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Man mag mir widersprechen, daß Kriminalromane leichte Lektüre sind, denn manche Leute zerbrechen sich gerne den Kopf über der Frage, wer der Täter sei. Krimis, die ich mag, schildern Land und Leute anhand zahlreicher Beobachtungen und benutzen den Kriminalfall nur als Aufhänger. Sobald es einem Autor gelingt, mich auf den ersten Seiten für die Personen seiner Geschichte zu interesssieren, bin ich schon zufrieden und lese auch dann weiter, wenn die erzählerischen Kniffe durchsichtig sind: wer für Geschichten empfänglich ist, kommt früher oder später den Erzählern auf die Schliche. Solange nur die Geschichte interessant ist.

Seit Jahren ist mir klar, daß die heutigen Krimiautoren in der Mehrzahl Nischenschriftsteller sind: sie haben ein Spezialwissen über eine Stadt oder ein Land in einer gegebenen historischen Epoche (kann auch Gegenwart sein), ihre Hauptperson hat moderne Ansichten (soweit sie sich mit jener Zeit vertragen und insofern die Ansichten heute als modern gelten) und sitzt zwischen allen Stühlen, ist aber sympathisch. Man recherchiert gewiß, ob die Nische noch unbesetzt ist, man guckt sich das Handwerk von erfolgreichen Autoren ab: voila, eine Krimiserie a la - na, was auch immer.

Donna Leon gehört gemäß dieser Symptomatik dazu, ist aber eine Ausnahme: sie hat sich gesagt, daß sie mit politischen Aufsätzen weniger sagen kann als mit Romanen und auch weniger Leser findet; sie schreibt über Venedig, weil sie dort lebt. In ihrem ersten Krimi steckt viel linker Kitsch, aber sie ist gereift, dann hat sie (ab dem siebten oder achten Krimi) weitergeschrieben, weil das Rezept erfolgreich war, auch wenn die Geschichten mehr Routine als Anliegen waren. Der typische Nischenautor hat kein Anliegen, sondern will vom Schreiben leben, deshalb sind die Krimis marktgerecht am Zeitgeschmack ausgerichtet. Folgerichtig steigt der Anteil politischer Korrektheit ständig, da "p.c." längst in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist.

Dennoch war ich überrascht von dem Roman einer französichen Autorin, bei dem mir nach zehn Seiten - die als Schwerkriminelle dargestellten Personen entpuppten sich als Angehörige einer Spezialeinheit der Polizei - klar war, daß ein politisches Programm abgearbeitet wird. Böse Behörden und -vertreter einerseits, verfolgte Ausländer andererseits; als Motiv ein Gemisch aus Ausländerfeindlichkeit und Profitgier. Der Grund, weshalb ich weiter und zuende las, lag in ihrer konsequenten Schwarz-Weiß-Malerei und meiner Neugier, wie weit sie das an Symptome angelehnte, aber wirklichtsfremde Stück wohl treiben werde. Und die Neugier wurde belohnt.

In was für einem Land spielt eine Geschichte, in der die Behörden und die Wirtschaft von originären Franzosen dominiert werden, die Bevölkerung hingegen, so wie sie geschildert wird, überwiegend (ja, beinahe ausschließlich) nichtfranzösich ist? Klarer Fall, das muß eine französische Kolonie sein, Algerien vielleicht oder Tschad, vor deren Unabhängigkeit. Stimmt aber nicht, als Ort der Handlung sind ausdrücklich Paris und dessen Vororte genannt. Und die Autorin scheint vor lauter Beflissenheit in Antiausländerfeindlichkeit gar nicht gemerkt zu haben, daß sie Frankreich seiner französischen Bevölkerung beraubt. Vielleicht wollte sie das auch gerne in der Realität so haben, so wie die Antideutschen Deutschland gerne von Deutschen befreit sähen; aber amüsant ist es schon, zu welcher Blindheit "p.c." führen kann.
 

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