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Du kennst diesen Namen nicht? Dann gehörst wohl nicht zu seinen Fans, hast vielleicht nicht einmal Internet. Ohne das Internet wäre Peter Ziegen niemals .. aber beginnen wir mit dem Anfang ("Beginne mit dem Anfang, und wenn du das Ende erreicht hast, höre auf").

Schon der kleine Peter war von Fußnoten begeistert, und er begann im Alter von zwölf Jahren solche Bücher zu sammeln, die auf die ein oder andere Weise ungewöhnliche Fußnoten enthielten. Bald übte er sich im Abfassen kleiner Anmerkungen und schrieb Kladde um Kladde voll. Während er im Laufe der Jahre seinen eigenen Stil entwickelte, steuerte er gezielt auf eine Verlagstätigkeit zu, studierte nach dem Abitur Germanistik und kam nach dem Examen bei einem angesehenen Verlag unter. Das war zu der Zeit des ersten Internetbooms.

Er lektorierte Bücher und versah sie mit Fußnoten, die allerdings bereits in "seinem" ersten Buch ein Eigenleben führten, auch wenn sie sich im Einzelnen noch auf den Text bezogen. Im Zusammenhang gelesen ergaben sie eine kleine Geschichte voller Andeutungen und Rätsel, ein filigranes Meisterwerk gleich beim ersten Versuch. Aber was heißt hier erster Versuch, die unzähligen Kladden seiner Schüler- und Studentenzeit sprachen doch Bände.

Das Buch (der neueste Roman einer bekannten Autorin) wurde ein Bestseller mit einer halben Million Auflage, ein guter Start. Peter Ziegen verfeinerte seine Technik, mit oft nur einem Satz Personen, Schauplätze und Situationen zu skizzieren, ging zu freier Assoziation über und befreite seine Fußnoten zunehmend von Zusammenhängen mit dem Text, im vollen Bewußtsein seines Status als Kultautor.

Denn war zunächst nur eine handvoll Leswer auf seine Fußnoten aufmerksam geworden, so verbreitete sich sein Ruf lawinenartig durch das Internet. Fanseiten entstanden, Clubs wurden gegründet, Foren eröffnet und das Signum Lektorat: Ziegen, Peter garantierte zigtausend verkaufte Exemplare unabhängig von Autor, Sujet und Qualität.

So war er innerhalb eines Jahres (sieben Romane, zwei Sachbücher) vom Niemand zum Star aufgestiegen, doch dann gab es einen Rückschlag. Die Verlagsleitung hatte bemerkt (irgendein Neidhammel mußte ihn verraten haben), daß seine Fußnoten sich mehr und mehr verselbständigten. Vollkommen humorlos (und bar jeden Geschäftsgespürs) wurde Peter Ziegen fristlos entlassen. Nach wenigen Wochen fand er zwar einen neuen Arbeitgeber, aber nun wechselten Beschäftigung und Arbeitslosigkeit in rascher Folge.

Vielleicht hatte es damit zu tun, daß er gar nicht mehr vorgab, Fußnoten zum Text der von ihm lektorierten Bücher zu schreiben, sondern unverhohlen dem Surrealismus seiner eigenen Kreationen frönte, was über kurz oder lang auffiel bzw. gepetzt wurde. Gleichwohl mehrte er mit jedem Buch seinen Ruhm. Leider stiegen auch seine Ansprüche: es genügte ihm nicht mehr, über die Seiten verstreut mit einem oder zwei Sätzen präsent zu sein, nein, jede Seite (und dadurch das gesamte Buch) sollte von ihm geprägt sein. Immer häufiger mußte er die Verlage wechseln.

Als Ende 2006 das verheerend schlechte Buch eines bekannten Autors von Peter Ziegens derzeitigem Verlag in der vagen Hoffnung herausgebracht wurde, mit zwanzigtausend verkauften Exemplaren wenigstens die Unkosten decken zu können, geschah das Unfaßbare: der Roman erlebte eine Auflage nach der anderen und erreichte die 300000 - Peter Ziegen war auf dem Höhepunkt seiner Beliebtheit. Und er flippte völlig aus.

Anstatt dem treu zu bleiben, was ihn groß gemacht hatte, setzte er sich in den Kopf, einen Roman zu schreiben, seinen Geniestreich, wie er meinte. Unglücklicherweise schrieb er seine Geschichte wie gewohnt in Fußnoten, die das eigentliche Buch von 180 auf 600 Seiten aufblähten und fast jede Seite dominierten; nicht selten folgten einem Satz des Autors mehrere Absätze Fußnote. Zum Glück für die Fangemeinde (man trug inzwischen Buttons mit Ziegenkopf) kam das Buch als Schwarzdruck heraus, zum Pech für Peter Ziegen wollte ihn jetzt kein Verlag mehr beschäftigen. Obendrein bekam er vernichtende Kritiken von seinen Fans; so vernichtend, daß er seinem Leben ein Ende setzte.

Was ist geblieben? Ein Nachlaß von mehreren hundert Kladden, das treue Angedenken einer verschworenen Fangemeinde und die Kunstform des Fußnotenromans. Schließlich, und das ist nicht das Geringste, die Hoffnung, daß eine gereifte Menschheit (unter besonderer Berücksichtigung der Verleger) die Leistungen ihrer Fußnotenschreiber besser wird würdigen zu wissen.
 

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