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EMMA-Leser kennen das Dilemma ihrer Zeitschrift: die Mißstände haben sich kaum geändert (allenfalls die verbale Verbrämung), aber man möchte nicht andauernd - trotz aller Berechtigung - über dieselben Themen lesen. Islamistische Gotteskrieger, christliche Fundamentalisten, Sex-Tourismus, Frauenhandel und Zwangsprostitution. Dazu groteske Irrtümer als die "gute Nachricht"; beispielsweise ein lobender Artikel über Norbert "Büttenredner" Blüm, oder die Erklärung Lara Crofts zum - positiven! - Identifikationsmodell für Mädchen in der Computerspielewelt (Magersucht, ick hör dir trapsen). Oder in der neuesten EMMA ein wohlwollendes Interview mit Anke "Oberflächlich" Engelke.

Nun ja, so ist EMMA, doch es ist richtig und wichtig, daß es sie in einer glattgebügelten Medienwelt kon- und uniformer Meinungen gibt. Und Alice Schwarzer, eine Seele von Mensch, ist über jeden Zweifel erhaben. Sie hat nicht immer recht? Nee, wer hat das schon.

In Heft 2/2004 brachte die Redaktion einen bissig-satirischen Artikel einer freien Autorin über "Kampfmütter", der von den Leserinnen sehr kontrovers aufgenommen wurde. Ich freue mich, daß unter den Befürworterinnen viele Mütter sind, die offenbar ihre fünf Sinne noch beisammen haben. Denn ich habe eigene Erlebnisse mit dem karikierten Personenkreis. Besonders zwei Begegnungen sind mir lebhaft im Gedächtnis.

Bei einer meiner sommerlichen Fahrradtouren stieß ich auf eine Menschenansammlung, die den Wümmedeich versperrte. In den Wiesen tollten Kinder umher, auf der Deichkuppe (dem befahrbaren Weg also) verbreitete sich ein Knäuel aus Rädern und schwatzenden Eltern. Bei solchen Gelegenheiten zögere ich nicht: aggressiv, ohne zu bremsen, sauste ich klingelnd auf die Gruppe zu, die widerwillig eine Gasse freigab (selbstverständlich war ich darauf eingestellt, rechtzeitig bremsen zu können; ich will niemanden verletzen, schon gar nicht mich selbst). Und so passierte ich den Haufen, mein Tempo zur Sicherheit verlangsamend. Aus der Schar, die mir den Weg versperrt hatte, riefen mir Stimmen hinterher, daß ich gefälligst auf die Kinder achtzugeben hätte, und was ich mir denn einbilde.

Vorfall Nummer Zwei: wo Straßen frei sind, überquere ich sie bedenkenlos bei roter Ampel, so auch bei jener Gelegenheit. An der nächsten Ampel mußte ich wegen dem dichten Verkehr stoppen. Neben mir hielt eine Frau von etwa dreißig mit einem Kindersitz auf dem Gepäckträger. Weshalb ich bei Rot gefahren sei, maulte sie, ich gäbe dem Kind ein schlechtes Beispiel. Ich sah kurz auf das Wesen hinter ihr: kaum zwei Jahre alt und schlafend hing es in dem Rücksitz. Wie ich diesem Kind ein schlechtes Vorbild sein konnte, bleibt mir rätselhaft. Im Übrigen sollen Kinder wissen, daß Menschen lernen müssen, eigene Entscheidungen zu treffen: mit Vernunft, auch wenn man dabei Regeln übertritt.

Ich verstand also die Empörung der Autorin, die mit bissigem Humor genau solche Mütter aufspießte. Und damit EMMA eine Flut von Leserbriefen bescherte; teils "Pro", teils "Contra". Ein echter Hit und und eine willkommmene Abwechslung, direkt aus dem Alltag. Ungesagt bleibt aus meiner Sicht, daß jene Mütter (und Väter) ihre Kinder benutzen, um andere Menschen zu maßregeln; sie benutzen, um Macht auszuüben. Vor solchen Eltern spucke ich aus, denn im Grunde wollen sie - unreife Menschen die sie sind - für sich selbst die angemahnte Rücksichtnahme.

Eine Äußerung kam meiner Auffassung recht nahe: "Diese Identifizierung mit dem Nachwuchs, so wie hier beschrieben, hat etwas Zwanghaft-Aggressives, bzw. Egoismus und Aggressivität werden über die Schiene Nachwuchs unter dem Deckmäntelchen Selbstlosigkeit fröhlich ausgelebt."

Interessant fand ich dieses "Contra": "Ich bin Geisteswissenschaftlerin, spreche fünf Sprachen fliessend, musste aber immer wieder feststellen, dass meine Arbeitsplätze im Grunde darauf hinausliefen, präpotenten Männern den Hintern abzuputzen. Ehrlich gesagt, ist mir da die Kacke meines Sohnes doch noch lieber." Und wie lange will sie noch Männerhintern abwischen?
 

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