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mein Deutschland

Reporter: Wir stehen hier vor dem letzten Wahllokal Deutschlands in Neustadt am Rübenberge. Damit ist nicht etwa eine Ortschaft am Rübenberg der europäischen Landwirtschaft gemeint, sondern eine Kleinstadt an der Leine in der Nachbarschaft Hannovers, und das Steinhuder Meer dümpelt gleich um die Ecke vor sich hin. An meiner Seite sehen Sie Herrn Walter Windhahn, der auch am morgigen Wahlsonntag wieder seinen Fuß über die Schwelle dieses mittlerweile geschichtsträchtigen Gebäudes setzen wird, um, wie schon so oft in den vergangenen neun Jahren, auch diesmal unsere Demokratie durch seine Stimmabgabe lebendig zu erhalten. Herr Windhahn, was ist das für ein Gefühl, der einzige Wähler in ganz Deutschland zu sein?
Windhahn: Beim ersten Mal war ich verblüfft und auch ein wenig verlegen. Immerhin entscheidet ja die Mehrheit über die Regierung - sage ich jetzt mal einfach so - und daß ich, und nur ich, diese Mehrheit sein sollte, also, das kam mir erstmal ziemlich absurd vor.
Reporter: Das war wohl wie ein Schock für Sie?
Windhahn: Das war schon ein richtiger Schock. Aber mittlerweile habe ich diesen Zustand als mein Schicksal akzeptieren gelernt; der Rest ist Routine. Für mich ist die Situation auch ausgesprochen vorteilhaft, wissen Sie? Ich kann mir meinen Arbeitsplatz nach Lust und Laune aussuchen. Ich bezahle nur eine symbolische Miete. Und schenkt mir eine Partei einen Fernseher, bekomme ich von den anderen Parteien im Handumdrehen eine Waschmaschine, eine Tiefkühltruhe, ein Haifischbecken, eine Marx-Büste, Deutschlandfahnen und was weiß ich. Mir geht's besser denn je zuvor.
Reporter: Würden Sie diese Geschenke als eine Art Bestechungsversuche bezeichnen?
Windhahn: Haha, die reißen sich alle förmlich den Arsch auf, um meine Stimme zu bekommen! Damit sie abends im Fernsehen sagen können: "der Wähler" hat uns den Auftrag gegeben usf. So ist das jetzt, Partei X hat 100 Prozent, alle übrigen null; und: "der Wähler" bin ich. - Bevor der Westerwelle mit seinem Guidomobil ins Kanzleramt gerammt ist, hat der mir noch angeboten, mich zum Bundespräsidenten zu machen!
Reporter: Herr Windhahn, mit einiger Berechtigung kann man Sie als den Königsmacher unserer Demokratie bezeichen. Nach welchem Prinzip oder welchen Prinzipien geben Sie Ihre Stimme, wollen Sie das den Zuschauern verraten?
Windhahn: Das werde ich auf keine Fall verraten, weil sonst die Beeinflussungsversuche noch sehr viel dreister würden. Aber es wird die Zuschauer interessieren, daß Neustadt am Rübenberge seit mehr als fünf Jahren - seit feststeht, daß außer mir niemand mehr zu Wahlen geht - sämtlichen Bundesländern angehört und als Gemeinde gewisse Privilegien genießt. Das heißt, es geht nicht nur mir gut, sondern auch meinen Nachbarn, und die sind mir allesamt dankbar. Ein schönes Gefühl.
Reporter: Nun gibt es vereinzelt Stimmen, die ein radikales, ein sehr radikales Vorgehen gegen Unruhen und Plünderungen wie jüngst in Leipzig und Frankfurt, fordern. Äh - Frankfurt am Main. Da diese Meuterer - manche nennen sie auch Staatsfeinde - ohnehin nicht zu den Wahlen gingen, seien sie auch für die Demokratie entbehrlich ...
Windhahn: Also, nein. Da wollen Sie jetzt etwas aus mir herauskitzeln. Nein, nein. Ich sage jetzt einfach mal so: leben und leben lassen. Nicht wahr?!
Reporter: Walter Windhahn, der letzte Wähler Deutschlands. Vielen Dank und Auf Wiedersehen aus Neustadt am Rübenberge.

Heute bin ich bei brütender Hitze über die Dörfer geradelt. Weil Name Schall und Rauch ist und ich juristischen Querelen aus dem Weg gehen will, seien die Ortsnamen verschwiegen (bis auf einen). Zwischen drei und vier Uhr quälte ich mich über den Geestrücken in der Syker Gegend. Die Luft war so heiß, das ich sie kaum einatmen konnte. In den Ortschaften kam es noch schlimmer: es roch nach - ja, wie sage ich das jetzt? Nach Stall. Dung. Pisse hauptsächlich. Penetrant, betäubend, unerträglich. Schließlich gelangte ich nach Aahausen - Nomen est Omen? Falsch, dort blieb mir wider Erwarten der stallgeschwängerte Dunst erspart.

In Münster soll es einen ganzen See voll Aa geben, der auch danach benannt ist : "Aasee". In Münster möchte ich ebensowenig leben wie in Darmstadt. (In der ersten Fassung hatte ich den Aasee nach Wiesbaden verlegt. Die Wiesbadener werden aber kaum auf ihre Oos verzichten wollen. Zumindest nicht wegen meiner Schwierigkeiten mit den Aas und den Oos.)

Deutschland ist das Land mit den meisten Schweizen. Wie es die Schweiz bei uns zu solcher Beliebtheit gebracht hat, ist mir nicht bekannt, aber es gibt kaum eine Region in Deutschland, die nicht über ihre eigene Schweiz verfügt. Diese nachgemachten Schweizen sind natürlich kleiner und nicht so eindrucksvoll wie das Original. Holsteinische, Märkische, Mecklenburgische, sogar , um nur ein paar zu nennen. Selbst bei der Ortschaft Lilienthal gibt es eine: die Heidberger Schweiz. Die ist aber so klein, daß sie nur Platz für ein Hinweisschild am Straßenrand bietet.


schweiz.jpg


(Die mangelnde Bildqualität bitte ich zu entschuldigen. Wegen Nichtbesitzes einer Digitalkamera mußte ich auf dieses Pseudo-Luftbild zurückgreifen.)

Essen mag man nicht mehr, wenn man im Ruhrgebiet wohnt.

 

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