am 11. November 1989, ging ich ins "Kairo", um endlich die "Pillbox Boys" zu sehen; eine Band aus dem Stadtteil Walle, die als ziemlich gut galt (das "Kairo" -bzw. heute "Karo" - ist ein Veranstaltungslokal in Walle). Ziemlich gut, naja, da blieb ich skeptisch.
Mitfiebernd hatte ich die zahlreichen Fernsehberichte über Maueröffnung, Menschenströme und Jubelfeiern, über lachende, weinende, singende Menschen, über Begeisterung und Sentimentalität, Erschütterung und Gefühlskitsch seit dem Abend des 9.11. verfolgt und war euphorisch gestimmt. Erstarrtes war in Bewegung geraten, die Vernunft schien zu siegen und ganz neue Perspektiven eröffneten sich (bis sie flugs von der real existierenden 'Wohlstandsgesellschaft' erstickt wurden).
Das Lokal war proppevoll ("Ey, das ist ja voll voll hier!" hatte mal ein jüngerer Gast ausgerufen), wir standen dicht an dicht, die Theke wurde als Sitzfläche genutzt. Diese Enge hätte normalerweis Streß und Gereiztheit bedeutet, nicht so an diesem Abend. Die Stimmung war ungewöhnlich gut. Über die aktuellen Ereignisse wurde nicht geredet, das war einfach kein Thema, nicht in meiner Hörweite, doch offensichtlich waren alle von einer Aufbruchsstimmung erfaßt.
Dann kamen die Jungs auf die Bühne und legten los. Nicht, daß mir jeder Song gefallen hätte. Aber sie machten eine gute Figur auf der Bühne, spielten gut und waren von ihrer Musik überzeugt, die frisch, eigenständig und kraftvoll rüberkam. Die Power der Musik entsprach der des Sängers: Stefan muß man ein Naturtalent nennen (leider nicht als Texter), der mit beeindruckender Stimme auch dann absolut sicher war, wenn er das Harmoniegerüst verließ und frei genau die richtigen Töne traf. Den tiefsten Eindruck machte ihr potenzieller Hit "American Conversation". Mit ein paar kräftigen Anschlägen leitet die Gitarre den Song ein und geht dann in ein verhaltenes Staccato auf zwei Tönen über. Der Gesang setzt ein, der Bass spielt zur Unterstützung lang ausgehaltene Noten. Nach der ersten Strophe geht das Schlagzeug los und gibt - unter einem geradlinigen Achtelnoten-Bass - mit kleinen Füllseln und Breaks dem Song einen unwiderstehlichen Drive. Über 5 Minuten und 40 Sekunden voller Wiederholungen und zwei Instrumentalbreaks halten die Musiker eine Steigerung bis zum Finale durch. - Natürlich mußten sie das Lied als Zugabe noch einmal spielen.
An keinem anderen Abend und zu keiner anderen Zeit wäre mir diese Power willkommener gewesen: verheißungsvoll wie die geöffnete Grenze und der Abriß des 'antifaschistischen Schutzwalls' durch die Mauerspechte.
Mitfiebernd hatte ich die zahlreichen Fernsehberichte über Maueröffnung, Menschenströme und Jubelfeiern, über lachende, weinende, singende Menschen, über Begeisterung und Sentimentalität, Erschütterung und Gefühlskitsch seit dem Abend des 9.11. verfolgt und war euphorisch gestimmt. Erstarrtes war in Bewegung geraten, die Vernunft schien zu siegen und ganz neue Perspektiven eröffneten sich (bis sie flugs von der real existierenden 'Wohlstandsgesellschaft' erstickt wurden).
Das Lokal war proppevoll ("Ey, das ist ja voll voll hier!" hatte mal ein jüngerer Gast ausgerufen), wir standen dicht an dicht, die Theke wurde als Sitzfläche genutzt. Diese Enge hätte normalerweis Streß und Gereiztheit bedeutet, nicht so an diesem Abend. Die Stimmung war ungewöhnlich gut. Über die aktuellen Ereignisse wurde nicht geredet, das war einfach kein Thema, nicht in meiner Hörweite, doch offensichtlich waren alle von einer Aufbruchsstimmung erfaßt.

Dann kamen die Jungs auf die Bühne und legten los. Nicht, daß mir jeder Song gefallen hätte. Aber sie machten eine gute Figur auf der Bühne, spielten gut und waren von ihrer Musik überzeugt, die frisch, eigenständig und kraftvoll rüberkam. Die Power der Musik entsprach der des Sängers: Stefan muß man ein Naturtalent nennen (leider nicht als Texter), der mit beeindruckender Stimme auch dann absolut sicher war, wenn er das Harmoniegerüst verließ und frei genau die richtigen Töne traf. Den tiefsten Eindruck machte ihr potenzieller Hit "American Conversation". Mit ein paar kräftigen Anschlägen leitet die Gitarre den Song ein und geht dann in ein verhaltenes Staccato auf zwei Tönen über. Der Gesang setzt ein, der Bass spielt zur Unterstützung lang ausgehaltene Noten. Nach der ersten Strophe geht das Schlagzeug los und gibt - unter einem geradlinigen Achtelnoten-Bass - mit kleinen Füllseln und Breaks dem Song einen unwiderstehlichen Drive. Über 5 Minuten und 40 Sekunden voller Wiederholungen und zwei Instrumentalbreaks halten die Musiker eine Steigerung bis zum Finale durch. - Natürlich mußten sie das Lied als Zugabe noch einmal spielen.
An keinem anderen Abend und zu keiner anderen Zeit wäre mir diese Power willkommener gewesen: verheißungsvoll wie die geöffnete Grenze und der Abriß des 'antifaschistischen Schutzwalls' durch die Mauerspechte.

Dicki - am Do, 11. November 2004, 21:13 - Rubrik: in eigener Sache