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Kinogeplauder

Das neue Jahr ist noch keine zwei Tage alt, doch schon habe ich zwei ergreifende, entzückende Filme gesehen, nämlich erstens "Die fabelhafte Welt der Amelie" und zweitens "Nell"; beides Filme, die man sich immer wieder ansehen kann; "Amelie", weil der so voller Glücksmomente ist, ein wundervolles Märchen aus dem wahren Leben, und "Nell", weil Jodie Foster eine so überragend gute Schauspielerin ist.

Noch bevor ich "Nell" kannte und aufgrund der Kinoanzeigen, die auf Jodies Nacktheit abhoben, eitle Selbstdarstellung befürchtete, äußerte ich gegenüber einer Freundin, daß Jodie Foster schön sei: da hatte ich mich aber schön in die Nesseln gesetzt. Selbstverständlich ist Jodie Foster nicht im landläufigen Sinne schön, wenn man auch angesichts "Nell" vertreten kann, sie habe einen gefälligen Busen und sei überhaupt gut gebaut, nein, ich meinte, sie habe ein interessantes und intelligentes Gesicht, und das ist mir mehr Schönheit als alles Landläufige. Nebenbei, die Schlußszene von "Nell" sollte auch den letzten Idioten (sofern er menschliche Gefühle hat) von ihren Fähigkeiten überzeugen.

Von den Filmen, bei denen sie Regie führte, kenne ich nur zwei, das ist "Little Man Tate" über ein Wunderkind (und dessen Mutter), das sich nach Freunden und einem normalen Leben sehnt, und "Familienfest und andere Schwierigkeiten", aus dem mir der geistesverwandte Spruch in Einnnerung ist: "Wir sind nur verwandt, wir müssen uns nicht mögen"; viel mehr gibt es über Familienprobleme nicht zu sagen. Ich hatte das mal so formuliert: "Es gibt eine Verwandtschaft des Blutes und eine des Geistes", womit ich einige Partygäste erschrecken konnte; vermutlich solche, die ihrer Familie noch nicht in Reife entwachsen waren. Aber frag mal meine Geschwister, was die zu solch klugen Worten aus meinem Munde zu sagen haben ...

"Die Beine der Frauen sind die Zirkel, die den Erdball in allen Himmelsrichtungen ausmessen und ihm sein Gleichgewicht und seine Harmonie geben." Solch einen Ausspruch kann nur ein Franzose tun, nur einem Franzosen kann er vergeben werden, und nur dann, wenn er in einer Komödie von Francois Truffaut geäußert wird, die den Titel "Der Mann, der die Frauen liebte" trägt. Dieser Mann ist besessen von Beinen, die unter halblangen Röcken und Kleidern hervorlugen und sich graziös bewegen. Gleich nach dem Vorspann begibt er sich auf die Jagd nach einem Paar schlanker Waden unter einem Fransensaum, und über die Zulassungsnummer, nach Umgehung zahlreicher Hürden, trifft er die Fahrzeughalterin: eine Verwechslung, sie hatte das Auto einer Freundin überlassen. Wir finden die junge Frau bezaubernd (dieser Teufel von einem Franzosen hat sie mit der noch wenig bekannten Nathalie Baye besetzt) und wünschen uns, daß etwas zwischen den Beiden in Gang kommt, damit wir noch länger das Vergnügen ihres Charmes haben, aber nein, Bernard (Charles Denner) ist nicht interessiert, es waren nicht ihre Beine, die ihn lockten, außerdem trägt sie Hosen!

Wenn wir diesen Schock verdaut haben, erleben wir die Lebensgeschichte eines unersättlichen Liebhabers, eines Mannes, der sich fortwährend verliebt, aber anscheinend nicht lieben kann.: er lebt seine Obsession aus. Ferner sehen wir eine Auswahl interessanter Frauen (wie auch immer sie tatsächlich sein mögen, in diesem Film sind sie alle interessant), deren Beine uns egal sein können, denn es geht darum, wie sie auf diesen ewigen Charmeur reagieren, und siehe, ihre Reife verdeutlicht uns die Unreife dieses neuen Casanova. Das ist nie plakativ oder abwertend, es wird einfach seine Geschichte erzählt, und er erzählt sie selbst, denn er beginnt seine Amouren aufzuschreiben, einfach aus der Angst heraus, er könne nicht nur die Namen seiner Geliebten vergessen, was bereits geschieht, sondern auch die Erlebnisse. Das ist im wesentlichen die Handlung, der Schluß kommt unerwartet, aber konsequent, mehr ist dazu nicht zu sagen.

Truffaut lobte den Hauptdarsteller als einen der wenigen Schauspieler, den man bedenkenlos vor eine Leinwand stellen oder hinter eine Schreibmaschine setzen könne, er sei immer glaubwürdig. Vermutlich, das ist meine Meinung, wäre er auch als versteckter Schwuler glaubhaft. Jedenfalls hat er Ausstrahlung und Charme, und ohne diese Eigenschaften kommt keine Komödie zustande, man denke nur an "Blaubarts achte Frau" oder "Liebe am Nachmittag" mit dem anderweitig starken Gary Cooper: es funktioniert einfach nicht, es entsteht kein Funke, der überspringen könnte. Hier aber sprühen die Funken, und es ist ein großes Vergnügen, auch dann noch, wenn man begriffen hat, daß uns eine Tragödie mit den Mitteln der Komödie erzählt wird.

Es ist sehr zu wünschen, daß Trufffaut wiederentdeckt wird: sein Werk hat noch mehr zu bieten hat als die ewige "letzte Metro" oder das frühe "Schießen sie auf den Pianisten". Liebend gerne möchte ich "Une belle fille comme moi" wiedersehen, der einmal, vor rund 35 Jahren, im Fernsehen lief, damals, als es noch keine Privatsender gab, die das glotzende Bewußtsein bekanntlich um Dimensionen erweitert haben. Hitchcock sagte: "Manche Filme sind ein Stück Leben, meine Filme sind ein Stück Kuchen" - ich behaupte, Truffauts Filme zeigen das Leben, aber sie zeigen es als Trüffel.

 

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