sommer 2005 von vier auf zwei Millionen Arbeitslose reduzieren. Dreist gelogen, damit das Volk die bitteren Pillen schluckt! Drei Millionen Arbeitslose im Jahre 2015, trotz aller Maßnahmen, Buchungstricks und Statistikmauscheleien, das ist die Realität, wobei ich das Thema Niedriglohn noch völlig ausspare.

Aber jetzt endlich weniger Arbeitslosigkeit? "Nach Berechnungen von Konjunkturforschern wird [blablabla] unter drei Millionen sinken." Nach dem Konsumklima-Index, der Monat für Monat bejubelt wird, weil steigend, während die realen Umsätze im Einzelhandel bestenfalls stagnieren, meistens aber rückläufig sind, nun ein Erwerbsklima-Index? Das ist wohl die Zukunft: da in Wirklichkeit alles mies ist, außer den Geschäften der Eliten (elitär kriminell, wenn ihr mich fragt), werden eben Prognosen als Wirklichkeit in den Medien ausgerufen.

Da ist noch viel Spielraum für Kreative. Weshalb nicht einen Lohn- und Gehalts-Index, der steigende Einkommen für alle suggeriert, wo die realen Erhöhungen bestenfalls die Inflation im täglichen Bedarf ausgleichen? Oder einen Friedens-Index, der das baldige Ende von Kriegshandlungen ausruft, während mehr Truppen und Gerät in etwas geschickt werden, das sich immer deutlicher als dritter Weltkrieg entpuppt, dessen Beginn Historiker einmal auf den 11. September 2001 datieren werden. Und ich schlage einen weiteren Kennwert vor, der propagandistisch von großer Bedeutung ist, da es ihn gefühlt bereits gibt, und der beständig steigt: den Rassismusklima-Index, der über kurz oder lang ausweisen wird, daß wir ein Volk von Rassisten sind.

Freilich ist das alles kein Grund zur Besorgnis, denn die Verfassung garantiert uns Meinungsfreiheit. Schade nur, daß wir sofort niedergeschrieen, -geschrieben und -gesendet werden, sobald wir davon anders Gebrauch machen, als die "marktkonforme" Demokratie erlaubt. Schade auch, daß die linke Szene sich mehr und mehr vor diesen Karren spannen läßt wie der Esel, dem der Kutscher eine Mohrrübe vor die Nase hält.

Der Regisseur Anthony Mann hat gerade in den 50ern zahlreiche Western gedreht, die ins melodramatische Fach fallen, weshalb ich nur „Fernsehen“ sage, denn dort hat das Melodram den perfekten Platz, als unauthentische Gefühlsduselei im unauthentischen Medium schlechthin. Der beste dieser Western scheint mir „Winchester 73“ (von 1950) zu sein, in dem James Stewart einen zerrissenen Charakter spielen kann, dessen Story aber überzeugender ist als in vielen folgenden Mann-Western, die sich viele Freiheiten mit der Logik und Folgerichtigkeit herausnehmen. Diese Filme haben eine Botschaft, was in „The Tin Star“ (diesmal mit Henry Fonda) schon an die heutige political correctness grenzt. Nur war es in den 50er Jahren in den USA ein Fortschritt, nicht auf Indianer und Neger herabzusehen, sondern ihnen eine eigene Würde zuzugestehen. Dieser Fortschritt hat allerdings nur zu fortschreitender Verlogenheit geführt anstatt zu mehr Verständnis - Rassenunruhen sind nun einmal authentischer als verkrampftes Liebgetue: erstere spiegeln die ungeschminkte Wahrheit, letzteres ist verkapptes Herrenmenschentum.

Immerhin ist es komisch zu sehen, wie später berühmte Schauspieler in den 50er Jahren ihre ersten Film(neben)rollen hatten, z.B. Anthony Perkins als Aushilfssherrif in „The Tin Star“, dem beim Üben des eleganten Coltdrehens die Waffe aus der Hand poltert, oder Rock Hudson (als Häuptling Kleiner Bär) und Tony Curtis (als Blaurock) in „Winchester 73, wo ein gewisser Dan Dureya eine ganz ganz bösen Bösewicht (aber nicht den bösesten) spielt. Es galt immer die Regel, daß der Held umso strahlender (und der Film umso überzeugender) ist, je stärkere der Schurke besetzt wird. Deshalb ist „Liebesgrüße aus Moskau“ der beste James Bond Film; Robert Shaw (der später u.a. der zynische Kutterkapitän in „Der weiße Hai“ und der Bandenführer in „Pelham 123“ war) verkörpert überzeugend tödliche Gefahr.

Und „Winchester 73“? Hätte eine Variation der Geschichte von Kain und Abel sein sollen, blieb aber an der spektakelnden Oberfläche und konzentrierte sich auf die Rache einer Blutschuld, die James Stewart nach einem bilderbogenhaften Querschnitt durch den wilden Westen des Jahres 1876 endlich eintreiben durfte. Ach, wenn die schlechten Menschen doch immer tödlich getroffen von schroffen Felsen herabstürzen würden! Leider gibt es das nur im Melodram. Aber irgendwie auch schön, daß es immer Bösewichte gibt, die man als guter Mensch guten Gewissens totschießen darf. Oder verbrennen. Oder steinigen. Oder. Oder. Oder?

 

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