1968
aus aller Welt
ballaballa
Beobachtungen in der Natur
charmsing
deutsche kenneweiss
Dicki TV
Dickimerone
Dickis Reisen
die kleine Anekdote
dirty old town
Empfehlung
Erwins Welt
Eugen
in eigener Sache
Java
... weitere
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren
icon

 
- und zwar unwiderbringlich - ist die Geschichte meiner Vorfahren. Ich war zu jung, um die Großeltern väterlicherseits zu befragen, und nicht reif genug, um die Großeltern mütterlicherseits auszuquetschen. Erstere starben, bevor ich Vier wurde, letztere lebten in Amsterdam und waren schwerer erreichbar.

Heute könnte ich auf ihren - gewiß persönlich eingefärbten - Geschichten und Erinnerungen einen Rückblick bis ins späte neunzehnte Jahrhundert aufbauen. Der Urgroßvater von Mutterseite hatte im deutsch-französichen Krieg von 1870/71 "als Soldat im Felde gestanden" und sich dann in die Niederlande abgesetzt; sein Sohn gründete ein "Electriciteitsbureau", als Elektrizität noch hochmodern war, Anno 1913. Seine Frau, die praktischerweise die Geschäftsbücher führte, entstammte einer gutbürgerlichen Amsterdamer Familie.

Auf Vaterseite gab es den Großvater, der im Bremer Waisenhaus aufwuchs, und die Großmutter, die aus Bramscher Tuchwebersippen kam. Soviel ist immerhin bekannt. Doch haben sie alle weder ihr Leben noch ihre überlieferten Erinnerungen dokumentiert.

Heute kann ich nur noch von meiner Mutter Geschichten erfahren. "Hörensagen" hieße vor Gericht, was nicht ihre eigenen Erinnerungen sind. Bruchstücke, die nicht mehr als einen kleinen Teil des Gesamtbildes ergeben. Interessant genug, immerhin. Aber beispielsweise werde ich nie erfahren, was mein Vater als Wehrmachtssoldat getan und erlitten hat - nicht einmal meiner Mutter hat er davon erzählt, von seinen Lebensjahren 19 bis 25. Hat einen Teil von sich selbst abzuschneiden versucht. Kein Wunder, daß er tablettensüchtig wurde.

Nein, die Vergangenheit ist nicht verarbeitet; weder meine eigene im Speziellen, noch die der Deutschen im Allgemeinen.Wir taumeln durch die Zeit, ohne vollständige Identität; unter schamvoller Identifikation oder schuldgeplagter Verleugnung. Du bist Deutschland? Klären wir doch bitteschön erst einmal, was Deutschland überhaupt ist. Was immer dabei auch für den Einzelnen wie für die Gesamtheit herauskommen mag, ein unbeschriebens Blatt wird das gewiß nicht sein. Und genau damit haben wir uns auseinanderzusetzen.

Manch einer hat das durchaus schon unternommen. Eberhard Fechner will ich hier stellvertretend nennen, für "Tadellöser&Wolff", "Ein Kapitel für sich", "Die Comedian Harmonists" und etliche, mir leider nicht bekannte (halb)dokumentarische Filme. Und Bücher snd geschrieben und veröffentlicht worden, beispielsweise die Tagebücher Viktor Klemperers. Nicht Alles ist dahin, es existieren genügend zugängliche Dokumente: wenn man die Konfrontation mit sich und seiner Geschichte nicht scheut.

Die "Du bist Deutschland"-Kampagne gaukelt uns Geschichtslosigkeit vor, aber sie hat ihre eigene Nazi-Vergangenheit. Und die Frage, ob "die 68er" nicht den Kampforganisationen der Weimarer Republik - SA, Rotfrontkämpferbund, Reichbanner - glichen, als sie vom Protest zum Meinungsterror übergingen, ist offiziell noch immer unbeantwortet.

Deutschland, sieh dir selbst ins Gesicht. Erschrick meinethalben, aber verschließe nicht die Augen. Deine wohlfeil gepriesenen Dichter und Denker haben sich durch manche schlaflose Nacht gequält. Du willst Respekt? Dann orientiere dich am Ideal. Sonst halt die Fresse.
 

twoday.net AGB

xml version of this page

powered by Antville powered by Helma