Am Vorabend des Vatertages saß ich mit Maura erst vorm "Lemans", später im "Rum Bumpers". Diesmal hatte ich mir den Hinweis verkniffen, daß ich kein Geld habe, um in Kneipen zu saufen; glaubte aber auch, nach drei oder vier "HappyHour"-Bieren heimwärts radeln zu können. Pustekuchen. Sieben Beck's waren es schließlich, eines davon hatte er mir ausgegeben.
Als wir das vorletzte Bier zischten und aus krümeligen Tabakresten irgendwie Zigaretten drehten, wurde unser Gespräch so richtig interessant und dauerte - ohne Zigaretten, bei einem gedehnten Bier - noch über eine Stunde. Wir sind beide Männer, die sich nicht prügeln können und deshalb den demütigenden Inszenierungen ohnmächtiger Machtbesessener folgen mußten (bzw. gelegentlich auf die Schnauze kriegten). Später - der Übergang ist aus meiner Erinnerung verschwunden - fing er von seinem Vater an. Er würde gern nochmal mit ihm sprechen können, um ihm zu sagen, daß er ihn versteht. Sein Vater war Alkoholiker, meiner ein Tablettenjunk.
Von der Sucht meines Vaters habe ich erst 15 Jahre nach seinem Tod erfahren; und es erklärte mir manches. Maura dagegen hat seinen Vater als Alkoholiker erlebt. Wie der besoffen auf dem Fußboden rumkroch; in einem Gespräch mehrfach fragte: und was hast du vor im Leben? obwohl die Frage schon mehrfach beantwortet war; den Sohn bat, für sie beide Bier zu besorgen und versuchte, ihn zum Komplizen seiner Sucht zu machen.
Kinder sind überfordert mit den Problemen ihrer Eltern. Erwachsene haben die verdammte Pflicht, sich vor ihren Kindern und für ihre Kinder zusammenzureißen. Werden die Kinder erwachsen, sollten sie allerdings Verständnis für ihre Eltern haben. Es wird ihnen umso leichter fallen, je mehr Verständnis die Elten für sie hatten . - Als ich meiner Mutter vor Jahren Vorwürfe machte, sagte sie hilflos: Ach Kind, wir hatten unsere eigenen Probleme. So ist es, und herausgekommen ist dabei ein Trotzkopf, der erst mit 40 Jahren begann, Vernunft anzunehmen.
Maura verstehe ich jetzt besser: oft schwatzt er einen mit allem Möglichen voll, ohne zu überlegen, ob das für den anderen von Belang oder überhaupt verständlich ist. Naiv-kindlich, insofern symphatisch, aber auch anstrengend. Natürlich: er sucht nach Anerkennung. Nun ahne ich, weshalb.
Ich fühle mich in meine ersten bewußten Lebensjahre zurückversetzt: wir begegneten uns auf der Straße (ich war nie in einem Kindergarten) und erzählten uns Belangloses und Intimes, naiv und vertrauensvoll: wir glaubten an das Gute in der Welt. So einer ist der Maura. Endlich mal wieder ein Mann, mit dem ich gern befreundet bin. Bei all dem Dreck in der Welt ist die Unschuld eines Menschen äußerst erfreulich und keineswegs selbstverständlich.
Als wir das vorletzte Bier zischten und aus krümeligen Tabakresten irgendwie Zigaretten drehten, wurde unser Gespräch so richtig interessant und dauerte - ohne Zigaretten, bei einem gedehnten Bier - noch über eine Stunde. Wir sind beide Männer, die sich nicht prügeln können und deshalb den demütigenden Inszenierungen ohnmächtiger Machtbesessener folgen mußten (bzw. gelegentlich auf die Schnauze kriegten). Später - der Übergang ist aus meiner Erinnerung verschwunden - fing er von seinem Vater an. Er würde gern nochmal mit ihm sprechen können, um ihm zu sagen, daß er ihn versteht. Sein Vater war Alkoholiker, meiner ein Tablettenjunk.
Von der Sucht meines Vaters habe ich erst 15 Jahre nach seinem Tod erfahren; und es erklärte mir manches. Maura dagegen hat seinen Vater als Alkoholiker erlebt. Wie der besoffen auf dem Fußboden rumkroch; in einem Gespräch mehrfach fragte: und was hast du vor im Leben? obwohl die Frage schon mehrfach beantwortet war; den Sohn bat, für sie beide Bier zu besorgen und versuchte, ihn zum Komplizen seiner Sucht zu machen.
Kinder sind überfordert mit den Problemen ihrer Eltern. Erwachsene haben die verdammte Pflicht, sich vor ihren Kindern und für ihre Kinder zusammenzureißen. Werden die Kinder erwachsen, sollten sie allerdings Verständnis für ihre Eltern haben. Es wird ihnen umso leichter fallen, je mehr Verständnis die Elten für sie hatten . - Als ich meiner Mutter vor Jahren Vorwürfe machte, sagte sie hilflos: Ach Kind, wir hatten unsere eigenen Probleme. So ist es, und herausgekommen ist dabei ein Trotzkopf, der erst mit 40 Jahren begann, Vernunft anzunehmen.
Maura verstehe ich jetzt besser: oft schwatzt er einen mit allem Möglichen voll, ohne zu überlegen, ob das für den anderen von Belang oder überhaupt verständlich ist. Naiv-kindlich, insofern symphatisch, aber auch anstrengend. Natürlich: er sucht nach Anerkennung. Nun ahne ich, weshalb.
Ich fühle mich in meine ersten bewußten Lebensjahre zurückversetzt: wir begegneten uns auf der Straße (ich war nie in einem Kindergarten) und erzählten uns Belangloses und Intimes, naiv und vertrauensvoll: wir glaubten an das Gute in der Welt. So einer ist der Maura. Endlich mal wieder ein Mann, mit dem ich gern befreundet bin. Bei all dem Dreck in der Welt ist die Unschuld eines Menschen äußerst erfreulich und keineswegs selbstverständlich.
Dicki - am Fr, 21. Mai 2004, 1:18 - Rubrik: in eigener Sache
semmel meinte am 21. Mai, 07:37:
Heikel
Heikles, weil auch sehr intimes Thema. Er würde gern nochmal mit seinem Vater sprechen können, sagt Maura. Mein (Über-)vater ist vor 20 Jahren bei einem Autounfall ums Leben gekommen. Da sind auch sehr viele Dinge offen und ungeklärt geblieben.Die Strategie, Eltern für das Nicht-zurechtkommen-mit-dem-eigenen-Leben verantwortlich zu machen, ist weit verbreitet und äußerst beliebt.