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Vor mindestens zehn Jahren hatte ich zuletzt einen Faßbinder-Film gesehen, einen der frühen von Ende der 60er, und der hatte mich fürchterlich genervt. Abgefilmtes Theater, hätte ich geschimpft, wenn ich mir damals schon mehr Gedanken über Kino gemacht hätte. Vor allem ärgerte mich, daß die Personen nicht stimmig waren, sie folgten einen Art Hauruckpsychologie.

Das wäre es für mich gewesen mit Faßbinder, hätte ich nicht 1973 Welt am Draht voll atemloser Spannung im Fernsehen verfolgt. Voriges Jahr kaufte ich die schön gemachte Edition mit vielen Extras auf zwei DVD und war begeistert: Faßbinder hatte seinen Stoff gefunden! Die Künstlichkeit, die Scheinrealität, die Stilisierung - auf einmal passte alles und ergab ein faszinierendes Bild.

Wir erinnern uns: In einem Institut für Computersimulation werden Wirtschaftsvertreter vorstellig und wollen die Simulation zur Marktforschung nutzen. Der opponierende Programmleiter verschwindet einfach, als habe es ihn nie gegeben. Sein Assistent findet heraus, daß die so real scheinende Welt auch nur eine Simulation ist. Im happy end (ist es wirklich happy?) wird er aus der Simulation in die reale Welt transferiert. Der Schluß läßt die Frage offen, ob diese reale Welt wirklich oder simuliert ist.

In der simulierten Welt stimmt das Verhalten der Menschen: es ist eine Simulation, also haben die Objekte im Computer (als Scheinsubjekte) künstlichen Charakter, agieren künstlich d.h. im begrenzten Rahmen dessen, was im Computer als ihre Persönlichkeit angelegt worden ist. Die simulierten Menschen reden nicht miteinander, wie es authentische Menschen tun; sie bewegen sich wie auf einer Bühne und sprechen für das Publikum, aber nicht miteinander.

Der Roman, auf dem Faßbinders zweiteiliger Fernsehfilm fußt, ist visionär, und visionär ist durch seine typischen Manierismen (die Faßbinder in all seinen Filmen in Szene setzte, weshalb wohl) die filmische Umsetzung: vierzig Jahre später würden es die Spatzen von den Dächern pfeifen, daß unsere Welt zunehmend von Wesen bestimmt wird, die Menschsein simulieren, wenn die Menschheit noch die geistige Gesundheit besäße, die zu solcher Erkenntnis erforderlich ist. Die Kälte dieses Films - die Kälte der im Computer simulierten Wesen, die Kälte der Interieurs und Exterieurs - kennen wir aus unserem Erleben der heutigen Welt und ihrer Protagonisten.

Als steckten wir selbst in einer Computersimulation, finden wir uns als Objekte behandelt; ausgemessen, kategorisiert, steuerbar, auf Werte reduziert, die G-e-w-i-n-n buchstabiert werden. Diese Welt funktioniert prächtig für jene, die das Räderwerk (zu) bewegen (glauben), und deshalb zweifeln sie nicht an der Richtigkeit ihres Tuns. Daß sie dabei über Leichen gehen, ist bedauerlich. Aber daran sind die Leichen doch selbst schuld, nicht?
 

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