Seit ca. 2 Jahren meldet sich allwöchentlich Herr Sahm, Ulrich W., in meiner Morgenzeitung anlässlich neuester Schreckensereignisse in Israel und den von Israel besetzten Gebieten zu Wort. Weil er dabei stets der israelischen Regierung, den Streitkräften und dem Mossad beste Absichten zugute hält, bei den Palästinensern aber keine Unschuldsvermutung gelten läßt, habe ich mal ein bißchen im Netz geguckt, was das wohl für ein Vogel ist.
Und siehe da, der Herr ist rührig. n-tv, cnn, Stuttgarter Zeitung, Hannoversche Allgemeine, Weser Kurier, NRZ, Berliner Morgenpost und KNA beliefert er mit seinen in streng neutraler Beobachtung gewonnen Informationen (aus Jerusalem, wo seine Unparteilichkeit seit 1975 residiert). Denn: "Als tunlichst neutraler Beobachter, erwarte ich auch von den Nachrichtenagenturen eine wertfreie Berichterstattung, ohne Adjektive oder politische Hochstapelei, als wüssten die Agenturreporter besser als die Politiker, wo es lang geht". Auch ich habe meine Zweifel, ob Reporter, die alles besser wissen, den Besserwissern in der Politik wirklich etwas voraus haben. Und, ja, natürlich wissen Politiker besser, wo es lang geht bzw. wo es langgehen soll. Die Wirklichkeit wird da allerdings auch noch ein Wörtchen mitreden wollen ...
Um ein kleines Beispiel seiner neutralen Tunlichstkeit zu geben: "Es fragt sich, wer eigentlich Scharon zum Hardliner gemacht hat. Bei nüchterner und unvoreingenommener Betrachtung ist seine Politik eher pragmatisch und je nach Situation mal hart, mal nachgiebig und in jedem Fall konsistent und wechselhaft zugleich". Sofern er den Obsthändler Sharon aus Haifa meint, mag er recht haben. Was "konsistent und wechselhaft zugleich" bedeuten soll, ist mir allerdings überhaupt nicht klar, im Gegensatz zu den Absichten des Staatslenkers Sharon. Die sind an seinen Taten deutlich abzulesen und steuern auf eine Endlösung der Palästinenserfrage zu, bei gleichzeitiger Einsperrung der israelischen Bevölkerung in ein Ghetto - muß uns die Grenzmauer um das (ganz nebenbei großzügig erweiterte) Staatsgebiet nicht an das Warschauer Ghetto erinnern? Aber man lese sich getrost den vollständigen Vortrag Herrn Sahms durch, um sich von seiner (Sahms) Neutralität zu überzeugen.
Die Welt schaut auf Rafah, und was sie dort mit ansehen muß ekelt sie, empört sie und treibt ihr die Schamröte ins Gesicht. Inzwischen werden Truppen zurückbeordert. Ich versuche mich als Prophet und sage einen Selbstmordanschlag innerhalb der nächten 24 Stunden voraus, der die israelische Armee - leider! und gegen ihren Willen! - zwingen wird, nach Rafah zurückzukehren - und ganze Arbeit zu machen. Immerhin hat die UN-Resolution (ohne Veto der USA) gegen das Vorgehen in Rafah, dessen blutigen Höhepunkt Granaten in eine Demonstration markierten, die Sharon-Regierung zu einem taktischen Rückzieher veranlaßt.
Auch Herr Sahm zeigte sich erschüttert. Ob Israel hier doch etwas falsch gemacht hat? Aber das darf nicht sein.
"Keine Menschenseele wagt sich mehr auf die Straße (...)". So berichtete eine Reporterin (...), während israelische Soldaten sich Gefechte mit bewaffneten Palästinensern lieferten.
Doch gestern Nachmittag änderten die Palästinenser ihre Taktik. In Rafah versammelten sich etwa dreitausend Männer, darunter Kinder und Jugendliche. Die "relativ friedliche Demonstration" (...) näherte sich israelischen Stellungen.
Sahm schildert kurz den Angriff eines Apache-Hubschraubers und beschreibt die Verletzungen der Toten und Überlebenden in blutigen Details. Dann widmet er sich der Frage, wie das geschehen konnte. Er will objektive Informationen - so meine Interpretation - und befragt die richtigen Leute.
"Faktisch hat der Kampfhubschrauber nur eine Rakete in ein offenes Feld zwecks Abschreckung geschossen. Es ist unklar, wodurch die Demonstranten getroffen wurden" zitiert er einen Militärsprecher.
Erst gegen Abend, ohne alle Ermittlungen abgeschlossen zu haben, behauptete eine Militärsprecherin, daß die Demonstranten in Richtung einer israelischen Stellung vorrückten. Eine Hubschrauberrakete in ein offenes Feld habe die Demonstranten nicht abgeschreckt. Soldaten hätten dann Warnschüsse mit einem Maschinengewehr und dann vier Panzergranaten in Richtung eines "leerstehenden Hauses" abgeschossen. Die Soldaten hätten die Demonstranten "angeblich nicht gesehen". Nun fragt sich jeder aufmerksame Beobachter sofort, weshalb die Soldaten denn überhaupt schossen, wenn sie die Demonstranten nicht gesehen haben. Nicht so Herr Sahm. Er läßt sich seine Neutralität nicht verwässern und zitiert noch Diesen und Jenen.
Der Abgeordnete und ehemalige Geheimdienstmann Gideon Esra behauptete, daß sich unter die Demonstranten "bewaffnete Männer mit Panzerfäusten" gemischt hätten, was aber die Palästinenser dementierten. Kurz streut er eine Korrespondentenmeinung ein, zitiert eine arabischen Knesset-Abgeordneten ("Das ist ein Massaker:") um endlich den entscheidenden Verdacht zu äußern, selbstverständlich tunlichst neutral. Der ehemalige Mossadchef Dani Jatom sagte: "Es gab immer wieder kleinere Manipulationen der Palästinenser. Aber dennoch: so grausam und menschenverachtend manche Palästinenser sein können, es ist undenkbar, daß sie selber Dutzende eigener Leute töten, um politische Pluspunkte gegen Israel zu gewinnen."
So. Nun haben wir die Palästinenser als höchst verdächtig, falsch und durchtrieben einerseits, als blutüberströmte Tote und Verwundete andererseits gesehen. Aber dürfen sie auch etwas zu den Ereignissen sagen? Doch doch, seine Unabhängigkeit Sahm gibt ihnen das Schlußwort: Palästinensische Sprecher fragten: "Wo bleibt eigentlich die arabische Welt? Die äußern verbale Verurteilungen, rühren aber keinen Finger." Herr Sahm dagegen wird sich nach dieser Schlußpointe die Finger abgeleckt haben: guck doch mal, die dussligen Araber!
Vermutlich sind Herrn Sahms Finger geschmacksneutral.
Und siehe da, der Herr ist rührig. n-tv, cnn, Stuttgarter Zeitung, Hannoversche Allgemeine, Weser Kurier, NRZ, Berliner Morgenpost und KNA beliefert er mit seinen in streng neutraler Beobachtung gewonnen Informationen (aus Jerusalem, wo seine Unparteilichkeit seit 1975 residiert). Denn: "Als tunlichst neutraler Beobachter, erwarte ich auch von den Nachrichtenagenturen eine wertfreie Berichterstattung, ohne Adjektive oder politische Hochstapelei, als wüssten die Agenturreporter besser als die Politiker, wo es lang geht". Auch ich habe meine Zweifel, ob Reporter, die alles besser wissen, den Besserwissern in der Politik wirklich etwas voraus haben. Und, ja, natürlich wissen Politiker besser, wo es lang geht bzw. wo es langgehen soll. Die Wirklichkeit wird da allerdings auch noch ein Wörtchen mitreden wollen ...
Um ein kleines Beispiel seiner neutralen Tunlichstkeit zu geben: "Es fragt sich, wer eigentlich Scharon zum Hardliner gemacht hat. Bei nüchterner und unvoreingenommener Betrachtung ist seine Politik eher pragmatisch und je nach Situation mal hart, mal nachgiebig und in jedem Fall konsistent und wechselhaft zugleich". Sofern er den Obsthändler Sharon aus Haifa meint, mag er recht haben. Was "konsistent und wechselhaft zugleich" bedeuten soll, ist mir allerdings überhaupt nicht klar, im Gegensatz zu den Absichten des Staatslenkers Sharon. Die sind an seinen Taten deutlich abzulesen und steuern auf eine Endlösung der Palästinenserfrage zu, bei gleichzeitiger Einsperrung der israelischen Bevölkerung in ein Ghetto - muß uns die Grenzmauer um das (ganz nebenbei großzügig erweiterte) Staatsgebiet nicht an das Warschauer Ghetto erinnern? Aber man lese sich getrost den vollständigen Vortrag Herrn Sahms durch, um sich von seiner (Sahms) Neutralität zu überzeugen.
Die Welt schaut auf Rafah, und was sie dort mit ansehen muß ekelt sie, empört sie und treibt ihr die Schamröte ins Gesicht. Inzwischen werden Truppen zurückbeordert. Ich versuche mich als Prophet und sage einen Selbstmordanschlag innerhalb der nächten 24 Stunden voraus, der die israelische Armee - leider! und gegen ihren Willen! - zwingen wird, nach Rafah zurückzukehren - und ganze Arbeit zu machen. Immerhin hat die UN-Resolution (ohne Veto der USA) gegen das Vorgehen in Rafah, dessen blutigen Höhepunkt Granaten in eine Demonstration markierten, die Sharon-Regierung zu einem taktischen Rückzieher veranlaßt.
Auch Herr Sahm zeigte sich erschüttert. Ob Israel hier doch etwas falsch gemacht hat? Aber das darf nicht sein.
"Keine Menschenseele wagt sich mehr auf die Straße (...)". So berichtete eine Reporterin (...), während israelische Soldaten sich Gefechte mit bewaffneten Palästinensern lieferten.
Doch gestern Nachmittag änderten die Palästinenser ihre Taktik. In Rafah versammelten sich etwa dreitausend Männer, darunter Kinder und Jugendliche. Die "relativ friedliche Demonstration" (...) näherte sich israelischen Stellungen.
Sahm schildert kurz den Angriff eines Apache-Hubschraubers und beschreibt die Verletzungen der Toten und Überlebenden in blutigen Details. Dann widmet er sich der Frage, wie das geschehen konnte. Er will objektive Informationen - so meine Interpretation - und befragt die richtigen Leute.
"Faktisch hat der Kampfhubschrauber nur eine Rakete in ein offenes Feld zwecks Abschreckung geschossen. Es ist unklar, wodurch die Demonstranten getroffen wurden" zitiert er einen Militärsprecher.
Erst gegen Abend, ohne alle Ermittlungen abgeschlossen zu haben, behauptete eine Militärsprecherin, daß die Demonstranten in Richtung einer israelischen Stellung vorrückten. Eine Hubschrauberrakete in ein offenes Feld habe die Demonstranten nicht abgeschreckt. Soldaten hätten dann Warnschüsse mit einem Maschinengewehr und dann vier Panzergranaten in Richtung eines "leerstehenden Hauses" abgeschossen. Die Soldaten hätten die Demonstranten "angeblich nicht gesehen". Nun fragt sich jeder aufmerksame Beobachter sofort, weshalb die Soldaten denn überhaupt schossen, wenn sie die Demonstranten nicht gesehen haben. Nicht so Herr Sahm. Er läßt sich seine Neutralität nicht verwässern und zitiert noch Diesen und Jenen.
Der Abgeordnete und ehemalige Geheimdienstmann Gideon Esra behauptete, daß sich unter die Demonstranten "bewaffnete Männer mit Panzerfäusten" gemischt hätten, was aber die Palästinenser dementierten. Kurz streut er eine Korrespondentenmeinung ein, zitiert eine arabischen Knesset-Abgeordneten ("Das ist ein Massaker:") um endlich den entscheidenden Verdacht zu äußern, selbstverständlich tunlichst neutral. Der ehemalige Mossadchef Dani Jatom sagte: "Es gab immer wieder kleinere Manipulationen der Palästinenser. Aber dennoch: so grausam und menschenverachtend manche Palästinenser sein können, es ist undenkbar, daß sie selber Dutzende eigener Leute töten, um politische Pluspunkte gegen Israel zu gewinnen."
So. Nun haben wir die Palästinenser als höchst verdächtig, falsch und durchtrieben einerseits, als blutüberströmte Tote und Verwundete andererseits gesehen. Aber dürfen sie auch etwas zu den Ereignissen sagen? Doch doch, seine Unabhängigkeit Sahm gibt ihnen das Schlußwort: Palästinensische Sprecher fragten: "Wo bleibt eigentlich die arabische Welt? Die äußern verbale Verurteilungen, rühren aber keinen Finger." Herr Sahm dagegen wird sich nach dieser Schlußpointe die Finger abgeleckt haben: guck doch mal, die dussligen Araber!
Vermutlich sind Herrn Sahms Finger geschmacksneutral.
Dicki - am Fr, 21. Mai 2004, 23:41 - Rubrik: zickezacke