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Ich gebe ja zu, einiges unterschlagen zu haben bei dem Sizilientrip. Beispielsweise die Seereisen. Die Hinfahrt dauerte wegen ungünstiger Winde doppelt so lang wie üblich (und Goethe wurde seekrank, sobald es aufs offene Meer hinausging). Auf der Rückfahrt war es ähnlich, allerdings saßen wir auf einem französischen Schiff, das eine weiße Flagge führte und damit Schutz vor Seeräubern versprach (welche offenbar weißbeflaggte Segler nicht angriffen? Seltsam.), weshalb denn viel Volk an Bord gekommen war. Diese Leute machten alsbald die Mannschaft für die ungünstigen Winde verantwortlich; der Kapitän sei ein Kaufmann, der Steuermann ein Matrose, man dürfe ihnen keine Menschenfracht anvertrauen etc. Goethe bemühte sich um Beruhigung der Gemüter - einmal auf See muß man die Seeleute nehmen, die man hat, und zwar so, wie sie sind.

Vor Neapel gerieten wir in eine vollkommene Flaute und der Kahn trieb hilflos durch den Golf. Im Dunkeln kam dann Unruhe auf; man befinde sich nun in einer Strömung, die uns unweigerlich auf Felsen aufprallen lasse, wenn kein Wind aufkäme. So ging es Stunden hin. Im Morgengrauen trugen die Seeleute Stangen an Deck, um das Schiff im äußersten Fall auf Abstand zum Gestein halten zu können. Noch in der Nacht hatte es großes Geschrei gegeben, dem Goethe einen Aufruf zum Beten entgegensetzte - wenn der Herr sich der Apostel erbarmt und dem Sturm Einhalt geboten habe, so sei er zweifellos in der Lage, die Winde zu entfachen, und ebendarum sollten sie nun bitten. Die Gläubigen legten auch gleich los. Er ließ sich lange bitten, doch als das Zerschellen nicht mehr fern war, ging endlich ein Lüftchen. Sofort wurden die Segel gesetzt und wir entkamen dem Sog.

Nun also wieder Neapel, dann noch einmal Rom, naja, da kenn ich doch schon manches, und mich juckt der Irrwitz, daß ich Die Brüder Karamasow aus der Reisebibliothek ziehe. 1000 Seiten, unterteilt in 4 Teile und insgesamt 12 Bücher, am Ende ein Epilog, am Anfang ein Vorwort, das nur zwei Seiten lang ist. "Nun, das ist mein ganzes Vorwort. Ich gebe zu, es ist überflüssig, da es aber nun einmal geschrieben ist, mag es auch stehenbleiben. - Und nun zur Sache." Der geht ran, der Dostojewski. Aber ob ich es jetzt wirklich lesen werde?

Ganz recht, ich bin noch den Dramenentwurf schuldig. Der Hauptsinn war der: in der Nausikaa eine treffliche, von vielen umworbene Jungfrau darzustellen, die, sich keiner Neigung bewußt, alle Freier bisher ablehnend behandelt, durch einen seltsamen Fremdling [Goethe?] aber gerührt, aus ihrem Zustand heraustritt und durch eine voreilige Äußerung ihrer Neigung sich kompromittiert, was die Situation vollkommen tragisch macht. Und das bedeutet? Ulyß, der, halbschuldig, halb unschuldig [Goethe??], dieses alles veranlaßt, muß sich zuletzt als einen Scheidenden erklären, und es bleibt dem guten Mädchen nichts übrig, als im fünften Akt den Tod zu suchen. Das ist hart.

Es war in dieser Kompostion nichts, was ich nicht aus eignen Erfahrungen nach der Natur hätte ausmalen können. Selbst auf Reisen, selbst in Gefahr, Neigungen zu erregen, die, wenn sie auch kein tragisches Ende nehmen, doch schmerzlich genug, gefährlich und schädlich werden können; selbst in dem Falle, in einer so großen Entfernung von der Heimat abgelegene Gegenstände, Reiseabenteuer, Lebensvorfälle zu Unterhaltung der Gesellschaft mit lebhaften Farben auszumalen, von der Jugend für eine Halbgott, von gestztern Personen für einen Aufschneider gehalten zu werden, manche unverdiente Gunst, manches unerwartete Hindernis zu erfahren gab ihm den Plan zum Drama ein. Was sagt nun die Prinzessin dazu, wird sie ein Drama daraus machen?

Mein lockeres Prinzeßchen werde ich wohl nicht wiedersehen; sie ist wirklich nach Sorrent und hat mir die Ehre angetan, vor ihrer Abreise auf mich zu schelten, daß ich das steinichte und wüste Sizilien ihr habe vorziehen können. - Nächstes Mal: was Goethe über die Prinzessin erfuhr.
 

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