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Schon als Kind wußte ich um den Lügenbaron, denn in einem der Margarinebildersammelalben meiner älteren Geschwister war er mit den bekanntesten (?) Geschichten vertreten; wie er sich am eigenen Schopf aus dem Sumpf zog beispielsweise, oder einem Hirsch, den er einst mangels Schrot mit Kirschkernen zu erlegen versuchte, wiederbegegnete und jenem ein Kirschbaum aus dem Kopf wuchs und so weiter, aber es sollten noch vierzig Jahre vergehen, bis ich die gesammelten Geschichten im Original las. Ungeachtet aller filmischen Anstrengungen sind sie das Maß der Dinge und von mir wärmstens empfohlen.

Aus einer Kultursendung des öffentlich-rechtlichen Fernsehens, bevor es Privatsender gab und noch bevor das Programm, um die Einführung der Privatsender zu fördern, zur gähnenden Langeweile orientiert wurde, erfuhr ich von dem ersten Münchhausenfilm, entstanden 1943, von Joseph Goebbels höchstselbst in Auftrag gegeben anläßlich des 25-jährigen Bestehens der UfA (eine jener Produktionen, die den männlichen Mitgliedern der Crew für Monate einen Platz jenseits der Frontkämpfe des tobenden Krieges sicherte), und wie der legendäre Ritt auf der Kanonenkugel damals genial einfach tricktechnisch umgesetzt worden war. 1991 sendete das Öffentlich-Rechtliche die restaurierte Fassung (vom Original sind nach wie vor 15 Minuten verschollen), was ich leider verpasst habe: das hätte mich nun wirklich interesssiert, denn der Film war erstens propagandafreie Unterhaltung und enthielt zweitens etliche (versteckte) zeitkritische Anmerkungen; was in erster Linie Erich Kästner zu verdanken ist, der mit Sondererlaubnis (er hatte im Dritten Reich Berufsverbot) das Drehbuch schrieb - an die Presse erging Anweisung, nicht einmal andeutungswweise seinen Namen oder sein Pseudonym Berthold Bürger zu erwähnen - und Verschiedenerlei hineinpraktizierte.

Wohl aber hing ich gebannt vor der Glotze, weil in der Programmvorschau "Münchhausen" erschien; der Film entpuppte sich - zu meiner Enttäuschung, die aber nicht lange vorhielt - als Fernsehspiel nach dem Theaterstück von Walter Hasenclever; leider schlecht dokumentiert und offenbar - zu unrecht - vergessen; Hans-Joachim Kulenkampff als alternder Lügenbaron, der in eine Jugendliche verliebt ist, die ihn weidlich ausnutzt - na, so uninteressant ist das nicht.

Per Express erreichte mich heute eine Kopie von Terry Gilliams Version der Lügengeschichten, die ich vor etlichen Jahren ebenfalls im Fersehen verfolgt hatte. Als großes Trickspektakel hatte ich sie in Erinnerung, was sie auch ist, weswegen ich in der Mitte des Films versucht war, auszuschalten, aber der ganze Film ist metaphorisch angelegt und hat eine tiefere Aussage, die auch durch das Spektakel - hier noch ein tolles Bild, da noch ein phantastischer Trick, und viel Lärm - dringt und mich bei der Stange hielt; es ist Gilliams Abrechnung mit der französichen und der industriellen Revolution, spinnert wie alle seine Filme, aber nicht unwahr. Am besten ist aber die Einblendung ganz am Anfang, welche die Zeit definiert, zu der die erzählte Geschichte - jedenfalls die Rahmenhandlung - spielt: Gegen Ende des 18. Jahrhunderts - Das Zeitalter der Vernunft - Mittwoch. Damit ist eigentlich schon alles gesagt, wenn man es versteht.
 

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