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Die Argumentationen laufen immer nach demselben Prinzip: die Unternehmerverbände fordern etwas, z. B. die Abschaffung des Kündigungsschutzes, das wird dann zum ökonomischen Axiom erhoben, und daraus folgt dann, daß Arbeitnehmer Nachteile aus dem Kündigungsschutz haben, weil "die Wirtschaft" unter diesen Umständen eher Mitarbeiter entlassen würde als neue einstellen. Das ist logisch - Vorteile sind Nachteile und Nachteile sind Vorteile, und Kündigungsschutz führt zu mehr Kündigungen, dessen Abschaffung hingegen zu mehr Einstellungen. Man kennt das Propagandagedöns, und man nimmt zur Kenntnis, daß diese offenbar antisozial eingestellten Figuren den Bockmist glauben, den sie verzapfen.

Zu den Fürsprechern weiterer Deregulierung - sprich Befreiung von gesetzlich festgelegten sozialen Verpflichtungen - zählt auch Dr. Brigitta Wolff von der Universität Magdeburg, die gestern einen Vortrag in unserer Stadt hielt. Auf die (an sich schon bescheuerte) Frage, ob unsere soziale Marktwirtschaft denn noch zukunftsfähig sei, antwortete sie, daß man das Label 'sozial' neu definieren müsse. Weiter wird sie mit den Worten zitiert: "Wir schieben jeden auf die ihm passende Schiene, aber fahren muss er selber."

Wer sind denn eigentlich diese "wir", die mich da auf ein Gleis setzen wollen, daß angeblich zu mir passt? Diese eindimensionalen, vom Leben nichts ahnenden Wirtschaftsfachidioten? Und wohin führt denn die Schiene - zu einem Portal mit der Aufschrift "Jedem das Seine", wie die zitierte Aussage impliziert? Weshalb soll ich nicht mein Leben leben dürfen, sondern mich auf Gleisen bewegen müssen, die mir zugewiesen werden - und nach welchen Kriterien zugewiesen? (Geld)Wertes von (Geld)Unwertem zu trennen? - Ich konstatiere: derzeit stehe ich auf einem Abstellgleis; da gibt es nichts zu fahren. "Selber fahren" bedeutet aber selbstverständlich, daß ich und niemand sonst für diesen Zustand - den die Dr. Wolffs herbeigeführt haben - verantwortlich bin. Kälteste, schwärzeste, antisozialste Heilslehre der Wirtschaft.

Wenn es so schlimm um Deutschland und seine Wirtschaft steht, wenn nur noch rigorosestes Sparen hilft - wie können sich da Unternehmen Managergehälter von mehreren Millionen Euro jährlich leisten? Wäre die Notlage real und nicht bloß heiße Propagandaluft, so müßten Manager und Politiker mit gutem Beispiel vorangehen und (natürlich streng kontrolliert) von 345 Euro monatlich leben. Was sie anderen antun wollen, müssen sie auch für sich selbst akzeptieren. - Plötzlich wären die Medien voller Jubelberichte, wie gut die deutsche Wirtschaft doch in Wahrheit dastehe.
huflaikhan meinte am 13. Mai, 00:01:
Ja, das ist furchtbar. Eine ganz schlimme Sache, wie da verhandelt wird. Aber, ehrlich, was ich nicht mehr hören kann ist diese Sache mit den Managergehältern, die so immens sind. Wir - ich denke, da sind wir auch einig - staunen darüber und halten dies für ignorant und unsinnig. So schlimm steht es wohl dann nicht um die Wirtschaft in Deutschland, auch das ist wahr, ebenso wie die durch nichts zu rechtfertigende Höhe. Und ja, es kann sogar sein, dass ein etwaiger "Partner" dann trotzdem noch Sozialhilfe bei bestimmten medizinischen Vorgängen erhält. Ja, auch das passiert.

Aber das ist doch trotzdem Popel. Und zwar, weil dies ein verschleiernder Nebenschauplatz ist. Der ist zwar so offensichtlich wie ein stinkender Kuhfladen an der Wand, aber - dies wäre meine These - der ist gewollt an dieser Stelle. Wenn man etwas so offensichtlich und heftig stinken lässt, dann verdeckt dieser Gestank etwas, was woanders liegt. Also, eine Ablenkungsgeschichte. Und die ist eher die weniger miefige, langsame Unterhölung von Demokratie und Selbstbestimmung. Ach, auch da wäre einiges wohl zu ergänzen und auszuführen. Aber, du weißt vermutlich schon, was ich meinen könnte. 
Dicki antwortete am 13. Mai, 13:59:
Was du meinen könntest, lieber Hufi, liegt vielleicht auch in der Aussage "das Label 'sozial' neu definieren": die neue Definition lautet "sozial ist, was Arbeitsplätze schafft", wie Peer Steinbrück und etliche Gesinnungsgenossen bereits zu Protokoll gaben. Mit der letzten Konsequenz, daß die Wirtschaft unter allen Umständen und ohne jede Einschränkung gefördert werden müsse. Die Verfassung - und erst recht wir - gingen und gehen davon aus, daß die direkte Hilfe und Unterstützung, Anteilnahme und Interesse für die Menschen sozial ist. Die Umwertung aller Werte ist wieder im Gange ... 
huflaikhan antwortete am 14. Mai, 18:09:
Ja.
Ja. Das Schlimme, so empfinde ich es, ist, dass das ganze so schleichend passiert ist. Eine unmerklich merkliche Verschiebung und Um- und Verformung. 
Dicki antwortete am 15. Mai, 01:50:
Da können wir doch noch froh sein: daß es so schleichend passiert. Denn das bedeutet, daß es Hindernisse und Widerstände gibt. Quälend ist das freilich, zumal wir sehen, wie Schritt um Schritt eine Gewöhnung erfolgt. Und ich kann nichts dagegen ausrichten; das bißchen bloggen, und die paar wachen Freunde. Millionen Menschen leiden unter der Funktionalisierung allen Daseins, aber sie lassen sich einlullen von bestellten Experten und dem Gelalle von Lumpenjournalisten. Und alle hoffen - wie damals - daß es schon nicht so schlimm werden wird. Warten darauf, daß jemand sie anführt und den rechten Weg weist. Ausspricht, was sie gerne denken würden, wenn sie es könnten. - Seien wir froh, daß die Veränderungen nur allmählich geschehen, vorerst. Noch gibt es Hindernisse und Widerstände, und dazu will ich meinen Beitrag leisten, sei er auch noch so gering. 
pathologe meinte am 13. Mai, 08:54:
"Wir schieben jeden auf die ihm passende Schiene, aber fahren muss er selber."
Ist das nicht der direkte Hinweis darauf, dass jeder sein Leben selbst in die Hand nehmen soll?
Und, Dicki, wenn Du eben auf das Abstellgleis gestellt wirst (ich fahre gerade auf einen Prellbock zu, hoffe aber immer noch auf eine Weiche davor), dann musst Du eben eine Ich-AG aufmachen. Selbst fahren eben. Auch, wenn Du keine Ideen hast für eine Ich-AG. Oder keine Chancen, da Deine Ausbildung Dich nicht für ein eigenständiges Ein-Dicki-Unternehmen qualifiziert. Oder Du hast absolut kein gutes Händchen für all den Finanzkram, der mit einer Ich-AG einhergeht. Alles egal. Erst mal fahren. Und wenn es an die Wand geht - Dein Problem. Du wolltest ja fahren...
Denn genau diese Situation kenne ich. Ein von der Handwerkskammer durchgeführter Ein-Jahres-Wochenendlehrgang "Betriebswirt des Handwerks", der einem all die betriebswirtschaftlichen Kniffe für das Führen eines eigenen Betriebes vermittelt (und eine Ich-AG ist das ja auch), wird nicht vom Arbeitsamt unterstützt. [Sarkasmus] Es könnte ja sein, dass man mit der Ich-AG danach erfolgreich wäre. [/Sarkasmus] Lieber schickt man die Delinquenten direkt aufs Schlachtfeld. Der Stärkste/Rücksichtsloseste überlebt. Oder der Delinquent finanziert diese 3000 Euro aus eigener Tasche. Irgendwie.

Eine seltsame Welt, die einem bei Grundvoraussetzungen für die Selbständigkeit nicht hilft, aber genau diese Selbständigkeit ständig fordert. Sozial-Darwinismus? 
Dicki antwortete am 13. Mai, 14:12:
Es ist kalte Verachtung. Wer keinen Geschäftserfolg hat, ist eben unfähig, nicht zukunftsfähig. Wer ein Geschäft zugrunde richtet, dabei aber absahnt, hat sich erfolgreich auf die neuen Gegebenheiten eingestellt (und zwar vollkommen unabhängig von den jeweiligen persönlichen Voraussetzungen). Und natürlich kann jeder eine Firma führen; wenn nicht, was will diese Person dann noch, am Volkskörper schmarotzen oder was? - Natürlich habe ich längst eine wunderbare Idee für eine Dicki-AG: ich arbeite Pläne für, sagen wir mal, Störaktionen aus, die ich an interessierte Gruppen und Einzelpersonen verkaufe. AG steht dann für Aktionsgesellschaft. Sowas klingt auch immer gut. Na klar: Leistung aus Leidenschaft. 
 

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