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Als ich heute zum Krankenhaus kam und ein paar Meter an dem Gebäude entlang zum Eingang schritt, hörte ich gedämpfte Schreie: "Aaaah! Ah! Aaaah! HILw! HILw! Aaaah! Ah!" Wurde da etwa eine Frau ohne Narkose operiert? Oder passierte sonst etwas Schlimmes? Aber nein, dies ist ein Krankenhaus. Da hat eine Frau starke Schmerzen, aber das Personal wird sich um sie kümmern.

Unterdessen hatte ich die Eingangshalle durchquert und einen Fahrstuhl bestiegen. Im dritten Stock wandte ich mich zur Chirurgie, betrat den Flur - und hörte wieder die Schreie:" Ah! Aaaah! Aaaah! Ah! Aaaah!" Die waren zuvor wohl durch ein auf Kippe geöffnetes Fenster bis zum Weg hinabgedrungen. Irritiert, beunruhigt, kopfschüttelnd betrat ich das mir bereits bekannte Dreierzimmer. Das Bett in der Mitte fehlte, der Raum wirkte irgendwie unordentlich. Die Frau bei der Tür grüßte, meine Mutter saß auf ihrem Bett am Fenster. Zur Begrüßung sprudelte sie gleich los: "Oh, das war so schrecklich, Gott sei Dank daß die jetzt raus ist. Das war nicht mehr auszuhalten." Und dann liefen ihr Tränen übers Gesicht.

Unter Mithilfe der Zimmergenossin erfuhr ich die Geschichte: Gegen Mittag hatten sie eine Neue aufs Zimmer bekommen, die "völlig idiotische" Fragen stellte, und zwar immer wieder und immer dieselben, so daß sowohl meine Mutter als auch ihre Zimmergenossin mehrmals und für längere Zeit das Zimmer verließen. Zum Abendbrot fanden sie sich wieder ein. "Ich hatte mich schon an den Tisch gesetzt, statt im Bett zu essen, da ging das wieder los und ich bin mit meinem Essen auf den Flur gegangen, ich konnte das nicht mehr ertragen."

Die Neue kriegte sich aber nicht ein, im Gegenteil, sie räumte den Nachttisch der Zimmergenossin ab, riß ein Telefon zu Boden und begann zu schreien, so daß die Stationsschwestern herbeieilten und sie aus dem Zimmer entfernten. - Meine Mutter versuchte, nun wieder gefasst, sich an die Fragen zu erinnern. Wohnen Sie auch hier? Haben Sie sich auch hier eingemietet? Kennen Sie auch Frau Soundso? In dieser Art. Ich vergaß, mich nach dem ungefähren Alter der Frau zu erkundigen; vielleicht, weil mir ein bestimmtes Bild wie eine Gewißheit vor Augen stand.

Eine Frau um die Fünfzig. Die Erschütterung, die ein Unfall, ein gebrochener Knochen mit sich bringt. Die plötzliche Unselbständigkeit. Desorientierung und zunehmende Angst in der fremden Umgebung. Die Unmöglichkeit, das Fremde zu verarbeiten, es mit der vertrauten Welt in Einklang zu bringen. Das schmale Band, das Wirklichkeit und Scheinwelt noch zusammenhält, zerreißt. Engel, Steine, Gurus oder was auch immer - fortgewischt. Schmerzend fremde Wirklichkeit. Panik. Zusammenbruch des Ich.

Wer denn sonst! Wir müssen nun einmal sparen, was das Zeug hält, das weiß doch jedes Kind.

Hat hier der Übersetzer, der Lektor oder das Dreckfelertuffelchen zugeschlagen: des Original ist Englisch, im Deutschen steht daher überraschend "Lifeübertragung". Naja, in dem Buch wird viel gestorben, da mag man sich das schon wünschen.

Heute will ich die Geschichte von - oh! die Platte läuft schon:

Her man's been gone for nearly a year
he was due home yesterday but he ain't here
Her man's been gone for neigh on a year
he was due home yesterday but he ain't here


Das ist die Geschichte: ihr Mann ist seit einem Jahr fort (und wer weiß, was er getrieben hat); gestern hätte er zurück sein sollen, aber - . Mit diesem Choral beginnt "A quick one, while he's away" (von The Who 1966 aufgenommen, also olle Kamellen, bitte um Entschuldigung, küß die Hand, gnä' Frau, gestatten). Sodann macht der Sänger einen auf Bob Dylan:

Down your street your crying is a wellknown sound
your street is very wellknown throughout your town
your town is very famous for the little girl
whose crying can be heard all around the world


Ebenso frech wie parodistisch. Die Band spielt zunehmend rockiger, dann ein Bruch. Minimalistisch begleitet, aber erhaben verkünden die Jungs - oder sind es die Götter selbst? -, daß sie ein Heilmittel wissen:

We have a remedy you'll appreciate
no need to be so sad he's only late
we'll bring you flow'rs and things, help pass the time
we'll give him eagle's wings, then he can fly
to you

We have a remedy fa-lallallalla-la-la-la
we have a remedy fa-lallallalla-la-la-la

we have a remedy
we have!


Es sind nicht die Götter, es ist ein Mann, und er spricht:

Little girl
why don't you stop your crying?
I'm gonna make you feel alright


Ein dampfgetriebenes Vehikel nähert sich:

My name is Ivor, I'm an engine driver
I know him well, I know why you feel blue
just cause he's late, don't mean he'll never get through
he told me he loved you, he ain't no liar, I ain't either
so let's have a smile for an old engine driver

Please take a sweet, come take a walk with me
we'll sort it out, back at my place maybe
it'll come right, you ain't no fool, I ain't either
so why not be nice to an old engine driver
better be nice to an old engine driver


So so, da dient sich wer als Trösterchen an. Ist der das Heilmittel? Erneut ein Bruch und ein vertrauter der-alte-Gaul-reitet-durch-das-Tal-der-langen-Schatten-Rhythmus kündet von Heimkehr:

We'll soon be home, we'll soon be home
we'll soon, soon soon soon be home
(come on, old horse!)
Soon be home, soon be home
soon, soon soon soon be home


Und der so lange Zeit Entbehrte klingelt an der Tür:

Dang dang dang dang dang dang dang dang dang dang dang

Der Himmel hängt voller Celli:

cello cello cello cello
cello cello cello cello


und ihr Mann singt dazu:

I can't believe it
do my eyes deceive me?
am I back in your arms?
away from all harm?
it's like a dream to be with you again
can't believe that I'm with you again


und sie antwortet:

I missed you, and I must admit
I've kissed a few and once did sit
on Ivor the engine driver's lap
and later with him had a nap


Oha, sie beichtet nicht weniger, als daß sie fremdgegangen ist. Mit Ivor, engine driver und Freund ihres Mannes. Das gibt Zeck. Oder?

You are forgiven

Immer wieder, in vielen, sich steigernden Variationen:

You are forgiven

Simpel, unschuldig, erhaben, komisch. Die beiden abschließenden Gitarrenakkorde sind dem Schluß von "Die Moldau" durchaus ebenbürtig. Wem zauberte das nicht ein erfreutes Lächeln aufs Gesicht!

Heute in meiner Qualifizierungsmaßnahme:
Bevor es an das eigentliche Lernen geht, müssen wir zunächst Kommunizieren und Lernen lernen. In Teams erarbeiten wir uns mittels brainstorming etc. das Wesentliche zu den Themen Lernen, Stress und Kommunikation, präsentieren die Ergebnisse, und gucken einen Film (aus der Reihe "Alpha" des BR), in welchem uns Experten über Kommunikation auf der Sach- und der Beziehungsebene aufklären. Experten, die als selbständige Managementberater eigene Institute unterhalten, beispielsweise ein "Institut für gehirngerechtes Arbeiten"(dessen Leiterin seit 1970 hier und da wirkt). Ein anderer Experte (dunkelblauer Anzug, weißer Kragen, leuchtendblaue Weste, grellgelber Schlips), ebenfalls Institutsbetreiber, schildert aus seinen Seminaren: "Wo sehen Sie mich, frage ich an der Stelle, und eine beliebte Antwort ist 'zwei Meter vor mir'. Das ist falsch, sage ich dann, Sie sehen mich in Ihrem Gehirn." Das erläutert er mit weiteren Sätzen, während er sich vorbeugt und die Kamera fixiert, als wolle er hinenkriechen - in den Zuschauer. Spontaner Ekel schüttelt mich. Seine Körpersprache teilt mir mit, daß er Macht über mich haben will, und ich weiß, daß er gewohnt ist, Menschen zu manipulieren. Wenigstens dauert diese vorgebliche Wissenschaftssendung nur eine halbe Stunde.

Wir hören danach etwas über "Transaktionsanalyse", erfahren vom "Vier-Ohren-Modell", grausige Sprechblasen wie "kommunikative Kompetenz" und "effektives Kommunizieren" werden uns entgegengeschleudert. Seltsam, denke ich, daß alle Erklärungen und Erläuterungen des Dozenten sich fast ausschließlich an maschinelle Vorgänge anlehnen. Wo bleibe ich, wo meine Mitmenschen in dieser Art von Kommunikation, der business-bezogenen? Hat der Dozent, haben diese Experten ein mechanistisches Weltbild? Weshalb ist in den "Kommunikationsmodellen" nicht von Überzeugen, Erklären und Verstehen die Rede, als von Leistungen, die die am Gespräch beteiligten Personen aufzubringen haben? Weil, so meine Antwort, es in der Konsequenz nicht um Verständigung geht, sondern um Aufschwatzen, Aufdrängen und Manipulieren. Zu diesen Zwecken werden "Gesprächstechniken" und "Körpersprache" trainiert. Es geht um "effiziente Kommunikation", es geht um Macht. Hat ein gesunder Mensch das nötig?

 

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