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Hidden Object Games (HOGs, ein Schwein wer Böses dabei denkt) begannen ihren Siegeszug mit Mystery Case Files - Huntsville, das sich millionenfach verkaufte, im Jahre des Herrn 2004. Eingedeutscht heißt dies Genre "Wimmelbildspiel", was einerseits nicht falsch, andererseits idiotisch ist: weshalb nicht einfach Suchbildspiel? Egal, es entstanden schnell Spielreihen, die MFC variierten, etwa die Little Shop Serie um "Rummysales", oder Dream Day, konsequent kitschig um das Thema Hochzeit angelegt. MCF blieb ein Trendsetter (meiner Meinung nach wäre die Kombination aus den Folgen 3 und 4 das bestmögliche HOG, wegen der irrwitzigen Was-passiert-dann-Türschlösser aus Ravenhurst und der Worträtsel aus Madame Fate) und brachte mit Return to Ravenhurst ein Myst-ähnliches Adventure hervor, dessen Grundausrichtung seither das Genre bis zum Einschlafen dominiert. Dutzende, wenn nicht über hundert Demos habe ich seitdem ausprobiert, und immer geht es um Geister, Spuk, Hexen, Magier und das Böse schlechthin. Das ist dermaßen stereotyp und austauschbar, daß du nur noch auf die Qualität der Graphik und der Rätsel achtest, sonst könntest du diese Teile gleich in die Tonne treten. Selbst das Farbdesign ist nahezu identisch: mystischblau.

Und es kommt noch schlimmer. Im Frühjahr 2010 erschien die erste Demo von The surprising Adventures of Baron Munchausen, dessen zu suchende Gegenstände nicht auf Worten oder Bildern, sondern Assoziationen beruhten - eine Neuerung -, und dessen Geschichte mit der Hinrichtung des Titelhelden begann, oder begonnen hätte, doch jemand aus dem Publikum auf dem Hinrichtungsplatz rief dazwischen, daß der Baron in einer bestimmten Geschichte, aus der die protestierende Person gerettet hervorging, nicht gelogen habe. Daraufhin wurde diese Episode seines Lebens als ein Kapitel des Spiels dargestellt. Am Ende des Kapitels mußte eine Was-passiert-dann-Szene aus den überlieferten Geschichten des Barons gelöst werden, sehr an- und vielversprechend, so sehr, daß ich beschloß, die Vollversion, sobald sie erschiene, zu kaufen. Es kam eine zweite, erweiterte Demo, und dann - eine Weile nichts mehr. Vor einem Jahr dann eine neue Demoversion: die Geschichte war in eine der längst kotzüblichen Böser-Zauberer-Rahmenhandlungen eingebettet, hatte aber immer noch Charme (die Produktionsfirma der ersten Version war vermutlich pleite gegangen). Seitdem - nichts, das Spiel, das einen neuen Trend hätte setzen können, ist sang- und klanglos verschwunden.

Und das bedeutet, daß die Mehrzahl der potentiellen Käufer, an die sich die Demos (Surveys) richten, ihren gewohnten Einheitsbrei haben wollte und will, und daß nur innerhalb dieses enggesteckten Rahmens Variationen möglich sind. Innerhalb dieses Rahmens ist Guardians of Beyond: Witchville mal eine Abwechslung (gute Graphik, gute Rätsel), denn inmitten des üblichen Geisterquatsches entpuppt sich die böse Hexe als eine gute Fee, und daß ich diesen Umstand lobend erwähne, sollte alles über das Genre HOG sagen: es ist zu Tode geritten, aber es wird immer noch Geld damit verdient. Das Spiele-Portal reflexive.com hat vor einem Jahr seine Tore geschlossen: eine vernünftige Reaktion auf sinkende Absatzzahlen einerseits und nivellierte Inhalte andererseits. Rückblickend bleibt nur zu sagen, daß Return to Ravenhurst die letzte große Neuerung im Genre HOG war und gleichzeitig, wegen ihres Erfolgs, der Sargnagel. Wen außer den Dümmsten interessiert denn ein immer gleiches Spiel? Und das ist die Essenz von Marktwirtschaft.

Während ich dies schreibe, warte ich auf den - legalen, jawohl! - Download des zweiten Teils von Martin Scorceses Film über Leben und Wirken George Harrisons, "Living in the material world", denn es gibt wertvolleres als Geld, und George Harrison (ja, der Beatle) trug es in sich und suchte nach Wegen, es mit seinem Leben zu vereinbaren. Das ist von wirklichem Interesse, auch wenn es nach Spinnerei aussieht. Die "Normalen" jedenfalls gehen mir komplett am Arsch vorbei; sie leben in einer materiellen Welt, und für sie ist Religion und Geistergetue ein und dasselbe: es muß persönlichen Vorteil bringen.

Zahnarzt ist gut, aber auch übel, wie jeder weiß, der nach erfolgreicher Zahnbehandlung mit tauber Lippe nach Hause kam. Einmal ist es mir gelungen, die Kaffeetasse, die ich an der betäubten Unterlippe nicht spüren konnte, über Kinn und Hemd zu leeren. Daß Zahnarzt aber nicht nur gut und übel, sondern auch komisch sein kann, ist eine neue Erfahrung. Vielleicht war mir auch die Betäubung ein wenig zu Kopfe gestiegen, jedenfalls hatte ich plötzlich einen starken Drang zu lachen, als nämlich der Arzt so ziemlich in meinen Mund hineinkroch und seine Helferin den Hals verrenkte, um zwischen Arm und Kopf ihres Chefs hindurch den Absaugrüssel im Auge behalten zu können, den ich im Mund behalten sollte. In dieser Situation hätte ich gerne als Zuschauer daneben gestanden, aber auch so fand ich es belustigend, zumal obendrein noch aus dem Bauch des Arztes gurgelnde Geräusche aufstiegen und die Prozedur begleiteten. Mit einem sirrenden Bohrer im Mund ist aber schlecht lachen; nur hätte ich nie geglaubt, mir werde einmal während einer Behandling überhaupt zum Lachen sein.

inspirierter Musik und typischem Männerrock ist dem zwischen Empfängnis und Zeugung ähnlich: das eine erfordert Offenheit, das andere Versteifung.

Im Film gibt es falsche und echte Nonnen; die einen sind Nonnen durch und durch, die anderen werden im Lauf der Geschichte als unecht entlarvt. Zum Beispiel in The Lady Vanishes (von Alfred Hitchcock 1938 gedreht und immer noch sehenswert), wo sich die falsche Nonne durch das Tragen hochhackiger Schuhe verrät, sonst hätte es kein Schwein gemerkt. Denn du kannst praktisch jede Schauspielerin in eine Nonnenkluft stecken, und ihr Gesicht gewinnt dabei; außer Shirley Maclaine (Two Mules for Sister Sarah), die hat einfach kein Nonnengesicht, was andererseits dem Zuschauer hilft, ihr auf die Schliche zu kommen: in Wahrheit kommt sie aus 'nem Hurenhaus!

Das ist das Stichwort für Nude Nuns with Big Guns, ein "Sexploitation Movie", das so entstanden sein mag: Der Produzent mault in der Besprechung für den neuen Film herum, daß der erste Film der kleinen Firma zu langsam war, zu wenig Titten, zu wenig Aufregung, nur das Rächermotiv habe gestimmt. Was ihm denn für den neuen Film vorschwebe? Fiesere Verbrecher, mehr Drogen, Sexkneipen, nackte Weiber, Nonnen, Lesben. "Titten, Leute, Titten, Titten, Titten". Sehen wir es positiv - der fertige Film besteht nur aus Schlüsselszenen, kein überflüssiges Erzählen.

Dann ist da noch Black Narcissus (mit Deborah Kerr) von 1947, über ein neu eingerichtetes Kloster im bergigsten Himalaja, völlig mißlungen, aber gute Nonnengesichter. Und Vision - Hildegard von Bingen, ein Historiendrama. H. v. Bingen hat Visonen und nutzt das ihr entgegengebrachte Interesse und Wohlwollen, um ein eigenständiges Nonnenkloster, jenseits des Mönchsordens, der ihre Schar ursprünglich beherbergte (und Schwangerschaften heraufbeschwor), zu gründen. Was immer an Kritik gegen diesen Film von Margarethe von Trotta vorzubringen ist (mit Fug und Recht darf man bemängeln, daß im Jahre des Herrn Eintausendelfhundertundirgendwas Hochdeutsch gesprochen wird), er hat die Ruhe weg. Jenseits unserer modernen Hektik und angeblichen vernunft wird der Lebensweg Hildegards nachgezeichnet, und es stehen Glaube, Freundschaft und Liebe, aber auch Mißtrauen, Neid und Ehrgeiz im Mittelpunkt der Geschichte. Man muß sich darauf einlassen, auf die Thematik und das Tempo, aber dann lohnt es sich auch. Selten war ich so angeregt entspannt nach einem Film: Halle-e-lu-u-u-ja!

ist ein ziemlich komischer Film über ziemlich ernste Dinge. Jodie Foster, die hier zum ersten Mal seit fünfzehn Jahren Regie geführt hat und es in Zukunft häufiger tun will, ist der Meinung, es sei in Ordnung, anfangs zu lachen, nach und nach aber nicht mehr, weil: der Typ "is losing his mind". Tut er aber von Anfang an, und ich lache überhaupt nicht, amüsiere mich aber auf meine melancholische Art - ein erwachsener Mensch, der sich mithilfe einer Handpuppe ein neues Ich erschafft? Das ist komisch, egal wie ernst es wird, und es wird "serious as heart attack". Jodie Foster sollte aber nicht ihren - bemerkenswerten - Film interpretieren; Kunstwerke sprechen für sich selbst.

Von solchen Sachen haben gerade Journalisten keine Ahnung, und deshalb schreibt ein Paul Duncan, dessen Buch über Alfred Hitchcock und seine Filme der Taschen Verlag in Übersetzung veröffentlicht hat (wird just verramscht): "Viele Freunde deuten Hitchcocks Widerwillen, detailliert über seine Arbeit zu sprechen, als Zeichen dafür, daß er seine eigenen Filme nicht verstand." So wird es wohl sein, verehrungswürdiger Paul Duncan, der du mir diese tiefe Einsicht nahegebracht hast. - Benedikt Taschen andererseits täte gut daran, mal ein bißchen Geld locker zu machen für einen Übersetzer, der dieser Bezeichnung würdig ist: on the run for murder heißt nun einmal nicht "auf dem Weg zum Morden" und doorway ist kein "Torweg" et cetera.

The Beaver ist also selbst in den schwärzesten Szenen noch komisch und, soviel sei verraten, hat ein happy end. Weshalb sollte dieser Film überhaupt von Interesse sein? Die Hauptperson, Walter Black, ist komplett am Ende, auswegslos in seinem depressiven Dasein gefangen, und erfindet sich mithilfe der Handpuppe "The Beaver" im letzten Moment, im Augenblick seines Selbstmordes, neu. Er blüht auf, aber er ist es nicht selbst, sondern ein erfundenes Ich ohne Walters Vergangenheit, die ihn allmählich einholt, weil seine Ehefrau Meredith (und seine Söhne) ihn wollen und nicht eine Puppe. Sein künstliches Ich bricht zusammen, und er muß sich seiner Vergangenheit stellen, um eine Zukunft mit den Menschen zu finden, die ihn lieben wollen (und im Falle seines ältesten Sohnes hassen gelernt haben: "hates his father who hates his father who hates his father").

Den Film bejahe ich, den jüngsten Sohn finde ich uneingeschränkt liebenswert, aber die Darsteller des älteren Sohnes und seiner Freundin bereiten mir Unbehagen, obwohl sie ihre Sache gut machen, sehr gut sogar, völlig überzeugend: sie haben deformierte Gesichter, und damit kann ich mich nicht identifizieren; ich möchte mit ihnen sein, aber es tut mir weh. "The Beaver" selbst ist in gewisser Weise deformiert: er ist kein freundliches Spielzeug, sondern sieht von Beginn an tückisch aus, und das entspricht dem Charakter dieser Figur: nicht daß er böse wäre, er will nur um jeden Preis dominieren. Und deshalb muß er von Walter Black, als er zu sich selbst zurückkehrt, buchstäblich abgesägt werden. Eine düstere Komödie, die sich anzugucken die Mühe lohnt.

 

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