1968
aus aller Welt
ballaballa
Beobachtungen in der Natur
charmsing
deutsche kenneweiss
Dicki TV
Dickimerone
Dickis Reisen
die kleine Anekdote
dirty old town
Empfehlung
Erwins Welt
Eugen
in eigener Sache
Java
... weitere
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren
icon

 
Im Juni 1981 wurde Francois Truffaut im Rahmen einer neuen Sendereihe (die nur zwei Folgen erlebte, vermutlich war sie wegen der Fimrechte an den gezeigten Ausschnitten zu teuer) zwei Tage lang interviewt, das einzige Thema waren seine Filme (die Abschrift der kompletten Sitzung erschien in deutsch unter dem Titel: "Monsieur Truffaut, wie haben Sie das gemacht?") Aus Une belle fille comme moi wurde ein längerer Ausschnitt gezeigt, daran schloß eine einzige Frage an, Truffauts Antwort geht über eine Buchseite, finis, nächster Film. Kein anderes seiner Werke wird so kurz abgehandelt, seltsam.

Und Truffauts eigene Aussagen passen dazu: "An der Kinokasse war der Film übrigens recht erfolgreich, aber, wie soll ich sagen ... sein Prestige ist gleich null. [...] Was die Kritiker angeht, glaube ich, daß es da quasi ein Mißverständnis moralischer Art gab. Man unterstellte dem Film eine verächtliche Haltung, was natürlich Unsinn war, denn ich hege eine große Sympathie für die Hauptfigur. Auch über die Intellektuellen mache sich der Film lustig, hieß es, aber da ist es das gleiche: Ich mag auch den Soziologen sehr gern, er meint es gut, er hat ein offenes Lächeln, und man spürt, wie er sich mehr und mehr in Camille verliebt, je länger das Interview dauert." Ein mißverstandener Film? Seltsam; was war daran denn so mißverständlich?

Rückblende. 1972, als Ein schönes Mädchen wie ich ins Kino kam, war es für Jugendliche und junge Erwachsene geradezu ein Muß, irgendwie links zu sein. Zum Linkssein gehörte Sympathie mit Verbrechern, denn irgendwo waren diese Täter auch Opfer, und der linke Gerechtigkeitssinn betonte das Verständnis für deren Leiden. Truffaut (in Anlehnung an einen Roman) erzählt die Geschichte eines jungen Soziologen, der eine Dissertation über weibliche Verbrecher schreiben will. Dazu interviewt der junge Mann Camille Bliss, die wegen Mordes eingebuchtet worden ist. Sie erzählt freimütig und in deftiger Sprache die Geschichte ihres Lebens.

Der Film blendet immer wieder von ihren Aussagen in ihre damaligen Erlebnisse zurück, und wir sehen, daß Bilder und Aussagen nicht übereinstimmen, daß Camille dem Soziologen einen Bären aufbindet, indem sie ihre Verantwortung für bestimmte Ereignisse herunterspielt. Offenbar hat sie mehrere Menschen auf dem Gewissen, aber sie nennt ihr Handeln, daß zum Tod führte, immer "eine Wette mit dem Schicksal". Der Soziologe, beeindruckt von ihrer Persönlichkeit, gewinnt den Eindruck, daß sie immer an die falschen Männer (und deren Mütter) geraten sei, und beginnt, sich als den Mann zu sehen, der ihr gerecht werden würde: er verknallt sich in sie.

Seine Assistentin, die das Interview vom Band abtippt, warnt ihn mehrfach, aber er hört nicht auf sie. Es gelingt ihm, eine Amateuraufnahme jener Szene zu finden, in der einer ihrer Liebhaber zu Tode kam: es ist deutlich zu sehen, daß der Mann freiwillig von einem Turm springt und keineswegs von ihr gestossen wurde. Damit ist ihre Unschuld erwiesen, sie wird entlassen, und beide beginnen ein gemeinsames Leben. Sie wird durch ihre Lebensgeschichte zum Bühnenstar, dadurch macht ihr Ehemann sie ausfindig, sie tötet ihn im Kampf, läßt den verletzten Soziologen zurück, und, schlimmer noch, schiebt ihm die Tat in die Schuhe. Ende.

Es stimmt, der Film hat keine verächtliche Haltung, man spürt das Vergnügen an der Geschichte. Man begreift außerdem, daß der Film den Linken zeigt, wohin ihr fehlgeleiteter Gerechtigkeitssinn sie treiben kann. Deshalb kam der Film bei der Kritik schlecht weg, deshalb war er aber auch ein Kassenerfolg. Wie ging es weiter?

Dem Gerechtigkeitssinn der Linken gesellte sich eine ausgeprägte Selbstgerechtigkeit hinzu, die die studentische oder allgemeiner universitäre Linke - die 68er und ihre Nachfolger haben weder die Sprache des Volkes noch die der Literatur zu sprechen vermocht - in eine bequeme Isolation trieb, wo sie heute vor sich hin mieft, weil sie es nicht nötig hat, die Theorie an der Wirklichkeit zu überprüfen: die historische Wahrheit ist doch auf ihrer Seite. Wer die historische Wahrheit auf seiner Seite hat, ist ebenso gefeit wie jemand, der Gott auf seiner Seite hat: and you don't ask questions with god on your side.

Ein schönes Mädchen wie ich hat aber mit der Wirklichkeit zu tun, stellt ebenfalls keine Fragen, und schlägt sich irgendwie durch; am Leichtesten auf dem Rücken jener Menschen, die ihr auf den Leim gehen und leicht auszunutzen sind. Seitdem sind vierzig Jahre vergangen und die Linken sind genauso von Unterhaltungselektronik, Vulgärspiritualität und Bildungsmisere geprägt wie ihre Zeitgenossen. Heute kannst du die menschenfeindlichsten Vorstellungen in ein fortschrittlich anmutendes Vokabular verpacken; solange es klingt, als sei es antirassistisch, gesundheitsfördernd und feministisch werden die Linken es besinnungslos unterstützen. Sie kämpfen wacker gegen das, was sie für Nazis halten und tragen den neuen Faschismus mit. Sie sind für Rauchverbote, helfen der Unterwelt, wo sie einen "Migrationshintergrund" hat und werden sich auch für die Abschaffung der Barbarei des Gebärenmüssens stark machen. Wer da nicht mittun mag, ist eben rechts, mit dem gibt es nichts mehr zu reden.
 

twoday.net AGB

xml version of this page

powered by Antville powered by Helma