1968
aus aller Welt
ballaballa
Beobachtungen in der Natur
charmsing
deutsche kenneweiss
Dicki TV
Dickimerone
Dickis Reisen
die kleine Anekdote
dirty old town
Empfehlung
Erwins Welt
Eugen
in eigener Sache
Java
... weitere
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren
icon

 
Gestern wählte ich für den Heimweg die Route durch den Stadtwald, stieg bei dem kleine See vom Rad, steckte mir eine Zigarette an und schob am Ufer entlang, Schwärme daumengroßer dunkler Fische betrachtend. Ein Ehepaar Ende Fünzig kam mir radelnd entgegen, und der Mann sagte ermahnend: "Aber gut aufpassen mit der Zigarette!" - "Ja", erwiderte ich in meiner schlichten Art. - "Ja, aber wirklich aufpassen, wegen der Waldbrandgefahr!" - "Ich weiß, wie man sich im Wald zu verhalten hat", sagte ich ihnen, die mich mittlerweile passiert hatten, hinterher.

Der Mann hatte mich fast unentwegt angesehen und war dabei vom Kurs abgekommen, kollidierte mit seiner Frau und es folgte, was sich nicht angemessen beschreiben läßt, deshalb nur kurz angedeutet sei: In dem Bemühen, einen Sturz zu vermeiden, suchte er mit einem Bein Halt am Boden, aber die Balance war verloren; zunächst er, dann sie, kippten sie mit den Rädern, sanken, knieten, glitten nieder; er fand sich mit beiden Beinen im See stehen wieder, als seine Frau noch kämpfte, aber schließlich doch, nach einem letzten Moment des Ringens um Einhalt, mitsamt Rad in den See purzelte; all das in einer quälend langsamen Abfolge hilfloser, aber unverzagter Bewegungen bis zum nassen Ende. Ich stellte mein Rad ab, ging zu den Unglücksraben und half gemeinsam mit dem Mann der Frau aus dem Wasser, um dann auch ihr Rad zu bergen.

Da standen sie beide, pudelnass, mit alten Blättern, Halm und Schlamm verziert, nach Moder riechend; aber sie bedankten sich für meine Hilfe und schienen weiter nicht Schaden genommen zu haben, also ging ich meiner Wege. Fünfzig Meter weiter hatte ein Mann auf einer Parkbank das Geschehen mit breitem Grinsen verfolgt. "Wie im Film", sagte er amüsiert und schadenfroh. - "Besser." Er hatte schon recht, aber ein solch unentschlossenes, lahmes und linkisches Hinfallen kann auch der beste Schauspieler nicht spielen. Allen Gegnern des Rauchens aber sei gesagt, daß vier Menschen durch das Rauchen einer einzigen Zigarette zu einem bewegenden Erlebnis gekommen sind, was das Nichtrauchen auch von tausend Zigaretten niemals leisten könnte.

Die neue Rechtschreibung, gemeinhin so schlecht wie die Produkte einer Hand voll unbegabter Falschmünzer, kann unverhofft erhellend sein: "Barras' Regierungszeit [1795-99] war eine Periode, die sich in Käuflichkeit und Korruption auszeichnete wie keine andere in der französischen Geschichte. [...] Der soziale Wandel vollzog sich in Schwindel erregendem Tempo".

in der Version der Glenn Miller Band wirkt heute nicht mehr so aufregend wie zur Zeit des Bigband Jazz, wie könnte es auch, die musikalische Entwicklung ist weitergegangen, aber es ist immer noch feine Musik. Und feine Musik war es auch noch 1978, als die Schmetterlinge Ende November in der Bremer Stadthalle gastierten und Ausschnitte aus ihrer "Proletenpassion" spielten, dazu manch Anderes aus ihrem Repertoire, und eben "Tuxedo Junction", natürlich nicht im Bigbandsound. Als einziges Blasinstrument hatten sie eine Querflöte. Also spielten Bass, Schlagzeug und E-Piano (soweit ich mich erinnere); die gestopfte Trompete (so es denn eine war) wurde vom Gesang übernommen, und der ging so: "Buuuu-back - Bu-back, Buuuu-back - Bu-back", was in einer Zeit, in der man Manches nicht mehr sagen durfte ("Buback - ein Nachruf" war Anlaß für eine der großen Hetzkampagnen jener Tage) und schnell als Symphatisant galt, eine ganze Menge zum Ausdruck brachte.

Wie sich die Zeiten doch ändern! Einige der damals Applaudierenden beteiligen sich nun selbst an Agitation und Propaganda im Dienste der WirtschftWirtschaftÜberAlles, fördern die Indokrination von Schülern und Studenten mittels Unterrichtsmaterialien aus dem Hause Bertelsmann, treiben die Verunsozialisierung der Gesellschaft voran und haben von der Diktatur des Proletariats der Diktatur immer die Treue gehalten. Ihnen sei diese kleine Erinnerung gewidmet.

Als Eugen besonders angeekelt von dem neuen Deustschlandgetue war, kam ihm der Einfall, eine Satire von einem historischen Werk über die Germanen zu schreiben. Daß er über Jene so gut wie Nichts wußte, kam seiner Intention entgegen, und fleißig erfand er die Geschichte neu, in Sätzen wie diesen:

"Wenn die Germanen einmal beschlossen hatten, etwas Bestimmtes zu tun, und sei es noch so abwegig, dann galt das ausnahmslos für Mann und Frau, Jung und Alt, Kind und Kegel. Diese Einstellung war besonders bei den Allemannen tief verwurzelt."

"Die Ubier waren die Ersten, sich vom Metkonsum ab- und der frisch erfundenen Bierbraukunst zuzuwenden, wodurch das Getränk erstens weite Verbreitung und zweitens seinen Namen fand. Der durch Biergenuß hervorgerufene Zustand der Sorglosig- und Großartigkeit überzeugte innerhalb weniger Menschenalter das gesamte westliche und östliche Europa, worauf der angeblich dem Wein so zugetane Goethe mit dem Titel "West-östlicher Diwan" dezent anspielt."

"Wenn die Friesen sich über Fremde lustig machen wollten, gaben sie vor, sich nach Friesen, Westfriesen und Ostfriesen zu unterscheiden. Mit Befriedigung sahen sie die zunehmende Verwirrung in den Gesichtern der Touristen, die man damals freilich noch anders nannte, nämlich Kaufleute, Soldaten oder Missionare."

Eugen fand tatsächlich einen Verlag für sein Werk, und so erschien "Germanias Tugenden. Rückschau und Ausblick" unter dem Autorenpseudonym Knut Mösebart. Doch wehe! Was als großer Spaß gedacht war, wurde von der Kritik humorlos gepriesen und endete als großer Verkaufserfolg. Es dauerte Monate, ehe Eugen nicht mehr von früh bis spät an Freitod dachte. Daß er das überlebt hat!

Eben noch verärgert nachgesonnen, weshalb der C++-Compiler meine elegante Lösung eines Vererbungsproblems rundweg ablehnen mag, fällt mir unvermittelt das Wort Muhme ein. Still, ja ehrfürchtig verharre ich. Muhme, was für ein schönes Wort. Muhme. Welche Ruhe strahlt es aus, welche Sehnsucht weckt es nach einer Zeit, da die Menschen noch Zeit hatten zu sprechen und zu hören. Ruhe selbst hat ja auch diese Ruhe. Ein weiteres schönes Wort ist Signalgast, aber das ist wieder eine andere Geschichte und die Ruhe ist dahin. "Scheiß Compiler!" Nee, die Ruhe ist flöten.

 

twoday.net AGB

xml version of this page

powered by Antville powered by Helma