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Das war eine Wohltat: einfach mal vier Tage lang die Nachrichten Nachrichten sein lassen. Keine Frontberichterstattung vom d e m Geschäftsmodell der Neuzeit, dem war on terrorism, der auf Jahrzehnte angelegt ist und nicht gewonnen werden muß: er muß nur andauern. Jungdi, das bringt Geld in Konzernkassen und auf Privatkonten. Auch keine Vollzugsmeldungen von der befohlenen Vergwaltigung der Griechen (frag die mal, wer die Terroristen sind!). Keine Reformankündigungen, Sparzwänge und Verzichtsaufforderungen, keine Lügen, keine Manipulation, keine Dummdreistigkeiten.

Es war alles so friedlich, daß ich Balzac's "Tolldreiste Geschichten" lesen konnte, in denen es derbe zugeht, aber immer mit einem Augenzwinkern. Etwa wenn die an einen Übelmann verheiratete Jungfrau ausruft: "Und wenn ich voller Löchlein wäre wie ein Sieb, es wäre doch keines für euch dabei, so häßlich finde ich euch." Oder ein anderes Eheweib, vom Mann mit ihrem Liebhaber überrascht, sich vor dem Gatten, der den Liebhaber per Degen aus der Welt beförden will, niederwirft und fleht:" Um Himmels Willen, du vergehst dich am Vater deiner Kinder!" Und vieles andere mehr; Schnurren, Possen, Zoten.

Überrascht hat mich der zeitliche Bezug: geschrieben und veröffentlicht wurden die "Contes drolatiques" zwischen 1832 und 1837, in jener nach-napoleonischen Zeit, in der pro forma ein Monarch auf dem Thron saß, die Bourgeoisie aber die Macht hatte; eine Zeit, die mit der Losung "Bereichere Dich" beschrieben wird - das kommt einem bekannt vor. Eine Zeit ohne rechte Freuden, aber the only fun in town war nicht populäre Musik und statt wie Peter Hein "es liegt ein Grauschleier über der Stadt, den meine Mutter noch nicht weggewaschen hat" zu singen, hat Balzac mit Büchern um sich geworfen (seine hohen Schulden zwangen ihn zu harter Arbeit), aus denen immer herauszulesen ist, daß Menschen Mucken und Macken haben, unzuverlässig sind, voll schlechter Angewohnheiten, von albernem Gebaren - aber sie sind Menschen, die leben, und nicht bloß Rädchen im Getriebe.

Hat jemand "Heile Welt" gesagt? Stimmt genau. Die Tristesse der westlichen Wertegemeinschaft ist überhaupt nicht anders auszuhalten, und wenn einem nichts Aktuelles unterkommt, welchselbes das Gemüt aufzuhellen geeignet ist, greift man beispielweise zu Balzac.
 

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