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Notizen

Vor rund zwanzig Jahren sah ich in einem Spezialitäten-Kino "Othello" von und mit Orson Welles; die Spezialität daran war der Vortrag eines Filmstudenten über spezielle Eff Aspekte diese Films, und er - dem Anschein nach war er männlichen Geschlechts, obwohl er nach heutigen Maßstäben sonstwelchen Genders hätte sein mögen wollen - er also verkündete als Fazit seines Ausflugs in die Theorie der theoretischen Bildtheorie, daß man Orson Welles mit Fug und Recht als Meister der Diagonale bezeichnen könne.

Das mag können, wer will, mich interessieren am Film aber Diagonalen, Parallelen, Dreiecke, Hyperbeln und Paralypsen am allerwenigsten; das mögen Filmstudenten unter sich ausmachen. Vom Film habe ich keine Ahnung, und erst recht nicht von der dazugehörigen Technik. Deshalb beschränke ich mich auf die erzählte Geschichte und ggf. eindrucksvolle und eventuell aussageträchtige Bilder. Mister Welles, er konnte es nicht lassen, hat auch da wieder ungewöhnliche Kameraperspektiven finden müssen, ohne aber die Kraft der Originalschauplätze an verschiedenen Orten Nordafrikas zu entkräften. So bleibt Shakespeares Othello mit teils tollen Bildern in der Interpretation von undsoweiter.

Ich kam darauf, weil es seit vier Jahrzehnten (in Deutschland) Filmhochschulen gibt, die gelegentlich einen Könner (Könnerin, jaja) hervorgebracht haben, welche aber ohnehin ihren Weg gemacht hätten, weil sie das Talent, das Interesse und die Besessenheit schon mitgebracht hatten. Ganz wie die alten Meister, die durch ständiges Filmgucken und learning by doing zu Vorbildern der Filmstudenten avancierten, ohne je ein Seminar irgendeiner Fakultät besucht zu haben. Denn das Talent bricht sich Bahn, den Untalentierten bleibt seelenlose Technik, weshalb sie so gerne banale Aussagefilme machen.

Freunde empfahlen mir Blue Velvet, ich quälte mich durch Langeweile in Spielfilmlänge. Dabei hat David Lynch noch das Verdienst, durch die Verwendung aufregender Musik im Soundtrack von "Lost Highway" die Band Rammstein in den USA einem breiterem Publikum bekannt gemacht zu haben. Rammstein äußerte sich positiv über Lynch, aber das ist deren Sache. Mir sind Aussagen so wertvoll wie Diagonalen durch die Befindlichkeiten diverser Nachkriegsgenerationen.

und irgendwann kommt er dann an, während "Dutzende" über Nacht am Bahnsteig warten, um ihre "Refugees welcome"-Poster und "You are welcome"-Sprechblasen jenen Ankömmlingen zu zeigen, von denen die Wartenden selbstverständlich annehmen, sie sprächen englisch, und das mag auch so sein, aber waaß mers? Weiß man es? Und mindestens Dutzende Hilfsbereiter fragen bei Behörden und Organisationen an, wo sie Sachspenden für die Neuankömmlinge abgeben können, und das ist durchaus eine gute Sache.

Weshalb es allerdings den hiesigen Armen und erst recht Obdachlosen gegenüber keine vergleichbare Einstellung gibt, ist eine Frage, die man dieser Tage besser nicht stellt, um nicht in "Rechts"- oder "Nazi"-Verdacht zu geraten: der Lynchmob lauert schon und gibt sich längst nicht mehr mit Verbalinjurien zufrieden. Man solle die Nazis in Lager in Sibirien verfrachten, schrieb beispielsweise ein sich notwehrender friedlicher Linker in einem Forum, worauf jemand dezent anmerkte: "das wird immer stalinistischer hier" und als Antwort erhielt, man müsse gegen Nazis stalinistisch sein.

Natürlich isses so, daß man die hiesigen Armen und erst recht die Obdachlosen kennt. Das sind diese dumpfbackigen RTL-guckenden Demokratieverweigerer und Rechtswähler, die ihre Kinder in Alkohol baden und dauernd sagen: "ich bin kein Nazi, aber", genau die sind das, und die sollte man eventuell in Lager in Sibirien verfrachten, aber ganz bestimmt nicht auch noch beschenken. Organspende gefällig? frische Leber? Hähähä. - Ja man kennt sie, die Unterschicht. Besonders wenn man der akademischen Szene angehört und sich bei Arbeit, Sport und Spiel vom Volke fernhält.

Und überhaupt sind die selber schuld. Hätten die nicht wie jeder anständige Mensch Arbeit in der Anti-Nazi-, in der Gender- oder in der Flüchtlingsindustrie finden können, wenn sie nur gewollt hätten? Am Ende füttern wir die noch mit unseren Steuergeldern durch. Ei Herz Sibirien sofort!

- Was mag passieren, wenn die Guten die Fremden erst einmal kennen - ob sie sich dann neue Fremde suchen, weil die alten nicht hielten, was sie versprachen? Für die Wunschträume der Guten können allerdings die Fremden nichts.

Als ich vor einigen Wochen Lust bekam, die Kriminalromane Ruth Rendells wieder zu lesen, begann ich mit der Lektüre gerade rechtzeitig um sagen zu können, ich hätte mit dem Lesen unmittelbar vor der Nachricht von der Autorin Tod angefangen. So wie eine Freundin einmal darauf hinwies, wir hätten ihren Geburtstag gefeiert, und in der nächsten Nacht sei Lady Di tödlich verunglückt. "Now, there's a coincidence!" hätte dann jemand in einer der guten alten screwball comedies gesagt, weil so offensichtlich das eine mit dem anderen nichts zu tun hat.

Nach den fünf Wexford-Romanen (Chief Inspector Wexford ist Rendells bekannteste Figur), die ich besitze, ging ich dann zu einigen Romanen von Anne Perry über, langweilte mich dabei immer mehr und wußte schon bald, daß ich diese Bücher nie wieder anrühren würde, es sei denn, um sie zu verkaufen oder zu verschenken. Entschlossen griff ich nach Barbara Vine (ein Pseudonym Ruth Rendells, unter dem sie frei vom Krimiautor-Image schreiben konnte) bzw. ihrem Roman "Die im Dunkeln sieht man doch" (A dark adapted eye).

Offenbar hatte ich den Roman irgendwann begonnen, aber nach wenigen gelesenen Seiten fortgelegt, so daß ich diesmal ein komplett neues Buch lesen kann, und dann ist es auch noch der erste Roman unter diesem Pseudonym. Und wie angenehm ist mir diese Lektüre, gerade nach der vorangegangenen Enttäuschung. Wo Anne Perry wiederholungsträchtige innere Monologe in ihre Figuren hineinpsychologisiert, schlüpft Barbara Vine in ihre Figuren und schreibt aus deren Perspektive; zum Vergleich fällt mir als erstes der Unterschied zwischen Hochstapler und Schauspieler ein, es geht um nachgemacht und echt (einer zum Nachdenken, denn wie kann man einen Schauspieler "echt" nennen?!).

Und weil sich ein Quell der Freude aufgetan hat, werde ich in den kommenden Wochen weitere Bücher von Barbara Vine lesen, die ich auf diesem Wege allen Interessierten wärmstens empfehle. Und natürlich ebenso Ruth Rendell.

Wenn die studierten Linken im gehobenen Alter in ihren gemütlichen Wohnungen von der Zeitungslektüre aufblicken un durchs Fenster in die rauhe Wirklichkeit ihres Gartens schauen, mag sie wohl Abenteuerlust befallen. Dann malen sie sich aus, wie es wäre, einer dieser Unterprivilegierten im täglichen Kampf des Lebens zu sein, und schon beschleichen sie wunderliche Gedanken.

"Wenn ich nicht als Schlepper arbeite, als was dann?" beginnt deshalb eine wohlvertraute Litanei, in der Sujet und Protagonisten nach Bedarf eingesetzt werden, die aber immer darauf hinausläuft, daß Armut und Not keine andere Wahl lassen, als kriminell zu werden. Der imaginäre Schlepper in dieser Geschichte ist ein arbeitsloser Fischer, der die aussichtslosen Alternativen zu seinem Gewerbe mit gelegentlicher Todesfolge aufzählt. Dann allerdings wären bereits hunderttausende im Hartz IV-System gefangener Deutscher zu Verbrechern geworden, und was würden die Linken wohl sagen, wären sie von diesen Hoffnungslosen überfallen und ausgeraubt worden.

Beginnen wir aber mit dem Anfang und stellen fest, daß die Sprachregelung "Flüchtling" politisch, religiös oder rassistisch Verfolgte in einen Topf wirft mit Menschen, die drei- bis achttausend Euro für eine Schiffspassage übers Mittelmeer zur illegalen Einwanderung hinblättern können. Als weißem wohlhabenden Europäer (statistisch gesehen hat jeder Deutsche ein Vermögen von rund hunderttausend Euro) stehen mir jährlich nicht einmal viertausend Euro zur Verfügung, auf dem Papier knapp vierhundert monatlich. Das reicht zum Leben, und sonst nichts. Neue Kleidung? Ein Problem. Medizinische Versorgung? Verdammt teuer. Urlaub? Ausgeschlossen. Restaurant, Kneipe, Theater, Kino, Konzert, Bücher, Disco - vergiß es. Diese Gruppe Flüchtlinge stammt wohl nicht aus den Reihen der Arbeitslosen, der ihres Landes Beraubten, der vom Krieg um Hab und Gut gebrachten. (Wer diese Leute sind und weshalb sie den Schleppern das nötige Geld bezahlen können, ist eine andere Geschichte)

Der Transfer über das Mittelmeer ist kein Transfair, sondern ein Riesengeschäft. Zweihunderttausend Passagiere im vergangenen Jahr bei durchschnittlich fünftausend Euro Fahrpreis ergibt eine flotte Milliarde Einnahmen. So etwas wird vom organisierten Verbrechen kontrolliert, daß sich Schutz bei Politik und Behörden kaufen kann und nur zuverlässig Kriminelle beschäftigt; der arbeitslose Fischer der Geschichte müßte also erst den Nachweis antreten, daß er fürs Gewerbe taugt. Für das kommende Jahr werden bis zu einer Million Passagiere erwartet und damit ein Geschäftsvolumen von fünf Milliarden Euro, wer fragt bei soviel Geld auf Seiten der Schlepperorganisationen noch wegen ein paar tausend ertrunkener Menschen.

Besagte Linke aber lehnen sich, nach dem sie Geschichten wie die erwähnte der Veröffentlichung zugeführt haben, zufrieden zurück, trinken vielleicht einen Transfairkaffee und suchen im "Kapital" von 1867 nach der Stelle, die so gut auf die Bankgeschäfte von 2015 paßt. Abends bekommen sie eine Mail, daß wieder eine Veranstaltung Ewiggestriger geplant sei und empören sich noch ein bißchen vor dem Schlafengehen. Am nächsten Tag, mit etwas Glück, erwartet sie ein neues Abenteuer.

Oder ein Zeitungsartikel, der das Vordringen von Hooligans in deutschen Stadien beklagt, die alle Fortschritte, welche die Fankultur den antirassistischen Ultras verdankt, rückgängig machen wollen und die ebendiese Ultras auch tätlich angreifen. Da ist die Welt dann wieder in Ordnung, denn man hat wohl gehört und gelesen von jenem youtube-Video, in dem zu sehen ist, wie zehn Ultras auf einen einzigen Hooligan eindreschen und war ein wenig verunsichert. Aber wenn die Hooligans so gefährlich sind...

Bei Raumfahrtprojekten begenete mir zum erstenmal die Unsitte, ein Projekt mittels geeigneter Wortwahl durch die Anfangsbuchstaben mit Bedeutung aufzulagen, z.B. "Eureka". Seitdem achte ich auf dieses Phänomen und deshalb bezweifle ich, daß "NSU" das ist, als das es gilt. So ein Abkürzungsname soll ja nicht nur bedeutungsschwanger, sondern auch einprägsam sein, und NSU ist meiner Generation nicht zuletzt aus Autoquartetts geläufig. Aber da mag man mir getrost widersprechen und sagen: Zufall! "RAF" war ja auch ziemlich mißglückt.

ISIS aber, mittlerweile als brand etabliert, ergibt sich aus den Anfangsbuchstaben des englischen Namens einer islamistischen Truppe in Syrien und Irak, deren arabischer Originalname, so es einen gibt, wohl zu einem ganz anderen Ergebnis führen dürfte. Anders gesagt, dieser Name ist eine Fabrikation. Einprägsam, aber sich bequem-dümmlich auf eine angenommene Unbildung in der westlichen Welt verlassend. Man kann bei Wikipedia nachlesen, daß Isis der Name einer altägyptischen Gottheit ist, die später noch bei Griechen, Römern und Christen eine gewisse, schwindende Rolle spielte. Im arabischen Raum ist sie bedeutungsleer, das ist der Punkt.

Und dann fragt man sich, wo kommen sie her, diese Truppen, die wir u.a. von werbewirksamen Fotos auf geschniegelten Toyota-Pickup-Konvois kennen, Konvois, die von sämtlichen Spionagesatelliten unbemerkt durch Wüstenlandschaften fahren und es - diese Strategie ist erkennbar - auf die Eroberung von Öl- und Gasförderfeldern anlegen. Und dann stellt man sich die Frage: wer profitiert davon? - Nein, die Antwort "prorussische Separatisten" ist falsch.

Neulich sah ich einen Film über klassische Zaubertricks, in dem unter anderem und eher nebenbei "die denkende Teekanne" vorgeführt wurde. Seitdem rätsele ich, wie dieser Trick funktioniert. Der Ablauf ist folgendermaßen:

Der Zauberer präsentiert eine Teekanne, von der er behauptet, sie könne jeden Getränkewunsch erfüllen. Er fügt hinzu, er habe sich mit niemandem abgesprochen. Alle Anwesenden sollten nun an ihr jeweiliges Lieblingsgetränk denken. Danach ruft er nacheinander vier Personen auf, die ihr Getränk nennen. Zuerst einen jüngeren Mann (Tequila), dann eine mittelalte Frau (Mojito), danach einen Mann selben Alters (Orangensaft, frisch gepreßt) und schließlich einen älteren Herrn (White Russian). Jedes Mal nimmt er ein kleines, bauchiges Glas von ca. 4 cl Fassungsvermögen, schenkt aus der Teekanne das jeweilige Getränk in das Glas, indem er die Kanne bis zum letzten Tropfen leert, und bittet die Person, die Echtheit des Getränks zu bestätigen, indem er ihr das Glas überläßt (beim nächsten Getränk nimmt er neues Glas). Nur bei der letzten Person übergibt er dieser die Kanne und läßt sie selbst einschenken.

Das ist verblüffend, denn nicht nur enthält die Teekanne jedesmal das gewünschte Getränk, und jedesmal in derselben, zum Glas passenden Menge, sondern dies Getränk fließt jedesmal aus der doch zuvor geleerten Kanne. Wie ist das möglich?

Erster Verdacht: Entgegen der Behauptung des Zauberers hat es eine Absprache gegeben. Denn es fällt auf, daß die vier verschiedenen Getränke so zusammengestellt sind, daß sie die Fähigkeiten der Kanne unterstreichen, und das ist ein bißchen zuviel des Zufalls. Zunächst ein rein alkoholisches Getränk, dann ein Cocktail, dann ein Fruchtsaft, und schließlich ein weiterer Cocktail; alle vier Getränke ohne Überschneidungen in ihren Bestandteilen.

Dennoch, die Flüssigkeiten sind von der richtigen Farbe, und die vier Personen bestätigen die Echtheit der Getränke. Hierbei zu schummeln wäre leichtfertig, denn der Zauberer muß damit rechnen, daß andere Gäste der Vorführung ebenfalls kosten wollen. Eine Absprache über die Art der Getränke würde lediglich die mögliche Anzahl von einigen hundert auf genau vier einschränken; eine große Erleichterung, aber der Trick ist damit nicht erklärt.

Wie kommt die neue Flüssigkeit in die zuvor leere Kanne? Weshalb schmeckt der Mojito nicht nach Tequila, der Orangensaft nicht nach Mojito, und der White Russian nicht nach Orangensaft, wie man das erwarten sollte, wenn aus demselben Behältnis oder zumindest derselben Tülle ausgeschenkt wird? Wer mal beispielsweise abends Bloody Marys getrunken hat und am nächsten Morgen Wasser aus demselben Glas zu sich genommen, wird wissen, wie empfindlich die Geschmacksnerven für "Verunreinigungen" sind.

Offenbar enthält diese harmlos aussehende Teekanne einige Geheimnisse. In ihr muß es kleine Behältnisse mit mindestens den vier genannten Getränken geben. Um das Risiko gering zu halten, muß die Mechanik einfach gehalten sein und durch einen einzigen Druckschalter betätigt werden können, der im Griff enthalten sein wird und dem Publikum verborgen bleibt. Die Vorrichtung könnte der Patronentrommel eines Revolvers ähneln. Der letzte Kandidat müsste dann eingeweiht sein und den Schalter betätigen können, risikolos, da nur noch ein - sein - Getränk im Innern der Kanne verblieben ist. Falsch, der Zauberer könnte den Schalter drücken, bevor er die Kanne übergibt und muß niemanden einweihen. Nur die Getränke müssen abgesprochen sein, und nur der Zauberer muß die Reihenfolge kennen. Für die Mitspieler bleibt der Trick trotz Absprache verblüffend genug.

Bleibt noch der unverfälschte Geschmack. Nicht nur müßte die Trommel in die richtige Position zum Ausschank bewegt werden, sondern auch eine Tülle sich innen in die sichtbare Tülle schieben, damit es keinerlei Mischeffekte gibt. Nicht umsonst hält er beim Ausschenken der letzten Tropfen die Kanne fast senkrecht. Dafür eine geeignete Mechanik zu erdenken und zu installieren ist für einen handwerklich begabten Menschen mit Mechanikkenntnissen kein Problem, man denke nur an diverse Automaten und Spieluhren, die von Uhrmachern erdacht und ausgeführt wurden - und uns heute noch in Erstaunen setzen.

Ja, so könnte der Trick funtionieren. Der Zauberer spricht also mit vier Gästen, die voneinander nichts wissen müssen, so daß sich jeder für den einzig Eingeweihten hält, genau die Getränke ab, mit denen er seine Mechanik ausgestattet hat, ruft sie in der richtigen Reihenfolge auf und kaschiert seine Schaltaktionen und deren Geräusche mit Worten und Gesten, zudem dirigiert er den letzten Kandidaten so, daß dieser nur auf seine Kommandos agiert. Voila, die denkende Teekanne. - Oder ist es doch Zauberei?

Man kann es tatsächlich so sagen: die Phönizier waren Opfer des weißen europäischen Rassismus. "Weiß" ist vielleicht etwas übertrieben, denn verglichen mit Angelsachsen, Germanen, Galliern und erst recht Wikingern waren Griechen und Römer bestimmt nicht weißhäutig. Die Griechen übernahmen das Alphabet (und passten es an ihre Sprache an) von den Phöniziern und nannten es noch lange "phoinikia grammata" - um die Schrift später zur Verunglimpfung ihrer einstigen Lehrmeister zu nutzen. Homer war der erste (in der Odyssee), und viele folgten, vor allem, nachdem die phönizische Flotte dem persischen Reich als Waffe gegen die griechischen Stadtstaaten diente (mit wechselndem Erfolg, wie gesagt werden muß; es begann mit einer schlimmen Niederlage der Seebeherrscher). Als die Griechen aufs Mittelmeer hinausfuhren, mußten sie feststellen, daß die Phönizier längst überall ihr Feld bestellt hatten, und die Konkurrenz drängte sie, alte Vorurteile in den Vordergrund zu stellen. Menschenräuber, Lügner und Betrüger seien sie gewesen.

Was ist Rassismus, sollten wir an dieser Stelle fragen. Wer nur einmal gesehen hat, wie ein Bleßhuhn auf einen Eindringling in sein Revier losgeht, weiß, daß Fremde mit Schmälerung der eigenen Lebensgrundlage gleichgesetzt werden, jedenfalls im Tierreich. Beim Menschen kommt noch das unterschiedliche Aussehen und Gebaren hinzu. Unlängst sah ich eine Anzeige, die vordergründig für Verständigung warb. Zwei Abbilder menschlicher Chromosomen waren nebenbeinander gestellt, die Unterschriften lauteten "ein Christ" und "ein Moslem". Nun weiß aber jedes Kind, daß Christen und Moslems nicht nur aus den gleichen Chromosomen "gemacht" sind, sondern sich auf vielfältige Weise unterscheiden, ebenso wie Christen untereinander und Moslems untereinander.

Diese andere, fremde Erscheinung heißt uns Vorsicht walten lassen, denn ein Fremdling kann Freund ebensogut wie Feind sein. Das hat mit Rassismus noch überhaupt nichts zu tun, entgegen den Diskussionen unserer linken akademischen Jugend, die möglicherweise einfach zu degeneriert ist, um noch elementare menschliche Empfindungen haben zu können. Einerseits verlangen sie eine Willkommenskultur, andererseits verhängen sie über unsere Traditionen einen Generalverdacht, und dann können sie es kaum abwarten Menschen, die sie und sie allein für Nazis erklären, umzubringen.

Aber vorwärts in die Vergangenheit. Die phönizischen Städte der Levante waren den Persern tributpflichtig und traten deshalb in den Krieg gegen Griechenland ein, Karthago wollte die Truppen eines griechischen Prä-Duce auf Sizilien besiegen und verbündete sich deshalb mit dem persischen Reich. Die Griechen entwickelten in dem Konflikt eine Ideologie des von Orientalen bedrohten Europa, und die dazugehörige Propaganda.

Rom war zu dieser Zeit ein aufstrebender Stadtstaat, der als Juniorpartner Verträge mit Karthago über Einflußsphären und Handelsrechte einging, bis Rom stark genug war, Karthago auf Sizilien zu provozieren. Karthago brach den ersten "puniuschen" krieg vom Zaun - und verlor, denn Rom war zu einem ernsthaften Konkurrenten herangewachsen. Hannibal, Sohn eines in diesem Krieg unterlegenen Feldherrn, wußte:; Rom kannst du nur besiegen, wenn du Rom selbst besiegst. Die Wege über die Alpen waren ausgekundschaftet, der Plan lag bereit.

Karthago, das die spanischen Silberminen mit dem Argument, nur mit diesen könnten die enormen Reparationen gegenüber Rom abgetragen werden, behalten durfte (und weil Roms Macht noch nicht bis tief nach Spanien reichte), dehnte seinen Einflußbereich auf der iberischen Halbinsel aus, bis es zum neuerlichen Konflikt mit Rom kam. Eine Kriegserklärung des Senats nicht abwartend, setzte Hannibal sein Heer in Marsch, überquerte die Alpen und nahm zielstrebig Kurs auf Rom, in drei Schlachten die römischen Legionen besiegend.

Doch seine Rechnung ging nicht auf. Mochten die Bewohner Italiens auch unzufrieden unter der römischen Herrschaft sein, sie sahen doch die Römer als ihresgleichen, und die "Befreiungsarmee" Hannibals, bestehend aus Nord- und Schwarzafrikanern sowie Steinschleuderern von den Balearen, bestückt mit Kampfelefanten, Hannibal selbst von dunklerer Haut, mit von Entbehrungen gegerbtem Gesicht, mit Hakennase und fremder Physiognomie, konnten sie nicht als Freunde und Befreier ansehen, mit Ausnahme weniger Städte, die um jeden Preis die Unabhängigkeit von Rom suchten.

So irrte Hannibals Heer durch Italien, eroberte die Südspitze, gewann eine vierte SChlacht, und mußte doch aufgeben, da sie Rom nicht erobern konnte und mitterweile Spanien, Sardinien und das Mittelmeer von Rom beherrscht wurden. Karhago suchte um Frieden nach und bekam ihn zu verheerenden Bedingungen, aber es existierte bei allen Limitationen immerhin noch als unabhängige Stadt. In Rom aber setzte sich unter dem Eindruck des "Hannibal ante portas!" die Gesinnung des Cato durch, der nicht müde geworden war, sein "Ceterum censeo, Carthaginem esse delendam" zu wiederholen ("Im übrigen bin ich der Meinung, daß Karthago zerstört werden müsse"). Freilich mußte das in Übereinstimmung mit geltenden Recht geschehen.

Gerhard Herm: "Der Repräsentant eines demokratischen Gemeinwesens aber hat nach außen hin makellos sauber zu sein und muß also heucheln oder sich juristischer Finessen bedienen, wenn er, sagen wir, einen Krieg vom Zaun brechen will, der nur pragmatisch zu begründen, aber keineswegs gerecht ist." Rom hatte Verbündete in Nordafrika, diese provozierten eine Militäraktion Karthagos, wodurch der Friedensvertrag gebrochen war. Römische Legionen rückten gegen Karthago. Der römische Feldherr verlangte dreihundert Geiseln. Akzeptiert. Die Karthager sollten alle Waffen abgeben oder vernichten. Akzeptiert. Die Karthager sollten ihre Stadt verlassen und anderswo siedeln.

Weshalb haben sie es nicht getan, mögen nun unsere Akademiker fragen, alle Menschen sind gleich, überall ist es gleich, und Heimat ist Rassismus! Die Karthager aber wollten ihre geliebte Stadt, ihre Heimat, ihr Synonym für Geborgenheit, nicht aufgeben, schmiedeten neue Waffen und verschanzten sich innerhalb der Stadtmauern. Das römische Heer griff an, der Kampf wütete tagelang von Haus zu Haus und Straße zu Straße, blutig und tödlich, bis Rom den Sieg davontrug und Karthago zerstörte, die Überlebenden in die Fremde schickend. Phönizier gab es forthin nicht mehr als eigenständiges Volk, sie schlossen sich anderen Völkern an und gingen in diesen auf. Am ehesten sind sie noch im heutigen Libanon präsent, aber wer kann dies Knäuel rivalisierender Ethnien noch durschauen. - Auf den Ruinen von Karthago entstand später - viel später - ein Vorort der Stadt Tunis.

Jener römische Feldherr aber vergoß Tränen angesichts der Zerstörung Karthagos, denn er sah in die Zukunft und ahnte, daß Rom einmal dasselbe Schicksal erleiden müsse. Und so kam es auch und kommt es immer. Nur Optimisten glauben, auf Dauer Weltreiche errichten zu können. Früher lebten sie nicht lange genug, um den Untergang miterleben zu müssen. Das ist seit Napoleon Bonaparte anders.

Sie haben die Stadt nicht erfunden, auch wenn sich der Libanon gelegentlich damit brüstet, daß Byblos die älteste Stadt der Welt sei. Es ist nachgewiesen, daß an jenem Küstenflecken seit Urzeiten Menschen siedelten, aber eine Siedlung ist noch lange keine Stadt, wie jeder selbst erfahren kann, wenn er mal aus der Stadt aufs Land hinausfährt; dort werden die Siedlungen von Filialen der Sparkasse oder der Raiffeisenbank optisch dominiert, wie die Städte - früher - von Kirchtürmen.

Überhaupt ist "die Stadt" ja gar nicht erfunden worden. Zunächst siedelten Sippen, Clans und sonstige Gemeinschaften in dem, was wir heute Dörfer nennen, verrichteten viele Arbeiten gemeinsam und hatten, was wir heute Dorfschulze nennen würden, wenn es nicht längst Bürgermeister hieße. Mit dem aufkommenden Königtum, so vermute ich, entstanden mehr oder weniger zentrale Stätten, in denen die Herrscher residierten, die die Kräfte des Landes formten, bündelten, besteuerten und regierten (oder bilde eine geeignete Form mit "lassen"), wozu sie Verwaltung und Berater benötigten. Eine Anstellung am Hof des Herrschers war angesehen und brachte der Familie Ehre, Menschen strömten herbei, das Landvolk sorgte für Ernährung, Bäcker buken, Töpfer töpferten, Schreiner schreinerten und Hausbauer bauten Häuser.

Trinkwasser wurde erst bei den Großstädten zum Problem, ich sage nur "Aquädukte"; bis dahin siedelten die Menschen an Quelle, Bach, See, Fluß und Strom. Du glaubst das heute gar nicht mehr - das Wasser konntest du ungeklärt trinken! Uns wurde als Kindern gesagt: trink kein Leitungswasser, davon bekommst du Läuse im Bauch. Damals alles Trinkwasser. Da beneidest du die Einwohner der Antike doch ein bißchen. Und auch wieder nicht: der Umgang mit Fäkalien mußte irgendwie geregelt werden. Der Unterschied zwischen einhundert und fünftausend Einwohnern ist doch gewaltig, da bedurfte es schon antiker Pappenheimer, sonst geriet das Trinkwasser in Gefahr.

Zurück zum Thema. Aus den Küstenflecken am Fuß des Libanon wurden auch Städte: Ugarit (vernichtet), Arwad, Byblos, Beruta (Beirut), Sidon, Tyros und Achsiv (Akka). Davon war Tyros die wundersamste Stadt: um das Jahr 1000 v. Chr. beschloß König Hiram, auf zwei Felsplatten vor der Küste eine neue Stadt zu errichten, vom Festland nur durch Schiffe zu erreichen, so daß im Belagerungsfall sich alle Bewohner der festländischen Stadtteile auf diese Festung im Meer zurückziehen konnten. Zu dieser Zeit begann - durch die Verbindung mit den Seevölkern - der phönizische Handel sich über das Mittelmeer zu verbreiten, Reichtümer in die Stadt spülend, so daß Häuser und besonders Tempel prunkvoll ge- und ausgestaltet werden konnten.

Uneinnehmbar war diese Stadt im Meer aber nicht nur durch die Seeherrschaft der phönizischen Schiffe, sondern weil die - sagen wir mal - Ingenieure einen Weg gefunden hatten, unterseeische Süßwasserquellen vor der Küste mit einem einfachen Verfahren anzuzapfen und so die Wasserversorgung der Einwohner zu jeder Zeit zu sichern: sie fertigten Glocken mit langen Schläuchen, stülpten diese über die Quellen, und der Druck der Quellen trieb das Trinkwasser gen Meeresoberfläche, wo es nur noch aus den Schläuchen aufgefangen werden mußte.

Uneinnehmbar, reich, und von erlesenem Zauber - Tyros wurde viel gerühmt und riß ihre Besucher zu Lobeshymnen hin. Die Häuser hatten bis zu fünf Stockwerke, die Tempel wurden von den Kaufleuten mit Gold und Edelsteinen ausgeschmückt (und dienten damit als Bank), die einzigartige Lage im Meer - Tyros hatte seinesgleichen nicht in der antiken Welt. Der mächtigste Kriegsherr seiner Zeit, der babylonische König Nebukadnezar belagerte von 585 bis 572 v. Chr. die Stadt Tyros. Doch seine Militärmacht war auf das Festland beschränkt, und die Belagerung endete mit einer symbolischen Unterwerfung der Tyrer, die dafür Sonderrechte aushandelten - erobert wurde die Feste nicht.

Als der Makedonier Alexander, genannt "der Große", gen Ägypten vorstieß, wurden die phönizischen Stadtstaaten bestimmt und höflich, mal bestimmter, mal höflicher, aufgefordert, mit dem anrückenden Heer zu kooperieren. Besonders höflich war die Aufforderung an Tyros gehalten. Gerhard Herm: "Nicht erobern wolle er diesen Platz, hatten Alexanders Boten dort erklärt, der König bäte lediglich darum, im Haupttempel seines Stadtgottes Melkart ein Opfer darbringen zu dürfen." Die Antwort der Tyrer auf diese verbrämte Aufforderung zur Unterwerfung war aber unhöflich, daß nämlich Alexander diesen Gottesdienst ebensogut in einem Tempel am stadteigenen Festland verrichten könne.

Alexander fragte sich, aus welchem Grunde die Tyrer seiner Macht die Stirn zu bieten wagten, und kam zu dem einfachen Schluß, daß sie die befestigte Stadt im Meer als für eine Landmacht uneinnehmbar erachteten. "Ein Damm, sagte Alexander der Große zu seinen verblüfften Generalen, werde den Bewohnern von Tyros beweisen, 'daß auch sie zum Festland gehören'." Und so errichtete Alexanders Heer im Jahre 332 v. Chr. in sieben langen Monaten einen Damm vom Festland zur Seestadt, um den sechshundert Meter breiten Streifen Mittelmeer zu überwinden. Das Unternehmen gelang, zusätzlich wurden von den bereits unterworfenen phönizischen Städten Seekräfte angeworben, und Tyros wurde schließlich gestürmt, besiegt, zerstört und zweitausend der Einwohner hingerichtet. Nicht weil Alexander einem Blutrausch verfallen war, sondern um der Welt seine Macht zu demonstrieren: seht her, selbst das uneinnehmbare Tyros habe ich überwunden, und wer sich mir widersetzt, ist des Todes.

Macht manifestiert sich, wie wir wissen, nicht in guten Taten, sondern in Zerstörung. Ein ähnliches Schicksal erlitt Karthago, daß ebenfalls eine ungewöhnliche und gerühmte Stadt gewesen ist, aber deren Geschichte soll in einem anderen Zusammenhang erzählt werden.

Gerhard Herm: "Um ihren einen einzigen Gott mit Bildkraft und Leben zu erfüllen, haben die Juden bei fast allen ihren Nachbarvölkern Anleihen aufgenommen. So liehen sie sich von den Babyloniern ihre Kosmogenie, ihre Sintflutsage, ihren zum Nimrod gewandelten Gilgamesch, von den Assyrern die geflügelten Stiere, die sie zu Cherubim machten, von den Persern die Hierarchie der Engel und Erzengel. Von den Phöniziern aber borgten sie unter anderem die umgedeuteten ländlichen Feste der Mazzoth, zum Beginn der Gerstenernte, und der Sukkoth, das Laubhüttenfest, ferner das Königtum, eine Reihe von Hymnen, die zu Psalmen umgedichtet wurden, und die Tempelarchitektur."

Im Grunde blieben nur zwei Neuerungen, die ihre Religion von denen ihrer Nachbarn und Zeitgenossen unterschied, und beide waren wichtig. Zum einen das Verbot von Menschenopfern, zum anderen der Glaube an einen einzigen, alles umfassenden Gott.

Letzterer ist die Quintessenz aller Religionen der Welt, von den Naturvölkern bis zu den Hochkulturen: die gesamte Welt ist von einer göttlichem Kraft bzw. einem göttlichen Wesen durchdrungen. Das ist ein großer Gedanke, der aber philosophischen Naturen vorbehalten bleiben mußte und dessen letzte Konsequenz nie von der Masse begriffen wurde und wird. Unterstellen wir einmal, daß Religion der Versuch einer Antwort ist auf den Widerspruch zwischen Geborgenheit in der Welt (durch die Instinkte, wie bei allen Tieren) und der Unsicherheit des Individuums und ganzer Sippen angesichts von Erdbeben, Vulkanausbrüchen, Dürreperioden, Epidemien und räuberischen Tieren, Kriege nicht zu vergessen.

Geht es den Menschen gut, sind ihnen die Götter wohlgesonnen. Doch um die Geneigtheit der Götter zu bewahren, muß der Mensch Opfer bringen, muß von dem, was ihnen die wohlmeinenden Götter durch die Natur beschert haben, abgegeben und den Göttern dargeboten werden. In guten Zeiten mag es genügen, Teile der Ernte oder einige Schlachttiere auf den Altar zu bringen, doch wenn große Not droht, hilft nur das Menschenopfer, besonders die Darbringung von Kindern, insbesondere der erstgeborenen Söhne, als der Verkörperung der Zukunft eines Hauses. Indem wir uns das wertvollste, das wir haben, vom Herzen reißen und den Göttern darbringen, zeigen wir unsere Demut und unseren Dank ebenso wie unsere Hilfsbedürftigkeit, mag der Gedanke dahinter gewesen sein. Jahwe aber verbot diese Opfer, versinnbildlicht in der Geschichte von Abraham, dessen Glaube Gott auf die Probe stellte, indem er das Opfer seines Sohnes Isaak forderte - und im letzten Moment durch einen Bock ersetzte. Hier die Kurzfassung in den Worten Bob Dylans:

God said to Abraham, kill me a son
Abe said, man, you must be puttin' me on
God said, No, Abe said, what
God said, you can do what you want Abe, but
the next time you see me comin' you better run
Abe said, where you want this killin' done
and God said, right down on Highway 61


Die Phönizier blieben ihren angestammten Göttern treu und verbrannten jenen zu Ehren in der Not auch Menschen auf Altären, und besonders in Karthago ("neue Stadt") wurden die Riten streng befolgt, was ihnen einen finsteren Ruf eintrug, zumal ein siegreicher Feldherr auf Sizilien dreitausend gefangene Soldaten ins Feuer gehen ließ. Ihr schlechter Ruf inspirierte Gustave Flaubert zu dem Roman "Salammbo", für den er eine furchterregende Todesmaschine herbeiphantasierte. Es mag so scheinen, daß die Phönizier grausam waren. Tatsächlich folgten sie ihrem Glauben, in dem Gunst oder Ungnade der Götter nur ein Opfer auseinanderlagen. Und es sei daran erinnert, daß im Altertum nur Jahwe das Menschenopfer ablehnte, und dieser Jahwe ein Außenseiter in der Glaubenswelt gewesen ist.

Es begab sich aber zu der Zeit, als der Pharao verkündete, es gäbe nur einen Gott, nämlich den Sonnengott Aton, und dem zu Ehren er selbst fortan Echnaton heißen werde, daß die Priester der anderen Gottheiten ihre Existenz bedroht sahen und das Volk murrte, da man doch den Zorn der Götter heraufbeschwor, wenn man sich von ihnen abwandte und nur noch dem einen huldigte. Echnaton wurde gestürzt, und die Kinder Israels, von denen nicht wenige in gehobene Stellungen aufgestiegen waren und die es sich an den Fleischtöpfen Ägyptens gutgehen ließen, mußten allesamt zurück ins Joch der Fron.

Da aber, so interpretiert Sigmund Freud die wenigen bekannten Tatsachen, kam ein versprengter Anhänger des gestürzten Pharao zu den Kindern Israels und bot ihnen seine Führung an, wenn sie sich der Religion des einzigen Gottes anschließen wollten. Dieser Mann trug den Namen Moses, sprach kaum Hebräisch (weshalb sein Bruder Aaron fortwährend dolmetschen mußte) und träumte von einem eigenen Reich. - Das alte Testament ist in der Folge eine Auflistung von Bluttaten, bis die Juden, wie sie später hießen, ihr eigenes Land erobert und zusätzlich die Philister besiegt und vertrieben hatten. David besiegte Goliath, den Hünen aus Philistaia.

David, der die jüdischen Stämme geeinigt hatte, brauchte für seine neue Hauptstadt Jerusalem Palast und Tempel. Da die Israeliten im Wesentlichen ein Bauern- und Hirtenvolk waren, wandte er sich an das benachbarte Tyros um Baumeister, Handwerker und Baumaterial. Salomo, Sohn Davids, machte die Verträge perfekt und mußte zur Bezahlung des Prunks gewaltige Steuern erheben. Die Beziehungen der Herrscherhäuser aber gediehen ebenso prächtig wie die Bauten. Ahab ehelichte eine Tochter des tyrischen Stadtkönigs, Isebel, und erlaubte dieser, wie damals üblich, daß sie für ihren angestammten Glauben (den sie nicht aufzugeben brauchte, auch das gängige Praxis) Tempel errichten und Priester bestellen ließ.

Die jüdischen Priester des Jahwe-Kults aber sahen dies mit Schrecken, denn - symbolisch - sichtbare Götter wie Baal haben ein größeres Gepränge als leere Tempel für eine Gottheit, die allenfalls als brennender Dornbusch erscheint. Sie fanden einen Sprecher in dem Propheten Elischa, Nachfolger Elijas, einem gebildeten und begnadeten Hetzer. Da das Volk unter der Steuerlast stöhnte, war die Stunde günstig. Isebels Sohn, potentieller Thronfolger nach dem Tode Ahabs, wurde ermordet, Isebel aus einem Fenster gestürzt, wonach sie, zerschmettert im Tode liegend, von den Hunden gefressen wurde. Vierhundert Baalspriester wurden vom Mob erschlagen und alle Altäre ihres Gottes zerstört. Damit war die Freundschaft zwischen Phönizien und Israel beendet, denn mit Fanatikern ist keine Freundschaft möglich.

Gerhard Herm über die Attraktivität Baals: "Von frommen Juden wurde und wird verlangt, daß sie täglich und stündlich nicht weniger als sechshundertdreizehn verschiedene Gebote und Verbote präzise respektieren. Sie müssen nicht glauben, sondern tun und durch ihr Tun etwas Bestimmtes sein: Angehörige des auserwählten Volkes. [...] Jahwe zu dienen, muß so mühsam gewesen sein, daß viele und gerade die reichen liberalen Juden gerne die Möglichkeit ergriffen, sich durch die Anerkennung Baals auf leichtere Weise zu absolutieren. Baal lebte in Blumen und Pflanzen, seine Geschichte bot Stoff für die Phantasie, war von sinnlichem Glanz überstrahlt. Er gab der Natur, was der Natur war: Blut, Samen, orgiastische Räusche. Mit der Beachtung einiger leichtverständlicher Riten konnte man an seiner Herrlichkeit teilhaben."

Man kann es auch so sehen: Jahwe war ein Fremdkörper in der orientalischen Götterwelt und Glaubensgemeinschaft. Um als Gottheit überleben zu können, mußte er viele Kompromisse eingehen. Aber erst im nächsten Kapitel.

 

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