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oder: Weshalb Hollywood mehr Komödien drehen sollte.

Sagen wir es rundheraus: What's up, Doc? (im Folgenden WuD genannt) ist dem legendären Bullit in vielerlei Hinsicht überlegen, selbst im Hinblick auf die Verfolgungsjagd, für die Bullit doch gerühmt wird, aber dazu später mehr. Zunächst möchte ich einige spielfilmspezifische Messgrößen etablieren, als da wären:
Gagdichte Gd - Gesamtzahl der Gags geteilt durch Minuten Filmdauer
Verbrechensrate Vr - Gesamtzahl der Verbrechen durch Minuten Filmdauer
Verstrickungsindex Vi - Gesamtzahl der in die Verbrechen verstrickten Personen zu Anzahl gleichartiger Gegenstände/Personen

Diese Messgrößen beruhen auf zahlreichen und jahrelangen Beobachtungen. Beispielsweise finden Filme mit einem Vi zwischen 3 und 4 mehr Anklang beim Publikum, als Filme mit einem Vi darüber oder darunter, eine offenbar natürliche Grenze. Am schlechtesten schneiden Filme mit einem Gegenstand und zwei verstrickten Peronen ab, vielleicht, weil dies eher als Theater angesehen wird. Die Vr andererseits kann schon mit einem Wert von 1/90 gut leben. Es gibt eine Obergrenze für die Vr, denn spätestens ab zwei Verbrechen pro Filmminute setzt ein Gewöhnungseffekt ein, auch wird ab dieser Grenze ein Film als nicht mehr wahrscheinlich beurteilt. Es gibt zwar für die Gd pauschal keine Untergrenze, doch sollten Komödien zwischen 2/5 und 2/1 liegen; mehr würde womöglich Lachkrämpfe auslösen, weniger das Schlafbedürfnis signifikant erhöhen. Tragödien ohne Gags haben keine Breitenwirkung, wenn überhaupt, Tragödien mit zuvielen Gags werden in der Tendenz mißverstanden. Hier ist 5/90 der Königsweg. Das alles und noch viel mehr ist in meinem Standardwerk "Der goldene Schnitt - Filmtechnik enträtselt" nachzulesen. Aber zurück zum Vergleich.

Selbstverständlich hat die Komödie eine deutlich höhere Gd, das ist nicht der Punkt, sondern der Punkt ist, daß ein Krimi oder Thriller nicht eigentlich eine Tragödie ist und deshalb mit mehr Gags aufwarten sollte. Doch stattdessen verläßt sich Bullit auf spektakuläre Bilder, einen verdächtigen Politiker und die Persönlichkeit des Hauptdarstellers. WuD überrascht - begünstigt durch hohes Tempo im Spiel - mit einer Fülle von Gags und gewinnt in diesem Punkt mit mehreren Nasenlängen Vorsprung.

Kommen wir zur Verbrechensrate. Bei Bullit beginnt es gleich mit einer Schießerei, aber weil niemand was abbekommt, kann man daraus nicht mehr machen als Einbruch, bewaffneter Überfall und illlegaler Waffenbesitz, aber dann hat natürlich jeder ein Alibi, man kennt das ja, also lassen wir das besser fallen. Und kommen zu dem Mord: Schuß aus Schrotflinte in ein Polizistenknie, mehrere Schrotladungen in den geheimen Zeugen, der nicht geheim genug war und schon bald in das große Schweigen eintritt. Weil die beiden Täter sich an Steve McQueen ranhängen, nimmt er die Gelegenheit wahr, die Beiden seinerseits zu jagen, und zwar satte 11 Filmminuten lang, doch dazu später mehr. Nicht im Bild wird die Freundin des Zeugen abgemurkst, und zwar vom Zeugen selbst (Doppelgänger!), der seinereits auf dem San Francisco Airport den Abflug macht. Das war schon alles.

Und WuD? Da picke ich nur die Szene vor Gericht heraus, also nicht mehr als die offiziell anerkannten Verbrechen: illegale Einwanderung, Gewässerverschmutzung, Kraftwagendiebstahl, Bedrohung mit Schußwaffen, illegaler Waffenbesitz, Entführung und sexuelle Belästigung. Da haben wir eine breite Palette menschlicher Monstrosität vor uns. Vielseitigkit triumphiert.

Wie ist das nun mit dem Vi? Bullit: drei Polizisten, zwei Vorgesetzte, ein Politiker, zwei Freundinnen und zwei Gangster auf einen Geheimzeugen und dessen Doppelgänger macht genau 3.5, ein vernünftiger Wert. WuD: vier Taschenbesitzer, eine Ehefrau, eine Barbra Streisand, zwei Hotelangestellte, zwei Musikologen, drei Gangster, zwei Agenten auf vier gleich aussehende Reisetaschen macht 3.75 - das ist besser! und damit steht es 0:3 gegen Bullit.

So. Die Verfolgungsjagd. Drei Automobile jagen erst ein Lieferfahrrad, dann einen chinesischen Drachen, schließlich einen VW Käfer, und alle gemeinsam in die Bucht von San Francisco; zerstört werden ein VW-Bus, eine Glasscheibe und ein Baldachin (WuD). Dagegen jagt ein Ford Puma Mustang einen Dodge Charger, der mehr Radkappen verliert, als Räder am Wagen sind (ein satter Bonuspunkt!), das Überholen eines grünen VW-Käfer wird aus vier verschiedenen Perspektiven gezeigt, ist aber ein und dieselbe Szene (weg ist der Bonuspunkt), der Dodge schrammt zweimal die Leitplanken, ein Motorrad schlittert durchs Bild, finaler Crash des Dodge in einer Tankstelle. Soweit ein Unentschieden. Aber Bullit zeigt weniger Stadtteile, dafür mehr Highway (das ist ein Nachteill!), weniger Menschen (Chinesen!) und Tiere (Möwen!) als WuD. Vorteil WuD.

Schließlich, das wird Produzenten besonders interessieren, die Kosten. Allein die Tankstelle in Bullit hat mehr gekostet als die komplette Spur der Verwüstung in WuD (inklusive eines angekokelten Hotelzimmers), welch letztere uns die Juwelenbesitzerin (Reisetasche Nummer vier) im Einzelnen vorrechnet, ich will nur die Endsumme nennen (die von Barbra Streisand bestätigt wird): 19950 Dollar!

Da muß ich abschließend konstatieren, daß man für weniger mehr bekommt und Hollywood in jeder Hinsicht gut beraten ist, mehr Komödien zu drehen. Wer weiß, am Ende könnten sogar die Eintrittspreise der Kinos gesenkt werden, und da käme zum Vergnügen noch die Freude hinzu.
 

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