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Als Kind mochte ich Silvester und mochte es auch wieder nicht: mitten in der Nacht wurde ich geweckt, schlich bibbernd und schlaftrunken ins Wohnzimmer, wo das Fest dann allerdings die Unbill gestörten Schlafes aufwog. Drei Reihen selbstgefertigter Wimpel schwangen quer durch die Stube und kreuzten sich unterm Kronleuchter, Papierschlangen hingen herum, Konfetti lag verstreut auf Tisch und Teppich, kecke Hütchen warteten darauf, unsere Häupter zu schmücken, Knallbonbons wurden gezogen, ich durfte Eierlikör probieren (dessen leicht bitteren Nachgeschmack ich nicht mochte), gegessen wurde Klaben und Hering, was weder das eine noch das andere enthielt, wir machten ein Spiel, um Mitternacht wurden die letzten Sekunden mitgezählt und noch vor den Domglocken setzten die Hörner der Schiffe im Hafen ein, wir stießen an, wünschten uns ein "frohes neues Jahr!" und schließlich begab man sich auf die Straße, wo sich alle Nachbarn versammelten und dem Feuerwerk beiwohnten, das allenfalls eine halbe Stunde währte, man aß noch ein wenig, trank noch ein Glas - und aus, ab ins Bett, das war's.

Das Geknalle gefiel mir nicht, übersensibel wohl, zu empfindliches Gehör oder was, jedenfalls erschrak ich bei jedem lauten Knall. Erst mit zehn zündete ich meinen ersten Kracher, und damit begann allmählich meine Rabaukenzeit. Der Nachbarsjunge, der (wirklich!) Jens Bollhorst hieß, böllerte schon mit 6 Jahren und hatte, wie sein Vater stolz sagte, gar keine Angst. Herr Bollhorst sah mich dabei ein bißchen schief an und fragte sich wohl, wie aus diesem ängstlichen Knaben mal was Richtiges werden sollte. Da hatte er vollkommen recht, denn meine spätere Männlichkeit war in der Hauptsache aufgesetztes Getue, das ich allmählich auch wieder sein ließ, ebenso wie das Geknalle.

Freude hatte ich aber wenigstens an Heulern, Matten, Gold- und Silberregen, Vesuv und bengalischen Hölzern. Und Knallerbsen. Knallerbsen finde ich immer noch gut. Knallerbsen. So nannten wir auch diese weißen, hohlen Beeren die im Herbst an bestimmten Sträuchern hängen und ein mattes "Ploff" von sich geben, wenn man sie auf den Boden schleudert. - Und nu wolln wer mal sehn, was das Volk in diesem Jahr an schönen Raketen in den Nachthimmel schießt. Bei rund hundert Millionen Umsatz sollte der eine oder andere Zeitgenosse auch etwas Edles erstanden haben: das will ich sehen. Der Rest wäre besser Schweigen.
 

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