1968
aus aller Welt
ballaballa
Beobachtungen in der Natur
charmsing
deutsche kenneweiss
Dicki TV
Dickimerone
Dickis Reisen
die kleine Anekdote
dirty old town
Empfehlung
Erwins Welt
Eugen
in eigener Sache
Java
... weitere
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren
icon

 
Als ich heute zum Krankenhaus kam und ein paar Meter an dem Gebäude entlang zum Eingang schritt, hörte ich gedämpfte Schreie: "Aaaah! Ah! Aaaah! HILw! HILw! Aaaah! Ah!" Wurde da etwa eine Frau ohne Narkose operiert? Oder passierte sonst etwas Schlimmes? Aber nein, dies ist ein Krankenhaus. Da hat eine Frau starke Schmerzen, aber das Personal wird sich um sie kümmern.

Unterdessen hatte ich die Eingangshalle durchquert und einen Fahrstuhl bestiegen. Im dritten Stock wandte ich mich zur Chirurgie, betrat den Flur - und hörte wieder die Schreie:" Ah! Aaaah! Aaaah! Ah! Aaaah!" Die waren zuvor wohl durch ein auf Kippe geöffnetes Fenster bis zum Weg hinabgedrungen. Irritiert, beunruhigt, kopfschüttelnd betrat ich das mir bereits bekannte Dreierzimmer. Das Bett in der Mitte fehlte, der Raum wirkte irgendwie unordentlich. Die Frau bei der Tür grüßte, meine Mutter saß auf ihrem Bett am Fenster. Zur Begrüßung sprudelte sie gleich los: "Oh, das war so schrecklich, Gott sei Dank daß die jetzt raus ist. Das war nicht mehr auszuhalten." Und dann liefen ihr Tränen übers Gesicht.

Unter Mithilfe der Zimmergenossin erfuhr ich die Geschichte: Gegen Mittag hatten sie eine Neue aufs Zimmer bekommen, die "völlig idiotische" Fragen stellte, und zwar immer wieder und immer dieselben, so daß sowohl meine Mutter als auch ihre Zimmergenossin mehrmals und für längere Zeit das Zimmer verließen. Zum Abendbrot fanden sie sich wieder ein. "Ich hatte mich schon an den Tisch gesetzt, statt im Bett zu essen, da ging das wieder los und ich bin mit meinem Essen auf den Flur gegangen, ich konnte das nicht mehr ertragen."

Die Neue kriegte sich aber nicht ein, im Gegenteil, sie räumte den Nachttisch der Zimmergenossin ab, riß ein Telefon zu Boden und begann zu schreien, so daß die Stationsschwestern herbeieilten und sie aus dem Zimmer entfernten. - Meine Mutter versuchte, nun wieder gefasst, sich an die Fragen zu erinnern. Wohnen Sie auch hier? Haben Sie sich auch hier eingemietet? Kennen Sie auch Frau Soundso? In dieser Art. Ich vergaß, mich nach dem ungefähren Alter der Frau zu erkundigen; vielleicht, weil mir ein bestimmtes Bild wie eine Gewißheit vor Augen stand.

Eine Frau um die Fünfzig. Die Erschütterung, die ein Unfall, ein gebrochener Knochen mit sich bringt. Die plötzliche Unselbständigkeit. Desorientierung und zunehmende Angst in der fremden Umgebung. Die Unmöglichkeit, das Fremde zu verarbeiten, es mit der vertrauten Welt in Einklang zu bringen. Das schmale Band, das Wirklichkeit und Scheinwelt noch zusammenhält, zerreißt. Engel, Steine, Gurus oder was auch immer - fortgewischt. Schmerzend fremde Wirklichkeit. Panik. Zusammenbruch des Ich.
pathologe meinte am 9. Dez, 19:55:
Da hat Deine Mutter...
...aber Glueck gehabt. Selbe Situation bei meiner Grossmutter, die mit Oberschenkelhalsfraktur im Krankenhaus lag. Eine Mitpatientin, schon aelter, kam mit ins Zimmer. Desorientierung in hoeherer Stufe. Unkontrolliertes Schreien, volles Programm. Da sich meine Grossmutter wiederholt beschwerte, griff man wohl zur chemischen Keule. Bei meiner Grossmutter. Sie verstarb darauf eine Woche spaeter. Die Aerzte sagten was vom "Schock nach der OP", aber 3 Tage danach erst? Jedenfalls war meine Oma vom einen auf den anderen Tag auf einmal nicht mehr ansprechbar, lallte nur noch unzusammenhaengend und beschwerte sich auch nicht mehr. Einen Einblick in ihre Krankenakte und die verabreichte Medikation bekamen wir nicht, hoerten jedoch unter der Hand etwas von starken Beruhigungsmitteln mit Nebenwirkungen... 
Dicki antwortete am 10. Dez, 12:32:
Das ist ja ein starkes Stück! Hat deine Familie versucht, das aufzuklären? 
pathologe antwortete am 10. Dez, 14:12:
Sicher. Aber eine weissgekleidete Kraehe hackt der anderen kein Auge aus. Und als medizinischer Laie einen Beweis fuehren gegen Fachleute, die sicherlich "vergessen" haben, verabreichte Dosen oder Medikamente aufzufuehren, welche Chancen hat man da? "Jetzt haben sie sich mal nicht so, 92 ist doch ein gesegnetes Alter,..."

Vorbei, 2 Jahre schon, was soll man machen?

Ich habe die starke Vermutung, dass da Einiges in Krankenhaeusern passiert, was man frueher als "Euthanasie" bezeichnete. Heutzutage heisst das dann wohl "Kollateralschaden". 
Dicki antwortete am 12. Dez, 18:34:
So weit würde ich denn doch nicht gehen. Bei dem zunehmenden (und verordnetem) Kostendruck bleiben zwangsläufig Patienten auf der Strecke. Das ließe sich leicht vermeiden, klopfte man den Wirtschaftsfanatikern mal kräftig auf ihre dummdreisten Wurstfinger. Nur: wer soll's tun? Wer kann's tun? 
 

twoday.net AGB

xml version of this page

powered by Antville powered by Helma