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Das passiert mir auch nicht alle Tage: als ich im Supermarkt meine leeren Bierflaschen in den Rückgabeautomaten schieben will, hängt da noch ein alter Bon im Schlitz, immerhin, 32 Cent. Niemand in der Nähe? Dann ist das meiner. Mit dem fremden und meinem eigenen Bon gehe ich durch die Schranke, am Brot vorbei, will bei den Salaten nach links abbiegen, vorbei an Kaffee/Tee (rechter Gang) und Waschmitteln (linker Gang), da kommt mir eine Frau Ende fünfzig entgegen, ein wenig derangiert wirkend, die Stimme ein wenig zu aufgeregt: "Wer hat meinen Zettel, ich brauche das Geld." - "Mit Pfand?" frage ich zurück, zücke schon die Brieftasche und ziehe den Bon heraus. "Ich hatte vier Flaschen Bier", sagt sie mit leicht slawischem Akzent und immer noch zu aufgeregt. "Sie sind ehrlicher Mensch", dann, als sie ihr Wertpapier in Händen hält. "Willst du, ich gebe dir ein Bier." - "Danke, das ist nicht nötig." - "Aber ich freue so! Ich nicht habe viel Geld, und gerade Tochter etwas gegeben, sie will immer so viel. Weißt du? Kinder sind teuer." - "Ja, das waren wir als Kinder auch." Mein Talent für bedeutungsschwangere Allgemeinplätze. Unsere Einkaufswege trennen sich, ich höre sie noch hinter einem Regal rufen, mit leicht slawischem Akzent und etwas zu aufgeregter Stimme: "Ehrlich währt am längsten."

Ihr Mund ist ein bißchen asymmetrisch, die Nase dick, die langen grauen Haare formlos. Ich habe so ein Gefühl, wahrscheinlich ganz falsch. Doch sie erinnert mich an andere Frauen, mit ähnlicher Stimme, mit ähnlichen Sprüngen im Gespräch (ich hab das hier sehr stringent wiedergegeben), an Frauen, die Magnete und Steine und eventuell Engelsbilder in ihrer Wohnung haben, energetisiertes Wasser trinken und regelmäßig zum Heilpraktiker pilgern, vielleicht auch schon Pillen, Pülverchen, Pilzen und Produkten der Hanfpflanze zugesprochen haben, mit einem Bein im Irrsinn stehen und sehr ähnliche Symptome zeigen wie diese Frau.

Ich halte mich etwas länger in den Gängen auf als erforderlich, weil ich hoffe, daß sie bereits gegangen sein möge, wenn ich zur Kasse komme. Denkste! Da steht sie, eine Kundin vor mir, und erzählt der Kassiererin ihre Geschichte, erblickt mich: "Dieser junge Mann ist so ehrlich, hat gegeben Zettel. - Wollen Sie Bier?" - "Danke, nein, das ist schon in Ordnung." Und sie erzählt noch Manches, mit lauter Stimme, leicht slawischem Akzent, einen Tick zu aufgeregt und ein bißchen sprunghaft. Als ich an der Reihe bin zu zahlen, geht sie von dannen. Die Kassiererin dreht sich zu ihrer Kollegin um: "Die geht mir ja so was von auf die Nerven. Neulich hätte ich die fast rausgeschmissen." Sie ist im selben Alter wie die Aufgeregte, ein einfaches Mädel mit gescheiterten Träumen, heute wieder mit einer anderen Haartönung, die Pölsterchen im Gesicht nehmen zu. Zu mir ist sie dann aber sehr freundlich, vielleicht etwas zu freundlich, doch auch das nehme ich gelassen hin. Ich meine, solange ich nicht angezickt werde?!
 

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