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charmsing

Was hatte ich gestern nicht alles vor: kochen, putzen, nichtrauchen, Briefmarken sammeln, ein Atom spalten, Steuern hinterziehen - zu nichts von alledem bin ich gekommen. Vom Morgen bis zum Abend war ich einzig und allein damit beschäftigt ein neues Wort für den Zustand zwischen Schlafen und Schlafen zu finden. Das hat nicht etwa deshalb so lange gedauert, weil es schwer gewesen wäre, nein! es fiel mir praktisch im Moment des Erwachens ein, aber es wollte und wollte kein Ende nehmen, so daß ich abends zum einzigen Mittel greifen mußte, das mir probat schien - nämlich Alkohol -, um das neue Wort ausklingen lassen zu können. Wenn ich dieses Wort aufschreiben wollte, würde ich sicher drei komma sieben Wochen dafür brauchen, mehr als 22 Schulhefte vollkritzeln und ein goldenes Zeitalter für Tintenfabrikanten einläuten.

Heute früh ging das schon wieder los. Da habe ich kurzentschlossen die aktuellen Nachrichten gelesen und war auf einen Schlag sprachlos. Man muß sich eben zu helfen wissen.

Eben noch verärgert nachgesonnen, weshalb der C++-Compiler meine elegante Lösung eines Vererbungsproblems rundweg ablehnen mag, fällt mir unvermittelt das Wort Muhme ein. Still, ja ehrfürchtig verharre ich. Muhme, was für ein schönes Wort. Muhme. Welche Ruhe strahlt es aus, welche Sehnsucht weckt es nach einer Zeit, da die Menschen noch Zeit hatten zu sprechen und zu hören. Ruhe selbst hat ja auch diese Ruhe. Ein weiteres schönes Wort ist Signalgast, aber das ist wieder eine andere Geschichte und die Ruhe ist dahin. "Scheiß Compiler!" Nee, die Ruhe ist flöten.

Ich spielte auf meinem Lieblingsinstrument, einer Frau von 35 Jahren, und entlockte ihr mit einfachen Griffen eine Reihe von Fermaten. Da mir keine Worte einfallen wollten, sang ich "la la la" und "padi dadam", bis ich es nicht mehr hören mochte. Sie war inzwischen nach Hause geeilt, um andere Saiten aufzuziehen. Ich rief sie an und sagte ihr, daß mir noch immer keine Worte eingefallen seien. "Du bist so dumm", sagte sie. Das inspirierte mich zu einem Welthit.

Wir trafen uns dann noch einmal in einem Warenhaus bei den Kurzwaren, aber sie gab vor, mich nicht zu kennen. Das inspirierte mich zu einem weiteren Welthit.

Oh Klothilde, dir verdanke ich alles!

Ein launisches blaues Auto hatte plötzlich Lust zu bremsen, und ein rotes Auto, das lieber weitergefahren wäre, krachte in das Heck des blauen. Von der anderen Straßenseite sah ein grünes Auto den Zusammenprall und stoppte, um alles mitzubekommen, was ein gelbes Auto, von dem Unfall abgelenkt, übersah und in das grüne sauste. Davon irritiert bumste ein schwarzes in das rote und ein weiteres blaues in das schwarze.

An diesem Punkt begann mich die ganze Unfallerei zu langweilen und ich begab mich zur Arbeitsagentur, wo eine neue Stelle eingetroffen sein sollte.

Hätte es in den dreißiger Jahren bereits Internet gegeben und wäre ihm von Leningrad aus Zugang möglich gewesen, Daniil Charms würde gebloggt haben, zu dieser Überzeugung bin ich bei der Lektüre seiner "Zwischenfälle" (Sammlung Luchterhand) gekommen. Er hatte viele hübsch absurde Einfälle, ohne daß man ihn nun gleich einen Meister des Absurden nennen muß. Es ist sogar recht einfach, in seinem Stil, in seinen Mustern zu schreiben, was natürlich daran liegen mag, daß in den vergangenen siebzig Jahren manch treffliche Absurdität veröffentlicht wurde, aus denen wir Heutigen leicht schöpfen können. Jedenfalls werde ich ein paar kleine Geschichtchen, von Daniil Charms inspiriert, in der Rubrik "charmsing" bringen. Zunächst aber hat Herr Charms das Wort:

Vorfall mit meiner Frau

Bei meiner Frau haben mal wieder die Beine verrückt gespielt.Sie wollte sich in den Sessel setzen, aber die Beine trugen sie zum Schrank und dann sogar weiter in den Korridor, dort setzten sie sie auf eine Kiste. Meine Frau riß sich zusammen, stand auf und bewegte sich aufs Zimmer zu, aber die Beine spielten wieder verrückt und trugen sie an der Tür vorbei. "Verdammt nochmal!" sagte meine Frau und stemmt den Kopf gegen das Stehpult. Aber ihre Beine spielten weiter verrückt und zerschlugen sogar eine Glasschüssel, die in der Diele auf dem Fußboden stand.
Schließlich kam meine Frau in ihrem Sessel zum Sitzen.
"Bitte, da bin ich", sagte meine Frau, strahlte breit und zog sich Holzspäne aus der Nase, die dort hineingeraten waren

Heute will ich die traurige, aber lehrreiche Geschichte des Markus Bindehaut erzählen, dem Vater von Marlies Goer, die allerdings nicht identisch ist mit der DDR-Sportlerin, welche ohnehin für diese Geschichte keine Zeit gehabt hätte, da sie gerade für Olympia trainierte; jene Olympia, von der der Dichter sagt, sie sei schön für Zwei, nämlich für sich selbst und für Hedwig Dickmilch, die im Sommer einem Buben das Leben schenkte, der später als Königsmacher am Hofe Haralds von Norwegen diente, aber vom Halbbruder Markus Bindehauts, dem Heizer Heinz Wawerka, nach einem Fußballänderspiel versehentlich überfahren wurde. Also, Augen auf im Straßenverkehr!

 

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