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M., der Künstlerinnenexgatte, bekennt, daß er "so eine Art Assi" sei; er habe Bilder gerahmt und mitaufgehängt und "ach du Jeh". Gerade will ich ihm erzählen, wie ein Streitsüchtiger uns auf dem Weg zur Ausstellung hat anpöbeln wollen, da bin ich an der Reihe, von der Künstlerin umarmt zu werden; sie habe in letzter Zeit soviel zu tun gehabt, aber wir hätten uns ja unterwegs gesehen - genau, da habe ich ihr zurufen müssen, weil sie irgendwie immer schon hundert Meter voraus sei, Tunnelblick oder so - oh, das sei ihr mehrfach passiert, immer in Gedanken versunken (immerzu die schweren Gedanken).

Zuerst spricht die Kulturverantwortliche des Cafes, in dem die Exponate aufgehängt sind, zu den geladenen Gästen. Sie dankt der Künstlerin, aber auch der nun eine Laudatio halten wollenden Künstlerkollegin. Diese dankt der Kulturverantwortlichen, dem Cafe und der Künstlerin, sagt Verschiedenerlei über die Exponate und dankt noch einmal der Künstlerin, die sich ihrerseits bei der Künstlerkollegin bedankt sowie bei allen, die zu der Ausstellung beigetragen haben sowie bei allen geladenen Gästen, die so zahlreich erschienen sind sowie bei dem nachfolgenden Redner von einer städtischen Institution, der sich - man ist gut erzogen - bei allen Vorrednerinnen bedankt, und dem die geladenen Gäste dankbar wären, wenn er nicht nur frei, sondern auch fließend reden wollte.

Nun können die Exponate besichtigt werden; vier im Foyer, drei im Wintergarten, sechs im Flur des Kellergeschosses und fünf im Cafe selbst. Das Neunzehnte, eine getrimmte Biographie, hängt neben der Treppe die hinunterführt, was man nicht überinterpretieren sollte. Die geladenen Gäste gehen die Fotostrecke ab, wie man heute sagt. Im Cafe sitzen Leute und wundern sich über uns Bildbetrachter, die wir ein wenig distanzlos nahe an die Tische herantreten, woran sie sitzen. Zwei Frauen schauen auf und sagen entschieden undankbar, daß sie schon überlegt hätten, die Bilder abzuhängen. Vielleicht ist es auch nicht so angenehm, im Gespräch von Gaffern unterbrochen zu werden, die beinahe mit der Gürtelschnalle gegen die Kaffeetassen stoßen, doch kann mich Kunstbeflissenen die Unbotmäßigkeit der Situation nur amüsieren.

Dankbar oder nicht, ein Teil der geladenen Gäste verlässt den Event, die Künstlerin gibt sich in einem eher familiären Kreis der Kunstbegeisterung hin und Frau P. und ich erzählen uns was von unseren Muddis. Frau P. hat der ihren kein solches Grabmal gesetzt, wie es auf den Exponaten zu besichtigen ist, aber sie hat ihre Muddi gewissermaßen in Fleisch und Blut verinnerlicht, und was ist dagegen eine in Stein gehauene Skulptur? Die Rose von einst, sie ist nicht mehr, geblieben ist nur die Erinnerung - und möge diese lebendig sein.

Vielleicht hätte Frau P. die Laudatio halten sollen. Sie würde daran erinnert haben können, daß, bevor die Ästhetik dieser abfotografierten Kunstwerke sein konnte, Schmerz und Leid erlebt werden mussten, und dafür wäre manch geladener Gast dankbarer gewesen als für das gedankenlose Gedanke.
 

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