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Auf der Suche nach einem hartnäckig sich verborgen haltenden amtlichen Bescheid entdeckte ich Donnerstag hinter einer Buchreihe zwei umgestürzte Bände und hielt unverhofft jene Taschenbuchausgabe von "Die Schatzinsel" in Händen, die ich 1991 vom Ramschtisch einer Rostocker Buchhandlung zusammen mit Knut Hamsuns "Hunger" erstanden hatte, beide aus dem Hause Reclam jr. in Leipzig und auf einem Papier gedruckt, wie es der Goldmann Verlag in den 50ern für seine Krimireihe verwendete. Aber das ist nichts, was mich vom Lesen abhälten könnte, so las ich nach über dreißig Jahren wieder die bekannte Abenteuergeschichte.

Damals, als Kind oder vielleicht schon "Heranwachsender", hatte ich die gebundene Ausgabe, die meinem Bruder gehörte, verschlungen und oft die (erfundene) Karte der Insel betrachtet, auf der ganz korrekt die beschriebenen Buchten und Hügel, sowie das Blockhaus und die Lage des Schatzes eingetragen waren. Zusätzlich gab es einige Federzeichnungen, die mit wenigen Strichen Szenen aus der Erzählung andeuteten und ansonsten alles der Phantasie der Leser überließen. Ich erinnere mich besonders an ein Bild: auf der Schatzinsel werden drei der Piraten mit Vorräten und Tabak zurückgelassen um dort wohl für den Rest ihres Lebens zu bleiben. Sie rufen dem abfahrenden Schiff verzweifelt hinterher, flehen und bitten. Die Zeichnung lenkte meine Aufmerksamkeit besonders auf diese Szene und ich habe sie noch oft nachempfunden. - Da ist das "neue" Exemplar ein Schock: wildes Gestrichel, Figuren von fragwürdiger Anatomie und ohne Charakter, uninspiriert, ausgeführt von einem unbegabten Schuljungen?

Dennoch bereitete mir die Lektüre Vergnügen. Robert Louis Stevenson erzählt aus der Sicht des Helden, er beschreibt anschaulich und poetisch. Und nun bin ich überzeugt, daß es eine Vater-Sohn-Geschichte ist. Jim Hawkins, der jugendliche, sehr leichtsinnige Held, dem aber das Glück hold bleibt, ist von dem einbeinigen Piraten Long John Silver (einen Papagei namens Kapitän Flint auf der Schulter) fasziniert, der so gutmütig, freundlich und aufmerksam sein kann, und doch ein geldgieriger Schlächter ist, der nach eigenem Bekunden nicht einmal vor dem blutrünstigen, echten Kapitän Flint, dessen Quartiermeister er einst war, Angst hatte. Nie kann Jim sicher sein, daß Silvers Freundschaftsbekundungen echt sind, immer liegt Verrat und Mord in der Luft, und doch bedauert er Silver wegen des drohenden Todes am Galgen (wenn er Silver gerade nicht fürchtet). Und diese "Freundschaft" macht neben dem Abenteuer den eigentlichen Reiz von "Treasure Island" aus.

Stevenson spitzt den Konflikt nicht weiter zu: Long John Silver flieht auf der Rückfahrt in einem Hafen der Karibik und bleibt verschwunden. Die Überlebenden der Schatzsuche kehren als gemachte Leute nach England heim. Keine zehn Pferde könnten mich wieder nach jener Insel zurückbringen; und es sind meine schlimmsten Träume, wenn ich die Brandung um ihre Küsten tosen höre oder wenn ich im Bett in die Höhe fahre und Kapitän Flints schrille Stimme mir noch in den Ohren gellt: "Piaster! Piaster!"
semmel meinte am 11. Jun, 19:58:
Mit Twains Tom Sawyer & Huck Finn war Die Schatzinsel mein ungekröntes Lieblingsbuch. Und ich hab's später noch ein paar mal gelesen.

Um in dem Genere zu bleiben, möchte ich mal eine Empfehlung aussprechen. Edgar Allen Poe hat einen Roman geschrieben, den die wenigsten kennen: Gordon Pym. Eine Mischung aus Robinson Crusoe, der Schatzinsel und Jack Londons Südseegeschichten. Wer auf Seefahrergeschichten mit einer Prise Horror steht, sollte sich den Gordon Pym mal vornehmen.
Und dir danke für die Schatzinsel, Dicki. 
Dicki antwortete am 11. Jun, 20:24:
Da kann ich ja sofort zurückdanken. Den Gordon Pym hatte ich schon ganz vergessen, erinnere mich nur dunkel an Schiffbrüchige auf einem Floß (?). Mal eben auf den Dachboden und dann kanns losgehen. - Ach so, Tom Sawyer hab ich vor nem Monat etwa gelesen, danach hatte ich auf Huckleberry Finn nicht mehr die rechte Lust, obwohl mir gleich der Anfang besser gefiel. Na, irgendwann mal wieder. 
semmel antwortete am 11. Jun, 20:35:
...und die Schiffbrüchigen mussten was auslosen. Was ganz Schauriges. Und der olle Edgar hat das ziemlich gruselig beschrieben. 
quirinus antwortete am 11. Jun, 23:27:
Na endlich mal einer, der den Gordon Pym kennt & schätzt. Du guter Semmel. Wie wär's mit einer Band namens The Gordon Pym Experience
Dicki antwortete am 12. Jun, 13:46:
@ semmel: Der komplette Arthur Gordon Pym ist schaurig. Gestern habe ich noch bis zur Rettung der Schiffbrüchigen gelesen, aber immer wenn man hofft, kommt es noch schlimmer ...
@ quirinus: guuuter Name für eine Band. 
heinbloed meinte am 13. Jun, 23:35:
Für Fans empfehle ich "Long John Silver" von Björn Larsson oder "A General History Of The Pirates" von Daniel Defoe. 
 

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