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Beinahe hätte ich eine Wuwuzzela gewonnen, beim Edeka, im Gewinnspiel. Wahrscheinlich heißt es korrekt Vuvuzela, aber wie alles Korrekte klingt das langweilig. Hätte ich gewonnen, könnte auch ich jetzt herumposaunen. Fußgänger schlappt auf den Radweg? Tröööt! Radfahrer eiert freihändig herum? Tröööt! Autofahrer setzt in Einbahnstraße zurück? Trööööt! Und das wäre erst der Anfang: Politiker pöbelt Volk an? Tröööt! Geschäftsfresse faselt von sozialistischen Zuständen? Tröööt! Oldieband quält sich durch Hitverschnitt? Tröööt! Fußball? - Äh, Fußball? Das ist ne ganz andere Kiste.

Welche Dramen sich da in deutschen Wohnstuben vorm Plasmabildschirm abspielen. Er will, sie nicht oder nur manchmal, Fußball gucken. Das erstreckt sich bis in homosexuelle Kreise hinein (Experten sprechen von schwul-lesbischen, korrekte Experten von lesbisch-schwulen Kreisen) und stellt uns alle auf eine arge Belastungsprobe; ich will da gar nicht von Polarisierung reden, aber eine Entzweiung droht allemal, das kann die stärkste Wuwuzzela nicht übertönen.

Eigentlich die ideale Zeit für die Bewältigung einer ausgemachten Finanzkrise, woraus wir nebenbei ersehen, daß die Elite überhaupt kein timing hat. Sicher wird hier und da was durchgedrückt und das Geschacher um Gauck und Wulff geht in die Endrunde, aber insgesamt fehlt doch das Vertrauen in die deutsche Auswahl, deren Zusammensetzung irgendwie den Sarrazinismus derer von Thilo zu bestätigen scheint.

Wie dem auch sei, die Wuwuzzela, ihr Lärm und das Drumherum, angefangen von der Bild-Meldung, Löw lerne Zeichnsprache, bis zur Ausrufung Mesut Özils als Messi, haben mich ganz aus dem Konzept gebracht, denn ich hatte Sarah Schulman loben wollen, deren frühe Romane 'Sophie Horowitz' und 'After Delores' ich in gewohnt eigenwilliger Übersetzung nach Jahren wieder gelesen habe. Doch nicht nur das Wuwuzzeln kam mir in die Quere, sondern auch - oder so:

Seit Jahren ist es ein running gag unter Freunden, daß der wahre Dicki einen Lesbenkrimi schreiben, und, falls er das je tun sollte, sich aller Klischees, derer der Originale wie jener der Übersetzungen, bedienen wird. Frauen werden Toast buttern, hohe Hacken werden auf Marmorfußböden stampfen und Leute werden egal ausehen. Und erst die Sexszenen: da gehen sich Frauen an die Wäsche, daß die Fetzen fliegen!

Nun, überspringen wir klischeebedingt die ansonsten interessante 'Sophie Horowitz' und beginnen gleich 'After Delores'. Die Ich-Erzählerin, von Delores gedemütigt, verlassen und obendrein ignoriert, durchlebt (und wir mit ihr) eine ohnmächtige Wut, die sie in Alkoholexzesse und Zerstörungsphantasien treibt. Das ist der rote Faden, an dem entlang New York, seine Einwohner und spezifischen Stimmungen beschrieben werden, aus der Sicht eines einfachen, aber in mehrerlei Hinsicht ungewöhnlichen Menschen, also verdammt interessant. Am Ende haben wir einige Illusionen überwunden, sind geläutert und konstatieren mit der Ich-Erzählerin: Es gab nur eines, was mir fehlte. Mir fehlte Delores.

Ein Wort sticht aus der Übersetzung heraus, weil es ohne Zusammenhang und ohne Rechtfertigung erscheint: sie steigt in ein Taxi, und das wird von einem Israeli gefahren. - Bitte? Hat der einen Wimpel im Fond hängen, ein Enblem auf der Windschutzscheibe, eine Tätowierung auf der Stirn? Nichts dergleichen. Vermutlich ist er im Original einfach ein 'jew'. Heilige Einfalt, unheilige correctness: Tröööt!
 

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