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Sie haben die Stadt nicht erfunden, auch wenn sich der Libanon gelegentlich damit brüstet, daß Byblos die älteste Stadt der Welt sei. Es ist nachgewiesen, daß an jenem Küstenflecken seit Urzeiten Menschen siedelten, aber eine Siedlung ist noch lange keine Stadt, wie jeder selbst erfahren kann, wenn er mal aus der Stadt aufs Land hinausfährt; dort werden die Siedlungen von Filialen der Sparkasse oder der Raiffeisenbank optisch dominiert, wie die Städte - früher - von Kirchtürmen.

Überhaupt ist "die Stadt" ja gar nicht erfunden worden. Zunächst siedelten Sippen, Clans und sonstige Gemeinschaften in dem, was wir heute Dörfer nennen, verrichteten viele Arbeiten gemeinsam und hatten, was wir heute Dorfschulze nennen würden, wenn es nicht längst Bürgermeister hieße. Mit dem aufkommenden Königtum, so vermute ich, entstanden mehr oder weniger zentrale Stätten, in denen die Herrscher residierten, die die Kräfte des Landes formten, bündelten, besteuerten und regierten (oder bilde eine geeignete Form mit "lassen"), wozu sie Verwaltung und Berater benötigten. Eine Anstellung am Hof des Herrschers war angesehen und brachte der Familie Ehre, Menschen strömten herbei, das Landvolk sorgte für Ernährung, Bäcker buken, Töpfer töpferten, Schreiner schreinerten und Hausbauer bauten Häuser.

Trinkwasser wurde erst bei den Großstädten zum Problem, ich sage nur "Aquädukte"; bis dahin siedelten die Menschen an Quelle, Bach, See, Fluß und Strom. Du glaubst das heute gar nicht mehr - das Wasser konntest du ungeklärt trinken! Uns wurde als Kindern gesagt: trink kein Leitungswasser, davon bekommst du Läuse im Bauch. Damals alles Trinkwasser. Da beneidest du die Einwohner der Antike doch ein bißchen. Und auch wieder nicht: der Umgang mit Fäkalien mußte irgendwie geregelt werden. Der Unterschied zwischen einhundert und fünftausend Einwohnern ist doch gewaltig, da bedurfte es schon antiker Pappenheimer, sonst geriet das Trinkwasser in Gefahr.

Zurück zum Thema. Aus den Küstenflecken am Fuß des Libanon wurden auch Städte: Ugarit (vernichtet), Arwad, Byblos, Beruta (Beirut), Sidon, Tyros und Achsiv (Akka). Davon war Tyros die wundersamste Stadt: um das Jahr 1000 v. Chr. beschloß König Hiram, auf zwei Felsplatten vor der Küste eine neue Stadt zu errichten, vom Festland nur durch Schiffe zu erreichen, so daß im Belagerungsfall sich alle Bewohner der festländischen Stadtteile auf diese Festung im Meer zurückziehen konnten. Zu dieser Zeit begann - durch die Verbindung mit den Seevölkern - der phönizische Handel sich über das Mittelmeer zu verbreiten, Reichtümer in die Stadt spülend, so daß Häuser und besonders Tempel prunkvoll ge- und ausgestaltet werden konnten.

Uneinnehmbar war diese Stadt im Meer aber nicht nur durch die Seeherrschaft der phönizischen Schiffe, sondern weil die - sagen wir mal - Ingenieure einen Weg gefunden hatten, unterseeische Süßwasserquellen vor der Küste mit einem einfachen Verfahren anzuzapfen und so die Wasserversorgung der Einwohner zu jeder Zeit zu sichern: sie fertigten Glocken mit langen Schläuchen, stülpten diese über die Quellen, und der Druck der Quellen trieb das Trinkwasser gen Meeresoberfläche, wo es nur noch aus den Schläuchen aufgefangen werden mußte.

Uneinnehmbar, reich, und von erlesenem Zauber - Tyros wurde viel gerühmt und riß ihre Besucher zu Lobeshymnen hin. Die Häuser hatten bis zu fünf Stockwerke, die Tempel wurden von den Kaufleuten mit Gold und Edelsteinen ausgeschmückt (und dienten damit als Bank), die einzigartige Lage im Meer - Tyros hatte seinesgleichen nicht in der antiken Welt. Der mächtigste Kriegsherr seiner Zeit, der babylonische König Nebukadnezar belagerte von 585 bis 572 v. Chr. die Stadt Tyros. Doch seine Militärmacht war auf das Festland beschränkt, und die Belagerung endete mit einer symbolischen Unterwerfung der Tyrer, die dafür Sonderrechte aushandelten - erobert wurde die Feste nicht.

Als der Makedonier Alexander, genannt "der Große", gen Ägypten vorstieß, wurden die phönizischen Stadtstaaten bestimmt und höflich, mal bestimmter, mal höflicher, aufgefordert, mit dem anrückenden Heer zu kooperieren. Besonders höflich war die Aufforderung an Tyros gehalten. Gerhard Herm: "Nicht erobern wolle er diesen Platz, hatten Alexanders Boten dort erklärt, der König bäte lediglich darum, im Haupttempel seines Stadtgottes Melkart ein Opfer darbringen zu dürfen." Die Antwort der Tyrer auf diese verbrämte Aufforderung zur Unterwerfung war aber unhöflich, daß nämlich Alexander diesen Gottesdienst ebensogut in einem Tempel am stadteigenen Festland verrichten könne.

Alexander fragte sich, aus welchem Grunde die Tyrer seiner Macht die Stirn zu bieten wagten, und kam zu dem einfachen Schluß, daß sie die befestigte Stadt im Meer als für eine Landmacht uneinnehmbar erachteten. "Ein Damm, sagte Alexander der Große zu seinen verblüfften Generalen, werde den Bewohnern von Tyros beweisen, 'daß auch sie zum Festland gehören'." Und so errichtete Alexanders Heer im Jahre 332 v. Chr. in sieben langen Monaten einen Damm vom Festland zur Seestadt, um den sechshundert Meter breiten Streifen Mittelmeer zu überwinden. Das Unternehmen gelang, zusätzlich wurden von den bereits unterworfenen phönizischen Städten Seekräfte angeworben, und Tyros wurde schließlich gestürmt, besiegt, zerstört und zweitausend der Einwohner hingerichtet. Nicht weil Alexander einem Blutrausch verfallen war, sondern um der Welt seine Macht zu demonstrieren: seht her, selbst das uneinnehmbare Tyros habe ich überwunden, und wer sich mir widersetzt, ist des Todes.

Macht manifestiert sich, wie wir wissen, nicht in guten Taten, sondern in Zerstörung. Ein ähnliches Schicksal erlitt Karthago, daß ebenfalls eine ungewöhnliche und gerühmte Stadt gewesen ist, aber deren Geschichte soll in einem anderen Zusammenhang erzählt werden.
 

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