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Eben stöberte ich einem alten Hardcover über Punk (1978 herausgegeben) und staunte nicht schlecht über den Mist, der damals von Musikologen, Kritikern und andern Journalisten verzapft worden ist. Und ich erinnerte mich. An unserer Schule tauchte der erste Punk 1976 auf, kurze Haare, meist Jens und kariertes Hemd, der einfach in dem Ruf stand, andere Musik zu hören als die in den Hitparaden oder jene der großen Rockbands. Meine erste Begegnung mit Punk (im weitesten Sinne) hatte ich durch die Musiksendung "Szene 77" (Moderator war Thomas Gottschalk), wo ich zum ersten Mal Bands wie The Motors hörte. Aber erst im Sommer '78 hatte ich alle ideologischen Hemmnisse abgelegt und begann, einschlägige Schallplatten zu kaufen, als die Mode Punk schon vorbei war und sich unter die Nachahmer erste Neutöner mischten, z.B. Public Image Limited. Die Linken, ich habe es aus nächster Nähe erlebt, kamen mit dieser Entwicklung nicht zurecht, sie konnten es nicht fassen und klapperten deshalb wild mit den ihnen vertrauten Schubladen. Die Punkszene hatte die Todsünde begangen, nicht von Revolutionären organisiert worden zu sein und sich auch nicht vereinnahmen zu lassen ...

Also schwadronierten sie von Energien, die beim Tanzen gelassen würden und nicht mehr dem Klassenkampf zur Verfügung stünden. Die Wahrheit ist, die Linken standen abseits und konnten es nicht verknusen. Dieselben Leute, deren Soundtrack großenteils von aus dem Beat hervorgegangenen progressiven Bands gespielt wurde, sahen sich einer Musik gegenüber, die von der Lebendigkeit der Sixties inspiriert der härter gewordenen Wirklichkeit musikalisch Rechnung trug. Eine der Wurzeln war der Pub Rock, wo die Bands vor kleinem Publikum zum Greifen nahe spielten und nicht für Traumgagen entrückt auf riesigen Bühnen. Und wenn das tägliche Leben schon brutal und frustrierend war, dann sollte die Musik die Brutalität spiegeln und die Frustrationen abbauen helfen - Lebenszeichen inmitten Industriebrachen, Glas und Beton und Teenage Kicks. Punk und die als New Wave bezeichnete weitere Entwicklung (aber wo will man da die Grenze ziehen, was ist noch Punk, was schon New Wave?) waren politisch unkorrekt, sie waren The Modern Dance, Unknown Pleasures, ein Killing Joke.Keineswegs unpolitisch, aber nicht an der reinen Lehre vom Klassenkampf interessiert, ohne jedes Anzeichen von sozialistischem Realismus, oder wenn, dann als Gang of Four oder They must be Russians.

Die Linken waren überfordert und hilflos. Eine junge Generation (Kinder und/oder jüngere Geschwister) zeigte ihnen die kalte Schulter und forderte Lebendigkeit ein; wo sollten die theoriegestählten Rebellen diese in ihren Konzepten unterbringen? Ihre Reaktion reichte von Ablehnung bis zum Faschismusverdacht, aber Verständnis geschweige denn Begeisterung kam nicht auf, allenfalls Duldung, da in den eigenen Reihen auch Punks erschienen. Im Grunde hat Punk klargemacht, daß die Linken mit dem Puls der Zeit und ganz allgemein mit Kultur nichs am Hut haben. Sie haben ihre ökonomisch orientierten Konzepte und verharren darin. Von einer Revolution hat die Kunst nicht mehr zu erwarten, als daß ihr neue Fesseln angelegt werden. Oder sagen wir mal so: Linke sind Kulturbanausen wie (fast) alle Politiker. Kann ja auch nicht anders sein, denn in der Politik geht es ums Tagesgeschäft, in der Kunst um das Ewige. Und in der populären Musik zuerst um das Tanzen. - Horrorvorstellung des Agitators: "Kannste tanzen?" - "Ja." - "Dann tanz ab."
 

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