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Eine Stunde später war Muddi am Telefon. "Bist du auch mal zuhause. Der junge Mann..." - "Herr Wischmeier-Schimmelpfeng." - "So ein blöder Name!" - "So heißt er nunmal." - "Der wollte doch mit mir einkaufen gehn. Der war viel zu schnell, ich sag, warten Sie, Sie sind zu schnell. Der hat mich nicht gehört, der hatte diesen grünen Dinger, wie heißen die, jetzt finde ich das Wort nicht..." - "Kopfhörer?" - "Ja, danke. Die hat der aufgehabt und ist weitergegangen. Da bin ich nach Hause zurück, ich kann ja auch morgen einkaufen." - "Und der junge Mann?" - "Weiß ich nicht." - "Hat der sich nicht gemeldet; angerufen oder geklingelt?" - "Was du alles wissen willst." Vermutlich hatte sie ihn vor der Tür stehen lassen. Ich wechselte schnell das Thema: "Hast du was von meinen Geschwistern gehört?" - "Sei nicht so frech zu deiner alten Mutter, ich glaub ich hör noch ganz gut."

Die Kleine-Delle klang etwas verschnupft. "Tut mir leid wegen Herrn Wischmeier-Schimmelpfeng, dem werde ich Bescheid geben. Aber noch etwas anderes: wir können Ihre Mutter nur betreuen, wenn die Bezahlung gesichert ist. Herr Stemm-Eisen vom Sozialzentrum sagte mir, daß Ihre Mutter seit einem Jahr keine Grundsicherung bezieht und ..." - "Aber der neue Antrag ist doch gestellt, am Anspruch hat sich nichts geändert!" - "Sagen Sie mir Bescheid, wenn der Antrag bewilligt ist, dann können wir die nächsten Schritte veranlassen." - "Aber Sie haben doch die Hilfsbedürftigkeit selbst gesehen! Und Herr Stemm-Eisen ebenfalls!" - "Wir haben unsere Vorschriften."

Die Bewilligung hing eigentlich nur vom aktuellen Rentenbescheid ab, den ich nachreichen mußte und selbstverständlich nachreichen wollte. Zweimal schon hatte ich bei der Rentenversicherung telefonisch um erneute Zusendung gebeten, hatte um Zusendung an meine Adresse gebeten, hatte erfahren, daß dies nicht zulässig sei, aber die Zusendung an Muddis Adresse erfolgen werde. Muddi hatte keinen Rentenbescheid, nicht das Original, nicht die erste, nicht die zweite Kopie. "Es reicht auch, wenn Sie einen Kontoauszug vorlegen, aus dem die Höhe der Rente hervorgeht," sagte mir Frau Kehraus vom Sozialzentrum. Dummerweise hatte Muddi keine aktuellen Kontoauszüge, und ihre EC-Karte befand sich im Portemonnaie, das soeben seine Verschwundenphase durchlief. Immerhin konnte ich Frau Kehraus zu einem vorläufigen Bescheid überreden.

Die Kleine-Delle war nun bereit, nach der Urlaubszeit ihre Geheimwaffe (wie ich sie taufte) einzusetzen, eine Frau Rothermund-Düvel. Wiederum war ich beim ersten Besuch zugegen. Frau Rothermund-Düvel schätzte ich auf Mitte vierzig, Problemzonen Bauch-Schenkel-Po, Flatterumhang, übergeworfenes Halstuch, Klimperkram an den Handgelenken, Leggings, Stöckelschuhe. Aber ich war klug genug, sie für kompetent zu halten. Muddi lag schlafend auf dem Sofa. Ich weckte sie, indem ich herumpolterte. Sie war leicht desorientiert, aber nicht uninteressiert. "Ich wußte nicht, daß du kommst," sagte sie, schlaftrunken blinzelnd, "hast du jetzt eine andere Frau? Die kenne ich gar nicht. Na, die andere mochte ich sowieso nicht." Offenbar hielt sie mich für meinen Bruder.

"Ich bin Frau Rothermund-Düvel von dem Pflegedienst Für Sie, ich wollte Sie kennenlernen und mal sehen, was ich für Sie tun kann." Muddi sah mich fragend an. "Das ist nicht meine Frau, Muddi. Frau Rothermund-Düvel übernimmt ab heute deine Betreuung." - "Betreuung, wieso. Ich komm ganz gut allein zurecht." - "Das ist sehr erfreulich. Ich will Sie ja auch nur unterstützen, wo Sie das wollen. Ich kann zum Beispiel mit Ihnen Einkäufe machen." Schrecksekunde für mich. "Ich geh lieber selbst einkaufen." Au weia, schon passiert. "Das sollen Sie auch, ich begleite Sie einfach nur und trage Ihre Einkaufstasche, wenn Sie wollen." - "Ich will das nicht." - "Muddi, weshalb geht ihr beide nicht ein bißchen spazieren und setzt euch irgendwo hin und trinkt ne schöne Tasse Kaffee." - "Natürlich nur, wenn Sie wollen. Ich lade Sie ein. Ist doch ein schöner Tag, um an die frische Luft zu gehen." Wir redeten ihr beide noch eine Weile zu, bis sie endlich einwilligte. Auf dem Heimweg versuchte ich mir vorzustellen, was diesmal schiefgehen würde. Vergebliche Mühe, denn erstens kam es anders, und zweitens als ich dachte.
 

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