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Heute ist wieder so ein Abend, an dem alle Geschichten miteinander verbunden sind; und während ich beginne, eine davon zu erzählen, drängen sich andere dazwischen und es wird ein endloser Sermon ohne Mittelpunkt und Struktur. Aber für alles gibt es ein paar einfache Grundregeln, und denen des Fußballspiels ("Der Ball ist rund", "Das Spiel dauert 90 Minuten") entsprechen jene des Erzählens ("Beginne mit dem Anfang, und höre auf, wenn du ans Ende gelangt bist"); versuchen wir es also. Am Anfang ist das Singlesalbum meiner Schwester - ich habe es noch -, in welches mit dickem Filzstift geschrieben steht: I love Ringo. Mit Stecknadeln an die Tapete gepinnt hingen in ihrem Zimmer Kinks, Animals, und vor allem Beatles, sämtlich aus der "Bravo" ausgeschnitten (und Lex Barker im Old-Shatterhand-Gewand als nach und nach vervollständigter "Starschnitt"), später schwärmte sie für Bee Gees und vor allem für Michel Polnareff, allerdings vermute ich, daß die Musik nur durch die Musiker für sie von erhöhtem Interesse war.

Mich interessierten die Beatles als Personen gar nicht (das kam erst viel später, als Punk für mich wurde, was Beat für meine Geschwister gewesen ist), aber ihre Musik habe ich wieder und wieder gehört: drei Singles von 1964 (die meinem Bruder geschenkt worden waren) und das Seargent Pepper Album (das meiner Schwester gehörte), dazu kam noch, was aus den allwöchentlich verfolgten Hitparaden tönte, kurz, ich hatte eine unbewußte, aber sehr genaue Vorstellung von Sound und Musik der Beatles, und dann hörte ich "Within You, Withou You" auf Seargent Pepper, interessant, aber sehr fremdartig und überhaupt nicht Beatles - kein Wunder, George Harrison hatte es mit befreundeten indischen Musikern zusammen aufgenommen. - Oh, ich bin tatsächlich bei George angekommmen, ich dachte schon, daß ich es nicht schaffen würde.

Jeder und vor allem Jede, welche einen der Fab Four anschwärmte, hatte recht, Ringo z.B. war niedlich, komisch und weckte Muttergefühle; George hingegen war einfach süß, ohne daß er hätte bemuttert werden müssen (John und Paul sowieso nicht), er schien immer in sich selbst zu ruhen; ziemlich bemerkenswert für den Jüngsten in einer jungen Band, man bedenke, daß John gerade 24 wurde, als die Beatlemania um die Welt ging (George war noch 16, als die Band ihr erstes Engagement in Hamburg hatte, anno 1961). Zeit, zum Thema zu kommen: Martin Scorcese hat einen Dokumentarfilm über George Harrison gedreht (oder eher zusammengestellt, selbst beigesteuert hat er eine Reihe von Interviews, mit Geordes Brüdern, mit Paul und Ringo, mit George Martin, Eric Clapton und vielen Freunden und Bekannten), den man sich ansehen muß, ich kann und will diesen Film nicht nacherzählen, nur so viel sei gesagt, daß dieses Werk George Harrison gerecht wird, und das beginnt schon mit dem Titel: living in the material world.

Denn dieser Junge aus Liverpool, working class wie John, Paul und Ringo, war im katholischen Glauben erzogen, fühlte sich darin aber nicht zuhause. Als er Ravi Shankar, den indischen Sitarspieler, kennenlernte, wurde er mit Aussagen konfrontiert, die ihm sofort einleuchteten: du kannst nicht glauben, wenn du nicht eine Glaubenserfahrung gemacht hast. George war tief gläubig und hatte bereits Erfahrungen gemacht, aber nicht im Rahmen der Kirche, also begann er, sich mit Buddhismus und Meditation zu beschäftigen, und zwar nicht als Selbstsuche, sondern um unmittelbar mit dem Jenseitigen in Kontakt zu treten. Sagen wir es mal so: George Harrison war ein liebevoller Mensch - liebevoll, nicht liebestoll). Der Film zeichnet in Musik und Lebensweg diese Entwicklung in all ihrer Widersprüchlichkeit nach, denn auch der spirituellste Mensch steckt in einem menschlichen Körper mit diesseitigen Bedürfnissen und Sehnsüchten. Genug, du solltest dir diesen Film über einen ungewöhnlichen Menschen und wirklichen Christen ansehen, es lohnt sich in vielerlei Hinsicht, musikalisch, historisch, menschlich, spirituell. und du elebst dort nebenbei den Maharishi ("Sexy Sadie"), einen Scharlatan, der aber auch richtige Dinge sagt, denn die Welt ist nicht in schwarz und weiß unterteilt, sondern voller Schattierungen, und auch das bedeutet "living in the material world".

Zum Schluß noch eine der vielen Nebengeschichten: als die - noch unbekannten - Beatles in Hamburg gastierten, wurde zunächst Klaus Voormann, dann durch ihn Astrid Kirchherr auf die vier Jungs aufmerksam ([Nachtrag] Papperlapapp - damals spielten Pete Best Schlagzeug und Stuart Sutcliffe Bass, Ringo war nur Wunschbeatle, es waren also fünf Beatles und noch nicht die Idealbesetzung): wegen der Musik, ihres Live-Auftritts, und vor allem, weil sie unübersehbar Persönlichkeit hatten. Ähnlich geschah es Ende der 70er in Manchester, dokumentiert in einem Film von 2007 über Manchester zwischen 1976 und 1980, in dessen Mittelpunkt Joy Division steht. Noch bevor die Band einem breiten Publikum bekannt war, hatten sich Künstler für sie begeistert; wegen der Power ihrer Musik, ihres Auftritts und ihrer Persönlichkeit. Weshalb? Menschen suchen Menschen, nicht Mittelmaß.
 

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