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Rom, Januar 1787. Goethe verbringt viel Zeit bei dem verletzten Moritz oder er bearbeitet seine Iphigenie. Ich lese ein Buch nach dem anderen, und die Bücher katapultieren mich heraus aus dem beschaulichen Italien.

Zuerst "Bauern, Bonzen und Bomben" von Hans Fallada. Pommern 1930, ein kleines Industrienest irgendwo bei Stettin. Die Bauern beginnen, sich gegen Pfändungen ihres Viehs zu wehren und demonstrieren in der Stadt, wo ihr verhafteter Anführer einsitzt. Durch eine Intrige verursacht der Geheimbeauftragte der Kreisregierung einen blutigen Polizeieinsatz gegen die Bauern. Diese organisieren einen Boykott gegen die Stadt, die Städter organisieren untereinander Intrigen, der Prozess wegen des Aufruhrs enthüllt einiges, doch die angeklagten Bauern werden trotzdem verurteilt.

Es ist eine Komödie mit trefflichen Menschenschilderungen und vielen komischen Dialogen, doch eine bittere. Alle Organisationen, Institutionen und Zeitungen verfolgen nur ein Ziel: die Mehrung ihrer Macht und Verkündung ihres Weltbildes als des einzig Wahrhaftigen; ob Richtiges gesagt und getan wird, ist ohne Belang, erst recht, wenn es vom "Feind" kommt. Der Bürgermeister der Kleinstadt, ein SPD-Bonze, der für alle Menschen in Stadt und Land organisiert, entwickelt, Gelder auftreibt und der manches erreicht hat, wird von den eigenen Genossen abgesägt - er täte nicht genug für die Partei.

Dann "Der Baader-Meinhof-Komplex" von Stefan Aust. Eine kleine Parallele zu "Bauern, Bonzen und Bomben": es war der Verfassungsschutz, der den radikalsten Studenten die ersten Molotow-Cocktails und Bomben besorgte. Die Leute von der späteren RAF ebenso wie die von der späteren "Bewegung 2. Juni" gingen in die Falle der erwünschten Eskalation, weil sie glaubten, wenn alle über die Revolution diskutieren, dann steht sie vor der Tür und man muß nur den Anfang machen. Der Weg der RAF führte in den Knast, und erst als Inhaftierte unter äußerst scharfen Haftbedingungen wurden sie als Opfer attraktiv und es entstand eine Sympathisantenszene. Es ist immer wieder interessant nachzulesen, wie unter dem Etikett Terrorismusbekämpfung Gesetze verschäft, Sondergesetze erlassen, Verteidigerrechte ausgesetzt und ein geradezu unrechtsstaatlicher Prozeß gegen die RAF-Mitglieder in Stammheim (und anderswo) durchgezogen wurde. Sie waren in die Gewaltfalle gegangen, nun wurde an ihnen stellvertretend für eine ganze Generation ein Exempel statuiert.

Und "Wie alles anfing" von Bommi Baumann. Seine Geschichte beginnt in den frühen 60ern und dem gemeinsamen Erleben aller jungen Leute: wie sie wegen ihrer Lebenslust und "ihrer" Musik - Beat und Rock'n'Roll - von vielen Älteren beschimpft, diffamiert und bedroht wurden. Als Linke hat man sich denn noch nicht gefühlt, aber alles was dagegen war, war gut, auch die NPD. Es gab jedoch keine Hakenkreuzromantik, das nicht, Hitler fand natürlich keiner gut, weil der auch gegen lange Haare war, das war ja genau der Typ. Faschismus als solcher wurde natürlich abgelehnt, aber die reine Opposition hast du dann schon besser gefunden als diese kleinbürgerliche Mittelmäßigkeit, dieses reine Nichts, das herrschte. Da hast du schon alles gut gefunden, was nicht damit einverstanden war, auf alle Fälle war es lustig.

Und allmählich beschäftigten sich immer mehr junge Menschen mit Politik und wurden auch aktiv, mit witzigen Aktionen ebenso wie mit Randale. Der Terrorismus begann, als nach langen Hetzkampagnen der Springerpresse ein Arbeitsloser Rudi Dutschke niederschoß, Ostern 1968. In vielen Städten gab es daraufhin Krawall, in Berlin flogen Steine gegen den Springer-Verlag - und vom Verfassungsschutz gelieferte Molotow-Cocktails.

Das alles geistert mir seit Tagen im Kopf herum und mußte aufgeschrieben werden. Jetzt habe ich hoffentlich den Kopf wieder frei für Goethe, Rom und die Italienische Reise.
 

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