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[Ganz recht, ich habe eine Nummer übersprungen. Der Goethe hätte das als Aberglaube abgetan, aber wir Heutigen sind denn doch ein wenig aufgeklärter und wissen, daß man die Mächte der Dunkelheit nicht geradzu auffordern darf, einzutreten, wenn man sich zu einem höheren Sein aufschwingen will. Deshalb muß auf zwölf vierzehn folgen. Wir leben schließlich in der Moderne.]

Ja, ich bin endlich in dieser Hauptstadt der Welt angelangt! Wenn ich sie in guter Begleitung, angeführt von einem recht verstänigen Manne, vor fünfzehn Jahren gesehen hätte, wollte ich mich glücklich preisen. Sollte ich sie aber allein, mit eigenen Augen sehen und besuchen, so ist es gut, daß mir diese Freude so spät zuteil ward.

Jetzt ist mir klar, weshalb wir im Sauseschritt durch Po-Ebene und Appenin düsten: Einer der Hauptbeweggründe, die ich mir vorspiegelte, um nach Rom zu eilen, war das Fest Allerheiligen, der erste November; denn ich dachte, geschieht dem einzelnen Heiligen so viel Ehre, was wird es erst mit allen werden. Allein, wie sehr betrog ich mich! Kein auffallend allgemeines Fest hatte die römische Kirche beliebt, und jeder Orden mochte im besonderen das Andenken seines Patrons im stillen feiern; denn das Namensfest und der ihm zugeteilte Ehrentag ist's eigentlich, wo jeder in seiner Glorie erscheint.

Tja, Neese. Jedoch: Gestern aber, am Tage Allerseelen, gelang mir's besser. Das Andenken dieser feiert der Papst in seiner Hauskapelle auf dem Quirinal. Jedermann hat freien Zutritt. [...] Mich ergriff ein wunderbar Verlangen, das Oberhaupt der Kirche möge den goldenen Mund auftun und, von dem unaussprechlichen Heil der seligen Seelen mit Entzücken sprechend, uns in Entzücken versetzen. Da ich ihn aber vor dem Altare sich nur hin und her bewegen sah, bald nach dieser, bald nach jener Seite sich wendend, sich wie ein gemeiner Pfaffe gebärdend und murmelnd, da regte sich die protestantische Erbsünde, und mir wollte das bekannte und gewohnte Meßopfer hier keineswegs gefallen. Hat doch Christus schon als Knabe durch mündliche Auslegung der Schrift und in seinem Jünglingsleben gewiß nicht schweigend gelehrt und gewirkt; denn er sprach gern, geistreich und gut, wie wir aus den Evangelien wissen. Was würde der sagen, dacht' ich, wenn er hereinträte und sein Ebenbild auf Erden summend und hin und wider wankend anträfe?

Mich beschäftigt außerdem die Frage, zu welcher Lektüre ich denn als nächstes greifen soll. Der Goethe hat ja lange mit dem Maler Emil Tischbein korrespondiert (über dessen Kindheit Erich Kästner geschrieben hat) und will hier in Rom bei ihm in die Lehre gehen; da werde ich viel Zeit zum Lesen haben. Na, mal sehen.
 

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