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Halten wir uns nicht lange mit alten Vorstellungen auf: die Phönizier hätten schon immer im Gebiet des heutigen Libanon und bevorzugt an den bewohnbaren Küstenflecken gesiedelt, eines Tages das Kielschiff und die zur Seeschiffahrt nötigen nautischen Kenntnisse entwickelt und fortan das Mittelmeer beherrscht und den dortigen Handel dominiert. Gerhard Herm liefert in "Die Phönizier" schlüssige Argumente für einen anderen Geschichtsverlauf.

Demzufolge waren die Küstenflecken früh besiedelt; Byblos gilt als eine der frühesten Städte der Geschichte überhaupt. Sie hatten ein Pfund, mit dem sie wucherten, das waren die Zedernwälder des Libanongebirges. Das Holz der Zedern und ihr Harz war wichtig für die Rituale der Ägypter, und so gab es einen regen Handel. Aus dem Sinai strömten in mehreren Vorstößen und in einem Jahrhunderte umfassenden Zeitraum Völkerscharen in den Libanon vor (und weit dartüber hinaus, nach Ägypten ebenso wie in das Reich der Sumerer in Mesopotamien) und integrierten sich teils oder eroberten mit Feuer und Schwert. Seßhaftigkeit und Nomadentum vermischten sich im Libanon.

Gerhard Herm wundert sich, daß ausgerechnet aus Wüsteneien Scharen von Menschen strömen konnten, und ich wundere mich über sein in dieser Hinsicht starres Weltbild. Denn die Wüsten, seien es Sahara, Sinai oder Gobi, waren nicht fertig da, sondern entstanden im Laufe von Jahrtausenden auf ehemals fruchtbarem Land. Die Verdorrung ganzer Landstriche und die Ausbreitung der Wüsten trieb Menschen auf die Suche nach neuem Siedlungsgrund. Und so erreichten sie auch den Libanon.

Byblos war das Handelszentrum der Kanaanäer, wie wir die noch nicht phönizischen Städter und Siedler nennen wollen, und das mächtige Ägypten wachte darüber, daß nur mit dem Pharaonenreich Handel getrieben wurde. Die Zedernstämme wurden damals zu Flößen gebunden und an der Küste entlang an den Nil geschifft. Doch das Reich am Nil war nicht beständig; mal zerfiel es in inneren Kämpfen, mal wurde es erobert. Die Kanaanäer knüpften dann Handelsbeziehungen mit Assur und mit Babylon, um sich später den wiedererstarkten Ägyptern zu beugen.

Eine weitere Völkerwanderung wirbelte das Gefüge im nahen Osten und in der Levante durcheinander, in deren Folge zogen die sogenannten Seevölker in das östliche Mittelmeer ein, beherrschten die See und siedelten in Palästina (als Philister bekannt, ihr Landstrich wurde Philistaia genannt). Die Kanaanäer mußten den Herrschern der See Zugeständnisse machen, Ägypten als reine Landmacht büßte den freien Zugang zum Zedernholz ein. Als die Israeliten unter König David geeinigt waren, vertrieben sie die Philister, und die Seevölker schlossen sich, da ohne Hinterland, mit den Küstenbewohnern am Libanon zusammen und verschmolzen mit diesen.

Seßhaftigkeit, Nomadentum und Seeherrschaft: nun betraten die Phönizier die Geschichte. Denn erst die Seevölker brachten Kielschiff und Nautik in die Handelsstädte, zusätzlich die überlieferten Kenntnisse von fernen Ländern, deren Einwohnern und deren Bodenschätzen. Erstes Ziel waren die Kupferminen auf Kreta, und Kupfergegenstände wurden ein wichtiger Bestandteil der phönizischen Handelswaren.

Sie seien systematisch die Küsten nach Westen entlanggefahren (in rudergetriebenen Booten, die nur zur Verstärkung ein Segel mitführten), schreibt Gerhard Herm, in Abständen von ein oder zwei Tagesreisen Handelsposten anlegend, bis sie in Spanien auf von Iberern betriebene Kupferminen gestoßen seien. Damit sei der wichtigste Abschnitt der phönizischen Erkundungsfahrten abgeschlossen gewesen. Aber das ist nur seine Spekulation. Die Seevölker hatten auf ihrem langen Weg längst Kenntnis von diesen Minen erlangt und mitgebracht, und die Phönizier strebten gezielt nach diesen fernen Gefilden, wie wir getrost annehmen dürfen.

Kupferwaren, das schon erwähnte Glas: was hatten die phönizischen Händler noch im Sortiment, daß sie nicht erst erwerben und von einem fernen Land in ein anderes verschiffen mußten? Olivenöl (sie perfektionierten den Anbau von Olivenbäumen) und vor allem in Purpur und Scharlach gefärbte Stoffe. Die Farbe gewannen sie aus der Purpurschnecke, die an ihren Küsten zahlreich genug vorkam, um wenigstens kleine Mengen Gewebes damit zu färben.

Der Name "Phönizier" geht wahrscheinlich als Phoinika aus dem griechischen Wort für purpur - porphyra - abgeleitet zurück: Land des Purpurs. Vielleicht stand aber schon Kanaan für "die Roten". Die vorphönizische und früh untergegangene Stadt Ugarit soll das Verfahren der Färbetechnik entwickelt haben. Heute wird Purpur synthetisch erzeugt und hat seinen Luxusstatus verloren, doch bis in die Neuzeit hinein blieben Purpurstoffe den Herrschern und ihren Getreuen vorbehalten, als Symbol von Macht und Auserwähltheit.
 

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