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Kinogeplauder

Zwischen Hochhäusern ein Stahlnetz aufspannen, auf dem Flugzeuge landen können - ist das eine gute Idee? Joel McCrea ist davon überzeugt und bietet seiner anspruchsvollen Frau Claudette Colbert ein Luxusleben in einem Luxusappartement, nur leider bevor er einen Geldgeber für seine Erfindung an Land gezogen hat. Der Vermieter zeigt - etwas realistischer als Joel eingestellt - einem Ehepaar als zukünftige Mieter die Wohnung. Der schwerhörige Alte, ganz nebenbei Millionär, tapert herum, besieht Schlafzimmer, Bad und schließlich auch Claudette, die ihn beeindruckt. Sie solle sich von der momentanen Notlage nicht unterkriegen lassen, meint er, und drückt ihr einen Stapel Geldscheine in die Hand.

Joel ist nicht nur erfolglos, sondern auch eifersüchtig, versteht an ihrer Schilderung der Begegnung, die ihr das schöne Geld beschert hat, alles falsch, und Claudette, die das Geld zur Tilgung von Schulden ausgegeben hat, begibt sich zum Bahnhof um von New York nach Miami zu fahren zwecks Scheidung. Das wird mit viel Komik erzählt, ist aber erst der Anfang. Auch das Ende verläuft komisch bis es happy wird, aber der Höhepunkt ist die Bahnfahrt. Denn: neuer Absatz.

Denn: Claudette ist völlig blank und schafft es mit Trick siebzehn, von einem Jagdclub (ausschließlich aus älteren Millionären bestehend) in den Zug eingeladen zu werden. Die alten Jungs sind begeistert von diesem Fang und bringen ihr, gnadenlos in ihr Schlafabteil eindringend, ein Gute-Nacht-Ständchen, das von den Jagdhunden mit Geheul begleitet wird.

Derweil zwei Jäger im Salonwagen - schwer angeduselt bereits - über die Sangeslust ihrer Kollegen spotten und mal probehalber imaginäre Tontauben (oder sind es ebenso imaginäre Wachteln?) anvisieren, was zu einer Wette führt, die einen der beiden verleitet, sein Gewehr zu laden, und beide dazu bringt, vom schwarzhäutigen Kellner zu verlangen, Cracker durch den Wagen zu schleudern, die sie mehr oder weniger zur Strecke bringen, zumindest treffen sie die Fenster. Der Klang der Schüsse bringt die Sangesbrüder zur Räson, alle stürzen zu ihren Gewehren und ballern den Salonwagen zusammen. Claudette versucht in einen anderen Waggon zu fliehen, wird aber bemerkt, und der Jagdclub hetzt mit den Hunden hinter ihr her.

Sie flüchtet in eine Schlafkoje, na und so weiter, unverheirateter Millionär mit zigmal geschiedener Schwester, Joel ist hinterher gereist, alle treffen aufeinander (außer dem Jagdclub, dessen Waggon vom Zug abgehängt worden ist), aber es bleibt alles ein bißchen verhalten nach dem Wahnsinn der volltrunkenen Jagdgesellschaft.

Bleibt festzustellen, daß Fortbewegungsmittel Bewegung in Komödien bringen, ob Eisenbahn (Manche mögen's heiß) oder Bus (Es geschah in einer Nacht). Richtig eingesetzt sind sie Brausepulver, das für aufschäumendes Vergnügen sorgt, und in "Atemlos nach Florida" schäumt es gewaltig. Mein lieber Herr Gesangsverein Jagdclub!

Vor mindestens zehn Jahren hatte ich zuletzt einen Faßbinder-Film gesehen, einen der frühen von Ende der 60er, und der hatte mich fürchterlich genervt. Abgefilmtes Theater, hätte ich geschimpft, wenn ich mir damals schon mehr Gedanken über Kino gemacht hätte. Vor allem ärgerte mich, daß die Personen nicht stimmig waren, sie folgten einen Art Hauruckpsychologie.

Das wäre es für mich gewesen mit Faßbinder, hätte ich nicht 1973 Welt am Draht voll atemloser Spannung im Fernsehen verfolgt. Voriges Jahr kaufte ich die schön gemachte Edition mit vielen Extras auf zwei DVD und war begeistert: Faßbinder hatte seinen Stoff gefunden! Die Künstlichkeit, die Scheinrealität, die Stilisierung - auf einmal passte alles und ergab ein faszinierendes Bild.

Wir erinnern uns: In einem Institut für Computersimulation werden Wirtschaftsvertreter vorstellig und wollen die Simulation zur Marktforschung nutzen. Der opponierende Programmleiter verschwindet einfach, als habe es ihn nie gegeben. Sein Assistent findet heraus, daß die so real scheinende Welt auch nur eine Simulation ist. Im happy end (ist es wirklich happy?) wird er aus der Simulation in die reale Welt transferiert. Der Schluß läßt die Frage offen, ob diese reale Welt wirklich oder simuliert ist.

In der simulierten Welt stimmt das Verhalten der Menschen: es ist eine Simulation, also haben die Objekte im Computer (als Scheinsubjekte) künstlichen Charakter, agieren künstlich d.h. im begrenzten Rahmen dessen, was im Computer als ihre Persönlichkeit angelegt worden ist. Die simulierten Menschen reden nicht miteinander, wie es authentische Menschen tun; sie bewegen sich wie auf einer Bühne und sprechen für das Publikum, aber nicht miteinander.

Der Roman, auf dem Faßbinders zweiteiliger Fernsehfilm fußt, ist visionär, und visionär ist durch seine typischen Manierismen (die Faßbinder in all seinen Filmen in Szene setzte, weshalb wohl) die filmische Umsetzung: vierzig Jahre später würden es die Spatzen von den Dächern pfeifen, daß unsere Welt zunehmend von Wesen bestimmt wird, die Menschsein simulieren, wenn die Menschheit noch die geistige Gesundheit besäße, die zu solcher Erkenntnis erforderlich ist. Die Kälte dieses Films - die Kälte der im Computer simulierten Wesen, die Kälte der Interieurs und Exterieurs - kennen wir aus unserem Erleben der heutigen Welt und ihrer Protagonisten.

Als steckten wir selbst in einer Computersimulation, finden wir uns als Objekte behandelt; ausgemessen, kategorisiert, steuerbar, auf Werte reduziert, die G-e-w-i-n-n buchstabiert werden. Diese Welt funktioniert prächtig für jene, die das Räderwerk (zu) bewegen (glauben), und deshalb zweifeln sie nicht an der Richtigkeit ihres Tuns. Daß sie dabei über Leichen gehen, ist bedauerlich. Aber daran sind die Leichen doch selbst schuld, nicht?

Im Juni 1981 wurde Francois Truffaut im Rahmen einer neuen Sendereihe (die nur zwei Folgen erlebte, vermutlich war sie wegen der Fimrechte an den gezeigten Ausschnitten zu teuer) zwei Tage lang interviewt, das einzige Thema waren seine Filme (die Abschrift der kompletten Sitzung erschien in deutsch unter dem Titel: "Monsieur Truffaut, wie haben Sie das gemacht?") Aus Une belle fille comme moi wurde ein längerer Ausschnitt gezeigt, daran schloß eine einzige Frage an, Truffauts Antwort geht über eine Buchseite, finis, nächster Film. Kein anderes seiner Werke wird so kurz abgehandelt, seltsam.

Und Truffauts eigene Aussagen passen dazu: "An der Kinokasse war der Film übrigens recht erfolgreich, aber, wie soll ich sagen ... sein Prestige ist gleich null. [...] Was die Kritiker angeht, glaube ich, daß es da quasi ein Mißverständnis moralischer Art gab. Man unterstellte dem Film eine verächtliche Haltung, was natürlich Unsinn war, denn ich hege eine große Sympathie für die Hauptfigur. Auch über die Intellektuellen mache sich der Film lustig, hieß es, aber da ist es das gleiche: Ich mag auch den Soziologen sehr gern, er meint es gut, er hat ein offenes Lächeln, und man spürt, wie er sich mehr und mehr in Camille verliebt, je länger das Interview dauert." Ein mißverstandener Film? Seltsam; was war daran denn so mißverständlich?

Rückblende. 1972, als Ein schönes Mädchen wie ich ins Kino kam, war es für Jugendliche und junge Erwachsene geradezu ein Muß, irgendwie links zu sein. Zum Linkssein gehörte Sympathie mit Verbrechern, denn irgendwo waren diese Täter auch Opfer, und der linke Gerechtigkeitssinn betonte das Verständnis für deren Leiden. Truffaut (in Anlehnung an einen Roman) erzählt die Geschichte eines jungen Soziologen, der eine Dissertation über weibliche Verbrecher schreiben will. Dazu interviewt der junge Mann Camille Bliss, die wegen Mordes eingebuchtet worden ist. Sie erzählt freimütig und in deftiger Sprache die Geschichte ihres Lebens.

Der Film blendet immer wieder von ihren Aussagen in ihre damaligen Erlebnisse zurück, und wir sehen, daß Bilder und Aussagen nicht übereinstimmen, daß Camille dem Soziologen einen Bären aufbindet, indem sie ihre Verantwortung für bestimmte Ereignisse herunterspielt. Offenbar hat sie mehrere Menschen auf dem Gewissen, aber sie nennt ihr Handeln, daß zum Tod führte, immer "eine Wette mit dem Schicksal". Der Soziologe, beeindruckt von ihrer Persönlichkeit, gewinnt den Eindruck, daß sie immer an die falschen Männer (und deren Mütter) geraten sei, und beginnt, sich als den Mann zu sehen, der ihr gerecht werden würde: er verknallt sich in sie.

Seine Assistentin, die das Interview vom Band abtippt, warnt ihn mehrfach, aber er hört nicht auf sie. Es gelingt ihm, eine Amateuraufnahme jener Szene zu finden, in der einer ihrer Liebhaber zu Tode kam: es ist deutlich zu sehen, daß der Mann freiwillig von einem Turm springt und keineswegs von ihr gestossen wurde. Damit ist ihre Unschuld erwiesen, sie wird entlassen, und beide beginnen ein gemeinsames Leben. Sie wird durch ihre Lebensgeschichte zum Bühnenstar, dadurch macht ihr Ehemann sie ausfindig, sie tötet ihn im Kampf, läßt den verletzten Soziologen zurück, und, schlimmer noch, schiebt ihm die Tat in die Schuhe. Ende.

Es stimmt, der Film hat keine verächtliche Haltung, man spürt das Vergnügen an der Geschichte. Man begreift außerdem, daß der Film den Linken zeigt, wohin ihr fehlgeleiteter Gerechtigkeitssinn sie treiben kann. Deshalb kam der Film bei der Kritik schlecht weg, deshalb war er aber auch ein Kassenerfolg. Wie ging es weiter?

Dem Gerechtigkeitssinn der Linken gesellte sich eine ausgeprägte Selbstgerechtigkeit hinzu, die die studentische oder allgemeiner universitäre Linke - die 68er und ihre Nachfolger haben weder die Sprache des Volkes noch die der Literatur zu sprechen vermocht - in eine bequeme Isolation trieb, wo sie heute vor sich hin mieft, weil sie es nicht nötig hat, die Theorie an der Wirklichkeit zu überprüfen: die historische Wahrheit ist doch auf ihrer Seite. Wer die historische Wahrheit auf seiner Seite hat, ist ebenso gefeit wie jemand, der Gott auf seiner Seite hat: and you don't ask questions with god on your side.

Ein schönes Mädchen wie ich hat aber mit der Wirklichkeit zu tun, stellt ebenfalls keine Fragen, und schlägt sich irgendwie durch; am Leichtesten auf dem Rücken jener Menschen, die ihr auf den Leim gehen und leicht auszunutzen sind. Seitdem sind vierzig Jahre vergangen und die Linken sind genauso von Unterhaltungselektronik, Vulgärspiritualität und Bildungsmisere geprägt wie ihre Zeitgenossen. Heute kannst du die menschenfeindlichsten Vorstellungen in ein fortschrittlich anmutendes Vokabular verpacken; solange es klingt, als sei es antirassistisch, gesundheitsfördernd und feministisch werden die Linken es besinnungslos unterstützen. Sie kämpfen wacker gegen das, was sie für Nazis halten und tragen den neuen Faschismus mit. Sie sind für Rauchverbote, helfen der Unterwelt, wo sie einen "Migrationshintergrund" hat und werden sich auch für die Abschaffung der Barbarei des Gebärenmüssens stark machen. Wer da nicht mittun mag, ist eben rechts, mit dem gibt es nichts mehr zu reden.

Nun, der Bekannte und Ex-Kollege hatte mich gewarnt. Er ist mit einer Französin verheiratet, spricht ihre Sprache fließend, und sagte mir: klar kann ich dir den Film leihen, aber der ist Originalversion, Untertitel gibts nicht. Ist mir merde-egal, sagte ich, wenn ich nur diesen Film nach über dreißig Jahren nochmal sehen kann. Natürlich habe ich kein Wort verstanden.

Beziehungsweise gelegentlich das eine oder andere, aber was immer an Wortwitz auf der Tonspur enthalten ist, rauschte völlig an mir vorüber, beispielsweise wenn am Anfang die beiden männlichen Hauptdarsteller einander widersprechende Schilderungen des Films geben, und, natürlich, wenn am Schluß der Requisiteur eine dritte Version zu Protokoll gibt. Daß dem so ist, geht aus den Bildern hervor.

Ach so, welcher Film. La nuit americaine ("Die amerikanische Nacht", "Day for night") von Francois Truffaut, 1973 veröffentlicht. Es ist ein Film über Dreharbeiten zu einem Film ("Pamela", so die Fiktion). Die Idee ist gar nicht mal originell; schon Shakespeare hat das Theaterstück im Theaterstück auf die Bühne gebracht (z.B. in A midsummer night's dream), und das Theater im Film war nicht zuletzt in dem von Truffaut verehrten Film "Le carrosse d'or" das große Thema. Film im Film? Das gab es in "Singin' in the rain", ein Hollywoodstreifen, der den Übergang vom Stumm- zum Tonfilm behandelt, und möglicherweise Truffaut inspiriert hat.

Während ich also kein Wort verstand und nur den Bildern folgte, begriff ich, daß ich nichts verstand, aber alles begriff. Das ist Film, wenn er etwas taugt. Und Schauspieler, die etwas taugen, mögen eitel wie Sau sein, mögen sich für Nahaufnahmen ihres Konterfeis bis zur Lächerlichkeit einsetzen, mögen darauf bestehen, nur von links oder rechts im Profil aufgenommen zu werden, mögen absurde Affären während der Dreharbeiten haben: sobald die Kamera läuft, verkörpern sie ihre Rolle und vergessen sich selbst. Sicher, sie haben ein paar Techniken erlernt, die hilfreich sind. Im entscheidenden Moment aber schöpfen sie aus ihrem Inneren, ohne an ihre Erscheinung außerhalb ihrer Rolle auch nur einen Gedanken zu verschwenden. Film ist aus vielen Gründen Lüge, aber die wirklich guten Schauspieler sind authentisch in der Verkorperung eines fremden Ich.

Im Film gibt es falsche und echte Nonnen; die einen sind Nonnen durch und durch, die anderen werden im Lauf der Geschichte als unecht entlarvt. Zum Beispiel in The Lady Vanishes (von Alfred Hitchcock 1938 gedreht und immer noch sehenswert), wo sich die falsche Nonne durch das Tragen hochhackiger Schuhe verrät, sonst hätte es kein Schwein gemerkt. Denn du kannst praktisch jede Schauspielerin in eine Nonnenkluft stecken, und ihr Gesicht gewinnt dabei; außer Shirley Maclaine (Two Mules for Sister Sarah), die hat einfach kein Nonnengesicht, was andererseits dem Zuschauer hilft, ihr auf die Schliche zu kommen: in Wahrheit kommt sie aus 'nem Hurenhaus!

Das ist das Stichwort für Nude Nuns with Big Guns, ein "Sexploitation Movie", das so entstanden sein mag: Der Produzent mault in der Besprechung für den neuen Film herum, daß der erste Film der kleinen Firma zu langsam war, zu wenig Titten, zu wenig Aufregung, nur das Rächermotiv habe gestimmt. Was ihm denn für den neuen Film vorschwebe? Fiesere Verbrecher, mehr Drogen, Sexkneipen, nackte Weiber, Nonnen, Lesben. "Titten, Leute, Titten, Titten, Titten". Sehen wir es positiv - der fertige Film besteht nur aus Schlüsselszenen, kein überflüssiges Erzählen.

Dann ist da noch Black Narcissus (mit Deborah Kerr) von 1947, über ein neu eingerichtetes Kloster im bergigsten Himalaja, völlig mißlungen, aber gute Nonnengesichter. Und Vision - Hildegard von Bingen, ein Historiendrama. H. v. Bingen hat Visonen und nutzt das ihr entgegengebrachte Interesse und Wohlwollen, um ein eigenständiges Nonnenkloster, jenseits des Mönchsordens, der ihre Schar ursprünglich beherbergte (und Schwangerschaften heraufbeschwor), zu gründen. Was immer an Kritik gegen diesen Film von Margarethe von Trotta vorzubringen ist (mit Fug und Recht darf man bemängeln, daß im Jahre des Herrn Eintausendelfhundertundirgendwas Hochdeutsch gesprochen wird), er hat die Ruhe weg. Jenseits unserer modernen Hektik und angeblichen vernunft wird der Lebensweg Hildegards nachgezeichnet, und es stehen Glaube, Freundschaft und Liebe, aber auch Mißtrauen, Neid und Ehrgeiz im Mittelpunkt der Geschichte. Man muß sich darauf einlassen, auf die Thematik und das Tempo, aber dann lohnt es sich auch. Selten war ich so angeregt entspannt nach einem Film: Halle-e-lu-u-u-ja!

ist ein ziemlich komischer Film über ziemlich ernste Dinge. Jodie Foster, die hier zum ersten Mal seit fünfzehn Jahren Regie geführt hat und es in Zukunft häufiger tun will, ist der Meinung, es sei in Ordnung, anfangs zu lachen, nach und nach aber nicht mehr, weil: der Typ "is losing his mind". Tut er aber von Anfang an, und ich lache überhaupt nicht, amüsiere mich aber auf meine melancholische Art - ein erwachsener Mensch, der sich mithilfe einer Handpuppe ein neues Ich erschafft? Das ist komisch, egal wie ernst es wird, und es wird "serious as heart attack". Jodie Foster sollte aber nicht ihren - bemerkenswerten - Film interpretieren; Kunstwerke sprechen für sich selbst.

Von solchen Sachen haben gerade Journalisten keine Ahnung, und deshalb schreibt ein Paul Duncan, dessen Buch über Alfred Hitchcock und seine Filme der Taschen Verlag in Übersetzung veröffentlicht hat (wird just verramscht): "Viele Freunde deuten Hitchcocks Widerwillen, detailliert über seine Arbeit zu sprechen, als Zeichen dafür, daß er seine eigenen Filme nicht verstand." So wird es wohl sein, verehrungswürdiger Paul Duncan, der du mir diese tiefe Einsicht nahegebracht hast. - Benedikt Taschen andererseits täte gut daran, mal ein bißchen Geld locker zu machen für einen Übersetzer, der dieser Bezeichnung würdig ist: on the run for murder heißt nun einmal nicht "auf dem Weg zum Morden" und doorway ist kein "Torweg" et cetera.

The Beaver ist also selbst in den schwärzesten Szenen noch komisch und, soviel sei verraten, hat ein happy end. Weshalb sollte dieser Film überhaupt von Interesse sein? Die Hauptperson, Walter Black, ist komplett am Ende, auswegslos in seinem depressiven Dasein gefangen, und erfindet sich mithilfe der Handpuppe "The Beaver" im letzten Moment, im Augenblick seines Selbstmordes, neu. Er blüht auf, aber er ist es nicht selbst, sondern ein erfundenes Ich ohne Walters Vergangenheit, die ihn allmählich einholt, weil seine Ehefrau Meredith (und seine Söhne) ihn wollen und nicht eine Puppe. Sein künstliches Ich bricht zusammen, und er muß sich seiner Vergangenheit stellen, um eine Zukunft mit den Menschen zu finden, die ihn lieben wollen (und im Falle seines ältesten Sohnes hassen gelernt haben: "hates his father who hates his father who hates his father").

Den Film bejahe ich, den jüngsten Sohn finde ich uneingeschränkt liebenswert, aber die Darsteller des älteren Sohnes und seiner Freundin bereiten mir Unbehagen, obwohl sie ihre Sache gut machen, sehr gut sogar, völlig überzeugend: sie haben deformierte Gesichter, und damit kann ich mich nicht identifizieren; ich möchte mit ihnen sein, aber es tut mir weh. "The Beaver" selbst ist in gewisser Weise deformiert: er ist kein freundliches Spielzeug, sondern sieht von Beginn an tückisch aus, und das entspricht dem Charakter dieser Figur: nicht daß er böse wäre, er will nur um jeden Preis dominieren. Und deshalb muß er von Walter Black, als er zu sich selbst zurückkehrt, buchstäblich abgesägt werden. Eine düstere Komödie, die sich anzugucken die Mühe lohnt.

Schon als Kind wußte ich um den Lügenbaron, denn in einem der Margarinebildersammelalben meiner älteren Geschwister war er mit den bekanntesten (?) Geschichten vertreten; wie er sich am eigenen Schopf aus dem Sumpf zog beispielsweise, oder einem Hirsch, den er einst mangels Schrot mit Kirschkernen zu erlegen versuchte, wiederbegegnete und jenem ein Kirschbaum aus dem Kopf wuchs und so weiter, aber es sollten noch vierzig Jahre vergehen, bis ich die gesammelten Geschichten im Original las. Ungeachtet aller filmischen Anstrengungen sind sie das Maß der Dinge und von mir wärmstens empfohlen.

Aus einer Kultursendung des öffentlich-rechtlichen Fernsehens, bevor es Privatsender gab und noch bevor das Programm, um die Einführung der Privatsender zu fördern, zur gähnenden Langeweile orientiert wurde, erfuhr ich von dem ersten Münchhausenfilm, entstanden 1943, von Joseph Goebbels höchstselbst in Auftrag gegeben anläßlich des 25-jährigen Bestehens der UfA (eine jener Produktionen, die den männlichen Mitgliedern der Crew für Monate einen Platz jenseits der Frontkämpfe des tobenden Krieges sicherte), und wie der legendäre Ritt auf der Kanonenkugel damals genial einfach tricktechnisch umgesetzt worden war. 1991 sendete das Öffentlich-Rechtliche die restaurierte Fassung (vom Original sind nach wie vor 15 Minuten verschollen), was ich leider verpasst habe: das hätte mich nun wirklich interesssiert, denn der Film war erstens propagandafreie Unterhaltung und enthielt zweitens etliche (versteckte) zeitkritische Anmerkungen; was in erster Linie Erich Kästner zu verdanken ist, der mit Sondererlaubnis (er hatte im Dritten Reich Berufsverbot) das Drehbuch schrieb - an die Presse erging Anweisung, nicht einmal andeutungswweise seinen Namen oder sein Pseudonym Berthold Bürger zu erwähnen - und Verschiedenerlei hineinpraktizierte.

Wohl aber hing ich gebannt vor der Glotze, weil in der Programmvorschau "Münchhausen" erschien; der Film entpuppte sich - zu meiner Enttäuschung, die aber nicht lange vorhielt - als Fernsehspiel nach dem Theaterstück von Walter Hasenclever; leider schlecht dokumentiert und offenbar - zu unrecht - vergessen; Hans-Joachim Kulenkampff als alternder Lügenbaron, der in eine Jugendliche verliebt ist, die ihn weidlich ausnutzt - na, so uninteressant ist das nicht.

Per Express erreichte mich heute eine Kopie von Terry Gilliams Version der Lügengeschichten, die ich vor etlichen Jahren ebenfalls im Fersehen verfolgt hatte. Als großes Trickspektakel hatte ich sie in Erinnerung, was sie auch ist, weswegen ich in der Mitte des Films versucht war, auszuschalten, aber der ganze Film ist metaphorisch angelegt und hat eine tiefere Aussage, die auch durch das Spektakel - hier noch ein tolles Bild, da noch ein phantastischer Trick, und viel Lärm - dringt und mich bei der Stange hielt; es ist Gilliams Abrechnung mit der französichen und der industriellen Revolution, spinnert wie alle seine Filme, aber nicht unwahr. Am besten ist aber die Einblendung ganz am Anfang, welche die Zeit definiert, zu der die erzählte Geschichte - jedenfalls die Rahmenhandlung - spielt: Gegen Ende des 18. Jahrhunderts - Das Zeitalter der Vernunft - Mittwoch. Damit ist eigentlich schon alles gesagt, wenn man es versteht.

Vor noch gar nicht langer Zeit wurde mir bewußt, wie sich die Zeiten geändert haben: vor hundert Jahren waren noch fast siebzig von hundert Menschen häßlich, heutzutage sind rund dreißig Prozent hübsch anzusehen. Natürlich gibt es auch Ausnahmen ("Ausnahmen bestätigen die Regel", pflegte meine Klassenlehrerin zu sagen); die sind weder hübsch noch häßlich, sondern interessant, und auf diese Art "schön" zu nennen. Doch, Hand aufs Herz, Jodie Foster schön? Oder Holly Hunter? Gewiß, letztere macht sich schön, doch ist sie in Wahrheit ein alter Ego Jodie Fosters, wie wir in Copycat sehen können, und als solches wurde sie von Jodie Foster für deren Film Familienfest und andere Schwierigkeiten besetzt. "Wir müssen uns nicht mögen, wir sind lediglich verwandt" sagt sie da (sinngemäß), und wir glauben es ihr, weil es nicht nur unseren Gefühlen entspricht, sondern auch überzeugend rüberkommt (und von Jodie Foster gedacht wird, die nicht zynisch ist, das muß gesagt werden; es entspricht ihrer Lebenserfahrung). [Oh, ich vergaß: mit der derangierten Anne Bancroft, dem senilen Charles Durning, einem schwul-frechen Robert Downey jr. und einer ewig furzenden Geraldine Chaplin hatte der Film eine Starbesetzung}

Weshalb erzähle ich das? Müde, aber schlaflos, sah ich soeben Copycat und ärgerte mich von der ersten Sekunde an über Sigourney Weaver, die gewiß eine gute Schauspielerin ist, deren Mund, ja, deren ganzes Gesicht ich überhaupt nicht mag: nenn mich rechtsradikal, rassistisch oder bei sonstwelchen üblen Namen; so sehen Menschen nicht aus. Holly würde mich wohl nicht verstehen, Jodie nur vielleicht; verzeiht mir, eigentlich gehört Sigourney in die Kategorie "interessant", aber ich kann mich nicht mit ihr identifizieren. Ist es Zufall, daß sie die Heldin von Alien 1 bis 5 war und noch mehr von dem Zeug drehen möchte?

Man kann mir immer eine kleine Freude machen, indem man mir einen Unterhaltungsfilm schenkt; egal welches Genre, wenn die Geschichte nur interessant erzählt wird. Das glaubte ich zumindest bis Vorgestern. Wir hatten uns über diese wunderbare Serie aus England unterhalten, die 1966/67 ihren Höhepunkt erreicht hatte - durch das Zusammenspiel von Patrick Macnee (John Steed) und Diana Rigg (Emma Peel), und dank der für sie ersonnenen Drehbücher, die auch die drögste Folge noch mit englischer Lebensart und mit Witz ausstatteten.

Deshalb überreichte mir der Bekannte in bester Absicht den 1998 veröffentlichten Kinofilm "The Avengers" ("Mit Schirm, Charme und Melone", einer der seltenen Fälle, wo der deutsche Titel den des Originals übertrifft), der die Agenten Steed und Peel einen Fall von bedrohlicher Wettermanipulation bearbeiten läßt. In den 60ern war Er ein englischer Gentleman der alten Schule und Sie eine junge und selbstbewußte Frau, zwischen ihnen immer gegenwärtig eine erotische Spannung, beide erprobte Kämpfer und beide mit ausgeprägtem Humor.

Das konnte ich von einem 30 Jahre später gedrehten Film natürlich nicht erwarten. Doch was ich dann sah, hätte ich nun auch nicht erwartet: Ralph Fiennes und Uma Thurman mögen gute Schauspieler sein, das kann ich nicht beurteilen und darum geht es auch gar nicht. Beide sind Fehlbesetzungen, falls der Film als Quasifortsetzung der Fernsehserie gedacht war. Vermutlich war er das nicht und benutzte den guten Ruf des alten Juwels nur, um eine moderne Schurkengeschichte daran aufzuhängen. Fiennes ist kein englischer Gentleman (obwohl Engländer, obwohl möglicherweise auch Gentleman), denn außer den Requisiten Schirm und Melone sieht nichts bei ihm danach aus; Uma Thurman hat zuviel Sex (durch die Filmkleidung noch hervorgekehrt), um erotische Spannung aufkommen zu lassen. Nach nicht einmal fünf Minuten konnte ich dieses Machwerk, in anderem Kontext unter anderem Namen vielleicht ein passabler Thriller, nicht mehr ertragen. Mit einem Gemisch aus Ekel und Schmerz schloß ich das Abspielprogramm.

Stattdessen nahm ich die DVD-Box mit allen Folgen des Jahres 1966 aus dem Regal und sah mir für den Anfang "Stadt ohne Wiederkehr" an. Unnötig, irgendwelche Handlungsabläufe zu schildern - es gibt immer eine große Gefahr, Peel und Steed bewältigen diese immer, und meist gibt es ein Feuerwerk vorgetäuschter Keilerei vor dem Happy End, das immer eine Schlußpointe hat. Der Charme geht von der englischen Lebensart aus, je mehr davon - und je spleenigere Typen -, desto besser. Diesen Kinofilm, der vorgibt, etwas zu sein, das er beim besten Willen nicht ist, muß ich nicht haben.

Och, wat hamma jelacht! Damals, die B-Movies der 40er und 50er, wenn die im TV kamen. Die meisten Gruselfilme gehörten in diese Kategorie, es gab eine Filmgesellschaft, die sich auf B-Western spezialisiert hatte, und so weiter und so fort. Gestern nun sah ich wieder ein B-Movie, aber zum Lachen war mir nicht. Dieser Filmkunstverschnitt kam so bierernst daher, die Darsteller haben bestimmt allesamt Mühe, ihre Miete zu bezahlen, die Geschichte war in der Konsequenz großartig, aber in sich beknackt, aber, vor allem Anderen: das Teil macht sich mit (mittelmäßigen) Special Effects wichtig, bei denen man unweigerlich an das Budget denkt - und das ist der Punkt: du kannst heute kein B-Movie unter 72 Trilliarden Dollar drehen oder so. Der Film heißt "Stonehenge Apocalypse", der Bösewicht sieht Obama oberflächlich ähnlich, will heißen, er ist dieselbe Art Schwarzer, und die kompletten 90 Minuten sind garantiert humorfrei.

Dann lieber RED (retired, extremely dangerous), voller Gags, mit einer Besetzung die nach heutigen Maßstäben SuperExtra ist: Bruce Willis, Morgan Freeman, John Malkovich, Helen Mirren, Richard Dreyfus, dazu noch paar junge Gesichter, und obendrein Ernest Borgnine, den man von Staub und Spinnweben gesäubert hat und der ein paar Sätze sagen darf, die Story spannungsvoll, große Unterhaltung - wenn nur nicht dauernd mit so leichter Hand gestorben werden würde. Das geht nun seit fast 50 Jahren so, nämlich seit dem ersten James Bond "Dr. No". Was als Hitchcock-Abklatsch begann, wurde zu einem zynischen Standard, in dem die clever designten Shootouts und Clinches von den coolsten Sprüchen begleitet werden. Übrigens: je weniger Blut, desto mehr Gemetzel bleibt von der MPAA ("Movie Producers Association of America", die mit dem Rating-System) unbeanstandet, aber son büschen triefendes Kehleaufschlitzen kommt noch mit "Restricted" davon, während "Boys don't cry" Gefahr lief, ein für die finanzielle Auswertung geradezu vernichtendes "NC17" (no children up to 17) zu bekommen - weil Lanas Orgasmus zu lang sei (wir erinnern uns: ihr Gesicht in Großaufnahme, die Erregung und das Entzücken widerspiegelnd), wie ich aus dem Film "This Film has not been rated yet" erfahren habe.

Jetzt aber etwas Erfreuliches: Dame Helen Mirren war mir bisher kein Begriff, obschon sie eine mit allen Wassern der Kunst gewaschene Schauspielerin ist; umso mehr freut mich ihre Darstellung einer Ex-Scharfschützin des Geheimdienstes, die bekennt, auch im Ruhestand gelegentlich einen "Job" anzunehmen: "You can't just flip a switch and be someone else!" Locker bedient sie diverse Gewehre, darunter ein schweres MG, als hätte sie das tatsächlich berufsmäßig gemacht, also ganz nebenbei und wie selbstverständlich. Zwischendurch bleibt ihr noch Zeit Bruce Willis an die Wand zu spielen, aber das hat bis jetzt noch jede Haupt- oder Nebenhauptrolle geschafft. Das alles ist bemerkenswert, vollständig aber erst durch die Hinzufügung, daß sie eine erotische Ausstrahlung hat, ganz einfach, weil sie eine hat, sie muß dafür keine Grimasse ziehen, kein Bein entblößen, keinen Busen zeigen.

Und damit zurück zum Rating oder zur Zensur oder wie immer das noch genannt werden wird. Meiner Meinung nach muß nicht alles gezeigt werden. Die alten Schinken waren schockierender als die üblichen Szenen "mit realistischer" Gewaltdarstellung, die eklig sind; die durch Regeln der letzten Freiheiten beraubten Filme waren erotischer als die Parade entblößter Darsteller seit den 60ern. Der Hyperrealismus hat Gewalt konsumierbar und Erotik zu Sex gemacht. Film, das ist doch der Witz, ist nicht Abbild der Realität; genausowenig ist Film Wahrheit. Ein Film, der etwas taugt, manipuliert sein Publikum von Anfang bis Ende, und verzichtet zugunsten der Vision der Zuschauer auf Realismus. Spritzendes Blut, klaffende Wunden? Man hat doch Schauspieler, die das Geschehen glaubhaft machen. Man lenkt die Emotionen durch die Wahl und Abfolge der Einstellungen. Ein gewitzter Dialog zwischen Zweien, die sich noch nicht begehren, oder denen noch nicht klar ist, daß sie einander verfallen sind, oder die ungleiche Gefühle haben: er verliebt, sie nicht und umgekehrt, oder oder oder - wieviel Spannung kann darin liegen und wie angenehm berühren uns solche Szenen. Freilich, es gibt so abgewichste Leute, die das für rückschrittlich halten. Ja, schreitet nur immer schön fort - möglichst weit weg von mir.

[Nachtrag: MPAA steht in Wahrheit für Motion Picture Association of America und ist im Grunde ein Verein gegen Lebensfreude, aber für Gewaltverherrlichung.]

 

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